Fürs Archiv: Rüstungsexportbericht fürs erste Halbjahr 2016

Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch den Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2016 beschlossen. Die recht hohen Gesamtzahlen waren bereits vor einigen Monaten absehbar gewesen; interessant ist der überwiegende Anteil von Lieferungen in so genannte Drittländer (außerhalb von NATO und EU sowie gleichgestellten Ländern wie Australien, Japan, Schweiz):

Im Berichtszeitraum des 1. Halbjahres 2016 wurden Einzelgenehmigungen in Höhe von insgesamt 4,03 Mrd. Euro erteilt. Davon gingen 1,71 Mrd. Euro und damit 42,5 % an EU, NATO und NATO-gleichgestellte Länder, mit denen die Bundesregierung eine besonders enge sicherheitspolitische Partnerschaft verbindet. Für Drittländer wurden Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von 2,32 Mrd. Euro erteilt. Dieser Wert wird maßgeblich durch einzelne Genehmigungen mit einem hohen Auftragswert bestimmt. So macht z.B. ein Schiff für die Algerische Marine, dessen Herstellung schon 2012 genehmigt wurde, fast ein Viertel des gesamten Genehmigungsvolumes für das erste Halbjahr 2016 aus.

Nun gibt es solche Sondereffekte wie die Fregatte für Algerien immer; interessant ist dennoch, dass auch Saudi-Arabien zu einem der größten Empfängerländer zählt (dazu s. auch unten).

Die Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums dazu hier; der Bericht selbst zum Herunterladen hier.

Zur Dokumentation die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz von Regierungssprecher Steffen Seibert und Tanja Alemany vom Wirtschaftsministerium:

Seibert: Ich fahre mit dem nächsten Thema im Bundeskabinett fort, dem Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2016. Sie wissen, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, die Transparenz von Genehmigungsentscheidungen zu Rüstungsexporten zu verbessern und künftig je Halbjahr einen Zwischenbericht über die Genehmigungszahlen vorzulegen. Dieser Vereinbarung kommt die Bundesregierung heute zum dritten Mal nach. Der Bericht wird wie auch die vorangegangenen dem Deutschen Bundestag übermittelt und anschließend veröffentlicht.

Ich will grundsätzlich festhalten, dass die Bundesregierung an den strengen Regeln der Exportkontrolle für Rüstungsgüter festhält. Genehmigungsentscheidungen richten sich auch weiterhin nach dem gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union aus dem Jahr 2008 und nach den politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Rüstungsexport aus dem Jahre 2000 sowie dem Vertrag über den Waffenhandel. Was den Export von Kleinwaffen betrifft, finden außerdem besonders strenge Regelungen der Kleinwaffengrundsätze verbindliche Anwendung. Zudem hat die Bundesregierung die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass vor Ort Kontrollen durchgeführt werden können, um vor allem den Verbleib von Kleinwaffen effektiver kontrollieren zu können.

Jetzt zu den Zahlen: Der Berichtszeitraum umfasst, wie gesagt, das erste Halbjahr 2016. Es wurden Einzelgenehmigungen in Höhe von insgesamt 4,03 Milliarden Euro erteilt. Im ersten Halbjahr 2015 belief es sich auf 3,5 Milliarden Euro. Von der Summe in Höhe von 4,03 Milliarden Euro gingen 42,5 Prozent an EU- und Nato-Staaten sowie an der Nato gleichgestellte Länder, mit denen die Bundesregierung eine besonders enge sicherheitspolitische Partnerschaft verbindet.

Der Gesamtwert der Genehmigungen für Kleinwaffen belief sich im ersten Halbjahr 2016 auf 11,6 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren es 12,4 Millionen Euro. Der aktuelle Wert liegt also noch unterhalb des ohnehin schon recht niedrigen Niveaus im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Das wichtigste Empfängerland in diesem Sektor war Frankreich.

Auf Drittländer – das sind Länder, die weder der EU noch der Nato angehören oder diesen Ländern gleichgestellt sind, ist lediglich ein Genehmigungswert von 3,4 Millionen Euro entfallen, darunter insbesondere Genehmigungen für den Irak zur Ausstattungshilfe der kurdischen Regionalregierung.

Noch einmal eine wichtige grundsätzliche Bemerkung, die wir im Übrigen bei jedem dieser Berichte machen, egal wie die Zahlen ausfallen: Die Höhe der Genehmigungszahlen allein erlaubt keinen Rückschluss auf die Ausrichtung der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Vielmehr kommt es maßgeblich auf das Empfängerland, auf die Art des Rüstungsgutes und auf den vorgesehenen Verwendungszweck an. Bei der Beurteilung der Zahlen ist auch zu beachten, dass Großaufträge regelmäßig ganz erhebliche Schwankungen der Genehmigungswerte bewirken und sich oft erst Jahre nach der Genehmigung der Herstellung im Bericht niederschlagen.

(…)

Frage: Frau Alemany, ich wüsste gern, ob es schon Post-Shipment-Kontrollen gegeben hat, die im Rüstungsexportbericht angedeutet sind.

Alemany: Sie müssen sich das so vorstellen, dass es eines zeitlichen Aufwands bedarf. Sobald die Post-Shipment-Kontrollen in deutsches Recht umgesetzt waren, muss man vor jeder neuen Beantragung mit dem Empfängerland sprechen, ob es solche Kontrollen zulässt. Nur dann, wenn es in einer sogenannten Endverbleibserklärung solche Vor-Ort-Kontrollen zusichert, wird die Endverbleibserklärung ausgestellt und kann die Genehmigung in Kraft treten. Das zieht naturgemäß eine zeitliche Zögerung nach sich. Bislang wurde noch keine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt. Wir befinden uns noch im Pilotverfahren.

Zusatzfrage: Hat es bereits erste Verträge gegeben, in denen eine solche Vereinbarung unterzeichnet worden ist?

Alemany: Ja, natürlich.

Zusatzfrage: Können Sie eine Zahl nennen?

Alemany: Nein. Seit dem Inkrafttreten müssen alle Endverbleibserklärungen diese Vor-Ort-Kontrollen zulassen, sonst gibt es keine Genehmigung.

Frage: Herr Seibert hat von der Hilfe für die Rüstung der irakischen Kurden gesprochen. Das Problem ist: Wie können wir wissen, dass diese Waffen in die richtigen Hände gehen? – Je mehr Waffen es gibt, desto mehr Krieg entsteht.

Alemany: Das kann ich leicht beantworten, soweit es möglich ist. Sie sprechen unsere unterstützenden Lieferungen für die Peschmerga, für die kurdische Regionalregierung im Irak an. Bei solchen Dingen versuchen wir, wie auch bei allen anderen Rüstungsexporten, über Endverbleibserklärungen und über entsprechende Vereinbarungen und Gespräche sicherzustellen, dass es in genau den Händen bleibt, in die wir es geben.

StS Seibert: Ich will das noch ganz kurz ergänzen. Die Genehmigung von Rüstungsexporten hat auch mit legitimen sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu tun. Wenn im Falle der Peschmerga solche Exporte genehmigt worden sind, dann hat das damit zu tun, dass der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat, diese Terrororganisation, zum legitimen sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands gehört. Das ist auch der Grund dafür, dass wir uns in der Anti-IS-Koalition engagieren.

Frage : Frau Alemany, der Wirtschaftsminister nimmt für sich in Anspruch, seine restriktive Rüstungsexportpolitik fortgeführt zu haben. Wenn man nun aber die Zahlen aus dem Zwischenbericht für das erste Halbjahr 2016 mit denen für das erste Halbjahr 2015 vergleicht, kommt man auf eine Steigerung um eine halbe Milliarde. Ich habe daher Probleme mit dem Begriff „restriktiv“.

Alemany: Danke für die Frage. Sie gibt mir Gelegenheit, die Zahlen ein bisschen einzuordnen.

Die Zahlen, die jetzt im Rüstungsexportzwischenbericht für das erste Halbjahr 2016 im Kabinett beschlossen wurden, waren als vorläufige Zahlen schon seit Juni und Juli bekannt. Sie führen aber nichtsdestoweniger immer wieder zu den gleichen reflexartigen Reaktionen. Vielleicht darf ich noch einmal erwähnen, dass wie immer gilt, dass Zahlen immer Schwankungen unterliegen und immer eines genaueren Blicks bedürfen. Denn die Gesamtgenehmigungszahl ist per se kein tauglicher Gradmesser für die Ausrichtung unserer deutschen Rüstungsexportkontrolle. Man muss sich ansehen, ob es um einen Panzer, um Minensuchgeräte oder um Grenzsicherung geht. Es kommt immer sehr darauf an, was wir wohin liefern und ob es an EU-Staaten und befreundete Staaten oder an Drittstaaten geht. Das alles muss man in der Gesamtabwägung mit betrachten. Unserer Ansicht nach verbietet sich deswegen jede Schwarz-Weiß-Malerei.

Die Gesamtzahl, auf die Sie anspielen, ist auch vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Rüstungsausgaben und eines völlig neuartigen terroristischen Bedrohungsszenarios zu sehen. Deutschland steht wie immer zu seiner Verantwortung für die internationale Sicherheit. Die Bundesregierung legt an jeden einzelnen Antrag diesen genauen, differenzierten Blick auf das Gut und das Bestimmungsland an. Wir prüfen, wie Sie wissen, im Einzelfall und sind in dieser Legislaturperiode natürlich unserer Devise treu geblieben. Wir haben eine sehr verantwortungsbewusste Rüstungsexportkontrolle, eine sehr restriktive und eine Exportkontrolle, die auf die Gegebenheiten vor Ort achtgibt. Ich nenne nur die Themen der Post-Shipment-Kontrollen, die die Vor-Ort-Kontrollen stärken werden, und der Kleinwaffengrundsätze, die von Herrn Minister Gabriel eingeführt wurden.

Ja, wir sehen uns also genau in der Linie, die wir versprochen haben, nämlich restriktive Rüstungsexportkontrolle zu machen.

Noch ein Einschub: Die Rüstungsgüter an sich werden immer in einen Topf geworfen. Auch da lohnt sich ein genauerer Blick. Es handelt sich ja nicht nur um Panzer und Waffen, sondern zum Beispiel auch um Minenräumgeräte zum Schutz der Bevölkerung oder um Lieferungen an Uno-Einrichtungen in Drittländern, an Friedensmissionen in Spannungsgebiete. Ich nenne zum Beispiel Lieferungen für die UNICEF nach Syrien. Es geht um Isolierglas für deutsche Botschaften und den Schutz des deutschen Personals in solchen Ländern oder um ABC-Schutzanzüge zum Nachweis des Einsatzes chemischer Kampfstoffe. Das alles ist in dem Genehmigungswert auch mit enthalten.

Die Gesamtgenehmigungen – Sie haben es gesagt – sind auf einem ähnlichen Niveau wie im letzten Halbjahr, ein wenig höher. Sie liegen bei vier Milliarden Euro. Allein eine Milliarde davon macht eine Fregatte für Algerien aus, die zum Küstenschutz und gegen Waffenschmuggel geliefert wurde. Daran sehen Sie, dass eine einzige Genehmigung auch da ein großer Batzen ist.

Zusatzfrage: Darf man also den Begriff „restriktiv“ nach dem Verständnis der Bundesregierung nicht nur an Zahlen messen, sondern muss ihn auch an der weltpolitischen Lage messen, Stichwort: neuartiges terroristisches Bedrohungsszenario?

Alemany: Restriktiv – das können Sie an allem messen. Aber es verändert den Platz, den Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern zum Beispiel bei Waffenexporten einnimmt und zu den Genehmigungen, die dort stattfinden. Auch Dinge wie den Bedarf, der zum Beispiel durch terroristische Anschläge neu gesehen wird, müssen Sie in Relation setzen.

In den Medien gab es schon seit gestern verschiedene Berichte zu unserem Zwischenbericht. Darin ging es zum Beispiel darum, dass es bei der Munitionsgenehmigung für Kleinwaffen zu einer Verzehnfachung gekommen ist. Sieht man aber genauer hin, stellt man fest, dass die gesamte Erhöhung auf Lieferungen für unseren Nato-Freund USA zurückzuführen ist. Auch wird diesem Topf für Kleinwaffenmunitionen alles zugerechnet, was durch eine Kleinwaffe abgefeuert werden kann, also zum Beispiel auch Sportmunition und Munition für Jagdwaffen. Es ist also nicht so trennscharf auseinanderzurechnen.

Frage : Verstehe ich das, was Sie gesagt haben, wenn ich an die Krisenlage in der Welt, die terroristischen Bedrohungen und andere Bedrohungsszenarien denke, richtig, dass sich die Anstiege der jüngsten Vergangenheit bei den Rüstungsexporten vermutlich so weiter fortsetzen werden? Werden wir trotz aller restriktiven Politik in den nächsten Jahren jedes Jahr neue Rekordzahlen erleben, einfach weil sich die Sicherheitslage anders, ernster entwickelt?

Eine zweite Frage: Gibt es bei Ihnen irgendwelche Erkenntnisse darüber, wie viele große Rüstungsgeschäfte, die noch auf Vorgängerregierungen zurückgehen, in den nächsten Jahren zur Abwicklung kommen? Man liest ja in jedem Ihrer Berichte immer den Verweis auf Verträge, die noch von Vorgängerregierungen abgeschlossen worden sind. Wann läuft das aus? Wann hat man Nettozahlen, die die jetzige Regierung allein zu verantworten hat?

Alemany: Eine Prognose in die Zukunft fällt von dieser Bank hier schwer. Grundsätzlich sage ich Ihnen nichts Neues. Schauen Sie sich die Weltlage an. Das ist alles geopolitisch schwierig. Es gibt viele Terrorbedrohungen, auf die reagiert werden muss. Deutschland muss seinen Verpflichtungen in der internationalen Verantwortung gerecht werden. Ob sich das in immer neuen Rekorden niederschlägt, weiß kein Mensch. Das wird man sehen. Was wir beeinflussen können, ist, bei jedem neuen Antrag zu schauen, was sich dahinter verbirgt, wohin es gehen soll und wie die Lage, auch die Menschenrechtslage, dort vor Ort ist. Das werden wir – das kann ich Ihnen zusichern – in dieser Bundesregierung weiterhin so verantwortungsvoll tun, wie wir es bisher getan haben.

Wenn ich zum Beispiel auf Frankreich eingehen darf. Sie wissen, dass es dort schon verschiedene Terroranschläge gab. Wir haben die Kleinwaffenexporte im Laufe dieser Legislaturperiode insgesamt reduziert. Wir sind jetzt bei 11,6 Millionen gelandet, was ein neuer Tiefstand ist. Größter Empfänger dieser Kleinwaffen ist das EU-Land Frankreich. Das ist wieder das, was ich schon erklärt habe: Man muss genau hinschauen, was sich hinter dem plakativen Schlagwort wirklich versteckt.

Zusatzfrage : Haben Sie irgendwelche Informationen zu Altgeschäften in der Verantwortung früherer Regierungen, die jetzt nur noch abgewickelt werden?

Alemany: Für künftige, die jetzt noch in der Pipeline sind, kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Wir berichten, wie Sie wissen, im Nachhinein, dafür zweimal im Jahr, bei den BSR-Entscheidungen im Nachgang gegenüber dem Parlament; dort haben wir die Transparenz erhöht. Einer der großen Brocken, der aktuell noch aktiv ist, aber schon vor Jahren entschieden wurde, ist zum Beispiel die Lieferung der Fregatte, die ich schon genannt habe, nach Algerien. Das macht eine Milliarde der vier Milliarden aus.

Frage : Frau Alemany, zum einen würde ich gern Ihre Anregung aufgreifen, dass wir nicht schwarz-weiß malen, sondern uns immer den Einzelfall anschauen. Gerade vor dem Hintergrund des Konflikts im Jemen und des saudischen Engagements dort können Sie uns bestimmt erläutern, inwiefern es keine Versagungsgründe für die genehmigten Lieferungen nach Saudi-Arabien gab.

Meine zweite Frage: Was ist jetzt eigentlich mit der von Ihrem Minister angekündigten Kommission zum Thema Rüstungsexporte? Sie arbeitet doch bestimmt schon. Wie sieht denn der Zeitplan aus?

Alemany: Zur ersten Frage, zu Saudi-Arabien: Auch im Halbjahr 2016 wurden natürlich keine Lieferungen von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien genehmigt, auch nicht von Kleinwaffen. Es gab Genehmigungen, die Zulieferungen an europäische und amerikanische Partner betroffen haben, zum Beispiel für die Projekte Eurofighter und Tornado. Die Höhe der Genehmigung an sich nach Saudi-Arabien beträgt 483 Millionen. Wenn Sie sich andere EU-Staaten wie zum Beispiel Frankreich ansehen, die in Milliardenhöhe genehmigen, sehen Sie, wie wenig Deutschland an gewisse Länder im Verhältnis eigentlich genehmigt.

Bei unseren Genehmigungen geht es vor allem um zivile und unbewaffnete Hubschrauber mit Einbauten, die zu den militärischen Einbauten zählen, weil auch eine Funkanlage als militärischer Einbau gilt. Es sind aber zivile Hubschrauber.

Dann gab es noch Genehmigungen für Bodengeräte. Dabei geht es vor allem um Geräte zur Betankung von Hubschraubern und Flugzeugen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Unser Konsultationsprozess zur Zukunft der Rüstungsexportpolitik hat seine Arbeit aufgenommen. Er hat auch schon getagt. Wie Sie wissen, beziehen wir externen Sachverstand aus der Zivilgesellschaft, von den Kirchen, aber auch von Experten auf dem Gebiet der Rüstungsexportkontrolle mit ein. Wir versuchen, alle Themen und Fragestellungen, die sich ergeben, zu gewichten, mit ihnen zu besprechen und daraus am Ende Handlungsempfehlungen abzuleiten – was immer dann dabei herauskommt, möglicherweise ein Rüstungsexportgesetz. Wir werden sehen.

Zusatzfrage : Das überrascht mich jetzt nicht so. Die Frage war eigentlich: Wie sieht denn inzwischen der Zeitplan aus?

Alemany: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wahrscheinlich werden wir im ersten Halbjahr 2017 fertig werden.

Frage : Es ist ja schön, dass Sie damit noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl fertig werden wollen. – Sie wollten es ganz konkret haben, deswegen ganz konkrete Nachfragen: Mir sind auf Ihrer Exportliste ein paar Länder aufgefallen, bei denen ich einfach gerne verstehen würde, was für Exporte das denn sind – vielleicht ist es ja tatsächlich immer Hilfe für UN-Mission. Zum Beispiel steht Südsudan mit 1 171 000 Euro auf der Liste. Syrien/Arabische Republik hatten Sie gerade schon angedeutet – vielleicht können Sie das noch einmal ganz kurz erläutern? Außerdem würde mich noch sehr interessieren, welche Exporte nach Eritrea genehmigt wurden.

Alemany: Was Südsudan und Eritrea betrifft, muss ich Sie vertrösten; ich habe jetzt nicht den gesamten Exportbericht dabei. Das müssen unsere Leute Ihnen dann nachreichen.

Zu Syrien kann ich Ihnen sagen, dass das Lieferungen an UNICEF waren.

Sagen Sie noch einmal das allerletzte Land, zu dem Sie das wissen wollten?

Zusatzfrage : Eritrea war das letzte. Ansonsten nehme ich behelfsweise auch gerne noch die Informationen zu Pakistan.

Alemany: Ich würde vorschlagen, dass wir die Informationen zu den einzelnen Ländern an alle, die es interessiert, im Nachgang nachliefern. Ich habe jetzt nicht den ganzen Exportbericht dabei.

Zusatzfrage : Gut, dann stelle ich eine allgemeinere Frage: Wenn man sich die Liste anschaut, dann hat man schon das Gefühl, dass die Ausschlusskriterien, die dazu führen, dass man in eine Region nicht liefert, doch sehr kreativ gehandhabt wurden. Auch das Argument, dass andere Länder auch dorthin liefern, ist vielleicht nicht eines, das jeden zu überzeugen vermag. Beispielsweise ist die Luftbetankung für Saudi-Arabien ja etwas, bei dem man schon nachfragen kann, ob man damit nicht eigentlich einen direkten Beitrag dazu leistet, dass die Angriffe im Jemen durch Saudi-Arabien überhaupt stattfinden können. Deshalb möchte ich Sie schon gerne noch einmal fragen: Wie, denken Sie, kann die deutsche Rüstungsexportpolitik in Zukunft gewährleisten, dass diese Ausfuhren tatsächlich mit den außenpolitischen Interessen und Zielen, die ja auch ebendiesen Bereich betreffen, übereinstimmen?

Alemany: Sie fragen mich im Grunde das, was ich bereits beantwortet habe. Natürlich genehmigt diese Bundesregierung Waffenexporte; das ist jetzt keine neue Erkenntnis. Da mag man moralisch zu einer anderen Einschätzung kommen. Wenn man zu der Einschätzung kommt, dass das Land Waffenexporte genehmigen wird oder soll oder können darf, dann muss man dem Ganzen ein Regelwerk geben. Ich wollte Ihnen den Vergleich zu anderen Ländern nicht quasi als moralische Instanz geben, sondern ich wollte damit ins Verhältnis rücken, wie wenig Deutschland zum Beispiel im Vergleich zu anderen EU-Ländern in gewisse Länder exportiert. Das ist jetzt keine Rechtfertigung, es ist nur ein Ins-Verhältnis-Setzen zur Einordnung dieser Zahl.

Nichtsdestotrotz: Für jede Genehmigung, die wir tätigen, legen wir ein ganz strenges Korsett an Prüfungen an. Ich hatte schon erwähnt, dass natürlich auch die Menschenrechtslage vor Ort ein Prüfkriterium ist. Es ist natürlich auch ein Prüfkriterium, ob sich das entsprechende Land in einem Spannungsgebiet befindet. Ein Prüfkriterium ist auch, wie wir sicherheits- und ordnungspolitisch oder außenwirtschaftlich mit diesem Land verwoben sind. Das alles beachtet die Bundesregierung vor so einer Genehmigung. Wenn wir dann zu dem Ergebnis kommen „Wir genehmigen das“, dann haben wir zumindest eine wirklich umfassende Prüfung aller Kriterien, die wir haben, und aller Informationen gewährleistet. Man mag dann am Ende immer zu dem Ergebnis kommen, dass man selber vielleicht anders agiert hätte. Es ist aber bekannt – auch im EU-Vergleich -, dass Deutschland eine sehr restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportkontrolle fährt.

Frage : Frau Alemany, mit Blick auf die reflexhaften Reaktionen, die es auch jetzt wieder gibt: Kinderschutzorganisationen weisen darauf hin, dass Kleinwaffen dazu benutzt werden, Kindersoldaten auszurüsten. Sie sprachen ja von Kontrollen, die stattfänden. Nehmen Sie das bei diesen Kontrollen oder nehmen Sie das überhaupt bei allen Genehmigungen besonders in den Blick? Oder ist diese Reaktion zu reflexhaft?

Alemany: Zu den reflexhaften Reaktionen: Dabei bezog ich mich darauf, dass man sich bei den Rechnungen teilweise nur die Gesamtzahlen und nicht die einzelnen Länder oder die Produkte ansieht.

Was die Kleinwaffen betrifft, so hat unser Minister ja immer wieder öffentlich deutlich gemacht, dass er da einen sehr sensiblen, einen sehr kritischen Maßstab anlegt. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich diese Zahl innerhalb dieser Legislaturperiode enorm reduziert hat. Vom letzten Halbjahr zu diesem Halbjahr hat sich die Zahl nur von 12 Millionen Euro auf 11 Millionen Euro reduziert; aber das waren ja früher durchaus andere Niveaus, von denen wir da sprechen.

Auch hier wird genau geguckt: Wo geht es hin? Bei den Endverbleibserklärungen für den Export von Kleinwaffen in Drittländer wird natürlich immer die Vor-Ort-Kontrolle mitbeachtet. Es gibt den neuen Kleinwaffengrundsatz „Neu für Alt“, das heißt, wenn Sie eine neue Kleinwaffe bestellen, dann müssen Sie Ihre alte vernichten, damit der Gesamtbestand an Kleinwaffen nicht erhöht wird. Solche Kleinwaffen dürfen innerhalb der Empfängerländer nicht weitergegeben oder reexportiert werden, ohne dass Deutschland das noch einmal genehmigt und erlaubt. Es gibt also ein sehr festes Kontrollregime, das sicherstellt, dass die Kleinwaffen auch nur an die Orte gelangen, für die wir das genehmigen.

Frage : Da Sie ja den Unterschied zwischen anderen EU-Ländern und Deutschland deutlich hervorgehoben haben: Was ist denn eigentlich der gemeinsame Standpunkt der EU noch wert, wenn es diese massiven Unterschiede gibt und Deutschland sich sozusagen zwar auch daran hält, aber deutlich darunter bleibt beziehungsweise die anderen sich zwar daran halten, aber ein Mehrfaches exportieren?

Alemany: Der gemeinsame Standpunkt und die politischen Grundsätze sind die Basis unserer Rüstungsexportkontrolle. Natürlich ist das viel wert. Es wird aber jeder Einzelfall eines jeden Antrags betrachtet. Dabei mag eine andere Regierung zu einem anderen Ergebnis kommen als wir. Wir in Deutschland haben uns einfach eine besonders restriktive Linie gegeben – andere Länder haben das nicht.

Frage : Es gibt Forderungen aus der Opposition, dass man sich von den relativ allgemein gehaltenen Grundsätzen verabschiedet und stattdessen ein Gesetz schafft, in dem die Grundsätze festgeschrieben sind, damit das nicht mehr so interpretationsfähig ist und vielleicht auch nicht so flexibel gehandhabt wird, wie es die Opposition sieht. Wie steht das BMWi dazu?

Alemany: Ich würde Ihre Einschätzung beziehungsweise die Einschätzung derer, die Sie zitieren, nicht folgen, dass wir flexibel agieren. Ich hatte Ihnen die Kriterien genannt. Es gibt jedes Mal eine sehr ernste, umfassende Prüfung, bevor so etwas genehmigt wird. Es gibt ja diese Regularien, und an die ist die Bundesregierung gebunden – ob das jetzt in Form eines Gesetzes, politischer Grundsätze oder eines gemeinsamen Standpunkts ist. So gesehen sind diese Grundsätze für uns Richtlinie und Maßstab.

Dass der Konsultationsprozess zur Rüstungsexportkontrolle letztendlich in der Handlungsempfehlung mündet, dass man da ein neues Gesetz macht oder die Dinge einfach in ein Gesetz zusammenfügt, um irgendwie sicherer oder für Ihre Zitatgeber leichter zu erkennen zu machen, dass wir uns wirklich daran halten, mag schon sein; aber ich kann dem Endergebnis nicht vorweggreifen.