Kaufen wir doch fünf neue Kriegsschiffe (mit Nachtrag)

20130121_korvetten_warnemuende

Die Deutsche Marine ist knapp an Schiffen und Booten, erst recht, seitdem in den vergangenen Jahren zusätzliche Auslandseinsätze hinzugekommen sind und älteres Gerät wie die Schnellboote ausgemustert wurde. An baldiger Abhilfe ist die Bundeswehr also interessiert, dennoch klingt recht überraschend, was die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) am (heutigen) Freitagabend meldet:

Die Marine soll fünf neue Korvetten bekommen. Das würde den Bestand auf zehn Schiffe verdoppeln. Auf diesen überraschenden Rüstungsdeal haben sich Union und SPD geeinigt. „Die Deutsche Marine ist mit ihren Einheiten und Besatzungen nach Jahren des Abbaus in den laufenden Einsätzen wie beispielsweise am Horn von Afrika oder in Libanon gebunden“, teilten die Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) der Süddeutschen Zeitung in einer gemeinsamen Stellungnahme mit.

Als wäre die Tatsache, dass ein neues Rüstungsprojekt nicht von Ministerium oder Bundeswehr, sondern von Abgeordneten der Regierungskoalition verkündet wird, noch nicht überraschend genug, kommt noch mehr Überraschendes hinzu: Bereits in drei Jahren, 2019, sollen zwei der fünf neuen Korvetten in Dienst gestellt werden. Grund seien die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht.

Nach ergänzenden Angaben der Welt soll der Beschluss über das Milliardenvorhaben soll bereits im November in der Haushaltswoche des Bundestages fallen. Und das Verteidigungsministerium? Das habe erklärt, so berichtet die Welt, Ministerin Ursula von der Leyen kenne und begrüße die Initiative.

Wer das übliche sehr langwierige Verfahren bei Rüstungsprojekten kennt, wird bei diesem vorgesehenen Tempo nur ungläubig den Kopf schütteln. Am Freitagabend kann ich dazu bislang nicht mehr in Erfahrung bringen; aber dazu wird bestimmt die nächsten Tage noch was zu hören sein.

Und man sollte im Hinterkopf behalten: Die fünf bereits ausgelieferten Korvetten wurden im wesentlichen von der Lürssen-Werft und von Blohm&Voss gebaut. Und Blohm&Voss gehört jetzt zu Lürssen. Zudem zeichnet sich ab, dass das geplante neue Mehrzweckkampfschiff 180 der Marine länger auf sich warten lässt als geplant – sowohl die Werftindustrie, also Lürssen/Blohm&Voss als auch die Deutsche Marine haben also Interessen mit gleichem Ziel: Erstere wollen ihre Werften auslasten, letztere so schnell wie möglich neue schwimmende Einheiten in Dienst stellen können. Allerdings müsste es sich bei der geplanten neuen Beschaffung um baugleiche Schiffe zu den bestehenden fünf Korvetten der Marine handeln, um das Beschaffungsverfahren nicht neu zu beginnen und damit auf ähnliche Probleme zu stoßen wie beim Mehrzweckkampfschiff 180.

Nachtrag 15. September: Eine Stellungnahme aus der Opposition – der Grünen-Haushälter Tobias Lindner, auch Mitglied im Verteidigungsausschuss, pocht auf einen offenen Wettbewerb bei der Beschaffung:

Eigentlich ist es Aufgabe des Verteidigungsministeriums, Haushaltsgelder im Rüstungsbereich umzuschichten, wenn Beschaffungsprojekte sich verzögern. Nachdem Ursula von der Leyen in den letzten Jahren dies mehr schlecht als recht gelungen ist, stellt die Große Koalition sie nun vor vollendete Tatsachen.
Es bleibt das Geheimnis der Verteidigungsministerin, warum sie heute die Initiative der Herren Rehberg und Kahrs begrüßt, während sie im März selbst noch von einem Bedarf von fünf Korvetten ausging. Ich erwarte, dass Ursula von der Leyen in der Sitzung des Haushaltsausschusses kommende Woche zu diesem offensichtlichen Widerspruch Stellung nimmt, zumal die von der Ministerin im März präsentierte Liste an Beschaffungen angeblich sauber aus dem Auftrag und den Fähigkeiten der Bundeswehr abgeleitet worden sein soll.
Nicht zuletzt besteht die Sorge, dass die Korvettenbeschaffung in Wirklichkeit mehr ein großes Subventionsprogramm für die deutsche Werftindustrie darstellt als durch militärische Notwendigkeiten gegeben ist. Deshalb muss, falls die Große Koalition und das Ministerium tatsächlich die Zahl der Korvetten verdoppeln wollen, bei der Beschaffung ein offener Wettbewerb sichergestellt sein.

Korrektur der ersten Fassung dieses Beitrags: Die Ursprungsmeldung stammt offensichtlich von der Süddeutschen Zeitung, nicht von der Welt.

(Archivbild: Die Korvetten Braunschweig, Oldenburg und Erfurt im Marinestützpunkt Hohe Düne vor der Indienststellung im Januar 2013 – Bundeswehr/Björn Wilke)