Flugzeugabschuss gegen „Terror“ – ARD-Themenabend
Am (heutigen) Montagabend, wie hier schon im Bällebad erwähnt, widmet sich die ARD einem emotional brisanten Thema: Ein Flugzeug wurde entführt, 164 Menschen sind an Bord. Darf man sie opfern, um einen Anschlag auf ein Fußballstadion mit 70.000 Besuchern zu verhindern? Der Pilot des Eurofighters, der das Linienflugzeug abschoss, steht vor Gericht – und am Ende eines fiktiven Gerichtsprozesses sollen die Zuschauer entscheiden, ob er schuldig ist oder nicht.
Das Thema dürfte unter den Leserinnen und Lesern hier auf Interesse stoßen; deshalb dieser Thread als Begleit-Kommentierungsmöglichkeit zum Film nach dem Theaterstück von Ferdinand von Schirach, zur Zuschauerentscheidung und zur anschließenden Debatte in der Sendung Hart aber fair.
(Bei Hart aber fair sitzen unter anderem auf dem Talk-Podium: Thomas Wassmann vom Verband der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge quasi als Sprecher der Piloten. Und der frühere Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, der mir in einem Interview 2007 gesagt hatte: Deshalb müsste ich im Notfall vom Recht des übergesetzlichen Notstands Gebrauch machen: Wenn es kein anderes Mittel gibt, würde ich den Abschussbefehl geben, um unsere Bürger zu schützen. Das ist nach meinem Verständnis eine wichtige Staatsaufgabe.)
Die Sendung beginnt um 20.15 Uhr, kommentieren kann man natürlich auch jetzt schon.
Und eine dringende Bitte: Es bringt keinem etwas, wenn sich die Debatte an Nebensächlichkeiten wie falschen, aber nicht weiter bedeutsamen Details der Darstellung verhakt. In der Sendung titel thesen temperamente (ttt) am gestrigen Sonntagabend wurden zum Beispiel zur Illustration Tornados als Abfangjäger gezeigt, aber woher soll ein ttt-Redakteur das auch besser wissen. Dennoch bitte solche Dinge (und auch andere Kleinigkeiten wie mögliche falsche Abzeichen an der Uniform des Piloten) hier nicht zum Thema machen – darum geht es nicht.
Letztendlich kommen wir wieder auf das altbekannte Trolley-Problem zurück.
Wikipedia schreibt dazu zurecht:
„Im deutschen Strafrecht hat die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen erhebliche Folgen. Deshalb sind die beiden Fälle im Folgenden getrennt darzustellen. Wichtig ist ferner, dass im deutschen Strafrecht zwischen der Rechtfertigung und Entschuldigung (d. h. Rechtswidrigkeit ohne individuelle Vorwerfbarkeit) einer Tötung streng unterschieden wird.“
Das TUN gegen das NICHTTUN aufzurechnen ist äußerst gefährlich, denn niemand weiß, ob nicht NACH dem aktiven Eingriff in die Situation noch etwas passieren kann, was am Ende alle beteiligten retten.
Abgesehen von der Philosophiererei – das Verfassungsgericht hat am 15. Februar 2006 eine eindeutig Bewertung erstellt: „Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz nichtig“
Ich verstehe noch nicht so ganz was der Zuschauer hier entscheiden soll, denn es geht um einen Gerichtsprozess in dem nach geltender Rechtslage geurteilt wird. Diese Rechtslage ist aber, jedenfalls für mich als juristischen Laien, ziemlich eindeutig wie Reizzentrum schon sagte:
„Abgesehen von der Philosophiererei – das Verfassungsgericht hat am 15. Februar 2006 eine eindeutig Bewertung erstellt: „Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz nichtig““
Nun soll aber der Zuschauer Recht sprechen? Oder soll der Zuschauer einfach nur, abseits der Rechtslage, seine persönliche Meinung zu diesem Fall äußern?
Wie urteilen die Zuschauer in der Rolle von Laienrichtern? Darum wird es gehen; denke ich jedenfalls.
Der Unterschied zum Trolley-Szenario ist, daß die Passagiere eigentlich „schon tot“ sind, zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und der Abschuß diesen Tod „nur“ um kurze Zeit vorweg nimmt.
Ansonsten ist es ähnlich wie in anderen Extremsituationen: Seilschaft am Berg, schwer verwundeter Kamerad beim Zurückgehen unter Feuer, u.a.
Um 16:16 will sich der Programmdirektor im Radio dazu ässern. NDR 1 Welle Nord.
“ … Ein Flugzeug wurde entführt, 164 Menschen sind an Bord. Darf man sie opfern, um einen Anschlag auf ein Fußballstadion mit 70.000 Besuchern zu verhindern? …“
Diese Fragestellung impliziert, dass ein Abwägen zwischen dem Tod der (164) Passagiere und dem Tod von Besuchern des Fußballspieles möglich gewesen sei. Dem ist aber nach meinem Verständnis des Szenarios nicht so.
M.E. hat der Abschuss der Maschine den Zeitpunkt des unausweichlichen Todes der Passagiere dem Diktat des Terroristen entzogen, dessen mörderische, eigentliche Absicht vereitelt und so weitere Opfer und die damit einhergehenden, noch größeren menschlichen Tragödien vermieden.
Daher tendiere ich im Moment zum Freispruch.
Hans Schommer
@Reizzentrum & QuiGon
Es ist im fraglichen Theaterstück / Fernsehfilm jedoch zu berücksichtigen, dass der Pilot hier ausdrücklich ENTGEGEN eines eindeutigen Befehls NICHT zu schießen eine EIGENMÄCHTIGE Handlung zum Abschuss ausführt.
Und diese wird durch die Abstimmung der Zuschauer bewertet.
Wie in einigen Artikeln bereits beschrieben, ist eine filmerische Abkürzung auf Schuld oder Unschuld zwar plakativ, aber in der Realität würde meiner Meinung nach der Major schuldig gesprochen werden, allerdings das Strafmaß verkürzt. Diese Option wird aber heute Abend nicht zur Disposition gestellt werden sondern nur „Schuldig“ oder „Unschuldig“.
Trotzdem ist es absolut zu begrüßen, dass so ein Thema an einem prominenten Sendeplatz steht, und dass auch außerhalb von AG mal ein sicherheitspolitisches Thema konstruktiv diskutiert wird.
Egal wie das Ergebnis nach Meinung der stimmenabgebenden Zuschauer ausgeht, (es gibt ja Erfahrungen zu dem Theaterstücken und der Stimmenabgabe jeweils danach), es schadet nie, dass ein Thema, welches jederzeit Akut werden könnte, sachlich aufbereitet wird.
In der Realität weiß ich persönlich nicht, ob und wie weit der Pilot überhaupt frei Aussagen kann/darf. Müsste hier eine uneingeschränkte Aussageerlaubnis vorliegen oder ist man hier in Strafsachen (Mordanklage) frei von irgendwelchen Vorgaben BMVg?
QuiGon | 17. Oktober 2016 – 16:00
„… Abgesehen von der Philosophiererei – das Verfassungsgericht hat am 15. Februar 2006 eine eindeutig Bewertung erstellt: „Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz nichtig …““
Nur geht es genau darum im vorliegenden Fall überhaupt garnienicht!
Hans Schommer
Rechtlich ist die Sache eindeutig! Der Abschuß ist rechtswidrig!
Und dann kommt die Ethik ins Spiel.
Dieses Auf und Ab der Gefühle wird den Film ausmachen!
„Edgar Lefgrün | 17. Oktober 2016 – 16:01 Wie urteilen die Zuschauer in der Rolle von Laienrichtern? Darum wird es gehen; denke ich jedenfalls.“
Genauer, warum urteilen die Zuschauer so? Weil sie nach Gefühl urteilen und nicht nach Rechtsgrundsätzen?
Der Programmdirektor: Es geht um ein moralisches Dilemma.
Hans Schommer | 17. Oktober 2016 – 16:13
Nur geht es genau darum im vorliegenden Fall überhaupt garnienicht!
Hans Schommer
Das stimmt insofern, als das eine solche Abschusserlaubnis seitens des Ministers wohl nicht gegeben wurde und der Pilot damit nicht nur gegen besagte Rechtslage verstieß, sondern auch gegen den militärischen Befehl nicht zu schießen.
In dem Stück geht es nicht um die bestehende Rechtslage, sondern darum ob der angeklagte Pilot für seine Tat (Abschuss des LH A320) auch „im Namen des Volkes“ verurteilt werden soll. Das Theaterstück von Ferdinand von Schirach ist bewusst auf die „Volks-/Zuschauerbefragung“ hin angelegt.
Peter Struck hatte damals seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, wenn er sich je genötigt sehen sollte, den Abschussbefehl zu geben (was seine Intention war). Jung hat auf die Frage, ob er es genauso handhaben würde, lediglichausweichend geantwortet.
Wir werden sehen wie sich Herr Jung heute äußert…
Übrigens gibt es im aktuellen Spiegel bzw. auf SPON dazu einen Gastbeitrag von Otto Schily, der 2004 als Bundesinnenminister das Gesetz durch den Bundestag brachte, das einen solchen Abschuss erlaubte, jedoch wieder vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wurde.
Link (hinter Paywall): http://www.spiegel.de/spiegel/ard-film-terror-otto-schily-ueber-die-wuerde-des-menschen-a-1116771.html
@ QuiGon
> Das stimmt insofern, als das eine solche Abschusserlaubnis seitens des Ministers wohl nicht gegeben wurde und der Pilot damit nicht nur gegen besagte Rechtslage verstieß, sondern auch gegen den militärischen Befehl nicht zu schießen.
Was klar dazu führt, dass hier eine Straftat vorliegt. Ich weiß aktuell nicht, ob da Ungehorsam ist, Befehlsverweigerung oder wie auch immer das genannt ist.
@ Aircraft
> Peter Struck hatte damals seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, wenn er sich je genötigt sehen sollte, den Abschussbefehl zu geben (was seine Intention war).
Hier gibt es eine Dokumentation über die Geiselnahme 1972 anlässlich der Olympischen Spiele in München. Dort waren drei Personen – unter anderem Hans Dietrich Genscher – diejenigen, die im Krisenfall entscheiden sollten.
In dem Zusammenhang wurde festgestellt, dass in solchen Fällen Politiker die Personen, die am wenigsten geeignet sind, solche Entscheidungen zu treffen, einfach weil die wiedergewählt werden wollen.
Es wäre also m.E. durchaus korrekt den Flieger abzuschießen, allerdings nicht gegen einen geltenden Befehl. Und es ist wichtig, dass nicht die Politiker solche Entscheidungen treffen, sondern zum Beispiel SEK-Einsatzleiter. Man hat ggf. nur Minuten oder Sekunden für die Entscheidung und ob sie wirklich richtig war, wird man in manchen Fällen sogar gar nicht mehr rausfinden können.
Man braucht hier auf der Entscheidungsebene Personen mit viel Erfahrung und dem Recht einen Fehler machen zu dürfen.
Von daher ist das ARD-Filmchen schlicht und einfach realitätsfremd.
QuiGon | 17. Oktober 2016 – 16:00
Wir müssen wohl alle abwarten, was genau der die Staatsanwaltschaft vorträgt. Denn vor Gericht, wird nur diese vorgetragene Anklage verhandelt.
Ergo, abwarten.
@ all:
Interessanter Lesestoff zur Vorbereitung auf die Verhandlung:
https://www.lecturio.de/magazin/uebergesetzlich-entschuldigender-notstand/
Hans Schommer
@magmakammer: rechtlich ist die Sache (wie meistens) nicht eindeutig.
Die Entscheidung des BVerfG zum Luftsicherheitsgesetz hat es lediglich dem Gesetzgeber verwehrt, eine Rechtsgrundlage zum Abschuss einer entführten Passagierkasfhine zu erlassen. Inwiefern ein einzelner auf Grundlage allgemeiner Nothilfe einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des StGB für sich geltend machen kann,steht auf einem anderen Blatt. Hier kann durchaus abgewogen werden und das GG ist hier eigentlich nebensächlich. Insofern ist nach Abwägung in der Tat ein Schuldspruch oder Freispruch möglich.
In den fiktiven Beispiel stünde die disziplinare Entscheidung bzw. eine Straftat nach dem WStGB wegen Ungehorsams parallel im Raum…
Sir Henry | 17. Oktober 2016 – 16:59
“ … In den fiktiven Beispiel stünde die disziplinare Entscheidung bzw. eine Straftat nach dem WStGB wegen Ungehorsams parallel im Raum… “
Sehe ich auch so – aber das Urteil – insbesondere dessen Begründung – wird diese grundsätzlich zunächst parallel entstandene Rechtsfrage sicher ganz erheblich beeinflussen.
Hans Schommer
@ Hans Schommer | 17. Oktober 2016 – 16:10:
[SPOILER!]
Ich kenne natürlich die Verfilmung (noch) nicht, war aber in einer der Theateraufführungen. Und in deren Verlauf wird recht schnell klar, dass der Tod der Passagiere keineswegs unvermeidlich gewesen ist. So erfährt man beispielsweise, dass die Fluggäste in genau dem Moment, als der Major die Sidewinder auslöste, versuchten, das Cockpit zu stürmen. Außerdem wurde – angeblich aus Zeitgründen – nie auch nur versucht, das betreffende Fußballstadion zu evakuieren.
Natürlich lassen sich auch die Argumente der Staatsanwaltschaft letztlich nicht beweisen – und genau das ist ja der Knackpunkt des Ganzen.
Die Entscheidung wird wohl völlig unabhängig von der Rechtslage passieren, es geht nur um die Entscheidung der Zuschauer.
Das finde ich aber interessant, es wäre wohl nicht das erste mal das die Entscheidung des „Volkes“ auch eine Änderung der Rechtslage hervorruft,
Werferfehler
Ich glaube nicht das Ungehorsam hier eine bedeutende Rolle spielen darf.
Das waere ein Possenstueck, ist es falsch die Maschine abzuschießen macht ein Befehl daran keinen Unterschied.
Ist es richtig, so ist der Pilot die letzte Instanz, die diese Entscheidung treffen muß, hält er sie für richtig und hat er die Eigenschaft es zu tun.
Es geht hier nicht um 174 Rettungsschüsse sonderrn um 174 Geiseln, der Pilot und seine Familie afaik befinden sich nicht in Gefahr.
Was darf oder muss ein Mensch tun in so einer Situation?
Kann man jemanden dafür verurteilen, nicht geschossen zu haben?
Oder diese Entscheidung nicht treffen zu können?
Die Entscheidung abschießen oder nicht, nicht der Entscheidung ausweichen?
Ich fühle mich an die Situation „Kunduz- River/ O Klein“ erinnert (…)
Ging es nicht auch dort um Abwägung – und das Hinnehmen Toter? War dort nicht auch unklar (i.S.v. wahrscheinlich/ unwahrscheinlich), was mit dem Inhalt der Tankwagen passiert? Warum war die viel kritisierte Entscheidung letztlich nicht juristisch angreifbar?
Ich freue mich auf das Format heute Abend!
@aufmerksam
Zu Ihrer Frage bitte die sehr ausführlichen Kommentare z.B. von @Koffer im parallel laufenden Faden zum Thema Bundesgerichtshof/Kundus lesen.
Beide Dinge sind rechtlich nicht miteinander vergleichbar, da es sich beim Kundus-Vorfall um einen bewaffneten Konflikt nach HVR gehandelt hat
Burkhard Hirsch und Gerhart Baum (FDP), beide federführend bei der Abfassung der Verfassungsbeschwerde (2005) gegen das Luftsicherheitsgesetzes zuständig, zeigen sich empört (Welt.de), wesentlich aus formaljuristischen Gründen:
In einem Stück, in dem – so Hirsch und Baum – anscheinend ohne jegliche Kenntnis des Textes die Meinung der „Schöffen” (= die Zuschauer) eindeutig in Richtung eines Freispruchs manipuliert würde. Ein solcher Freispruch wiederum, würde ein Richter ihn in einem wirklichen Verfahren verkünden, wäre nicht nur strafrechtlich falsch, sondern auch grundgesetzwidrig.
Desweiteren sprechen beide der Verfilmung des Stücks den Kunstanspruch ab und beklagen zudem die Art der Zuschauer-Einbindung.
Zu hoffen bleibt, dass die Zuschauerabstimmung anschließend bei „Hart-aber-fair“ nicht zerredet wird.
@KPK: ich habe das Stück bereits im Theater gesehen und konnte eine solche Manipulation nicht erkennen. Sowohl Anklage als auch Verteidigung bringen gute Argumente, auch die Nebenklage kommt zu Wort und liefert einen emotionalen Beitrag. Auch wenn man mit einem sicheren Gefühl in die „Verhandlung“ geht, wie man abstimmen würde, war ich dennoch bis zum Ende der Schlussplädoyers hin und her gerissen.
Das Politiker gegen eine (wenn auch laienhafte) Einbindung des normalen Bürgers Bedenken haben, spricht Bände. Und ist auch verfehlt: Soweit ich micht Recht erinnere wäre eine Strafkammer für so ein Verfahren auch mit Schöffen besetzt, also Laienrichtern.
Der Kommentar von Krekeler bei Welt.de ist übeigens recht schlecht.
Der ‚Terror‘ Ansatz ist auch kein Streitkraefte-Sicherheitspolitischer sondern ein Innenpolitischer und im Grunde ein moralischer.
Derartige plots gibt es im internationalen (besonders US) Film haeufiger.
Fuer uns wird es nur interessant, weil (mKntns) erstmals das Scenario mit einem Offizier der Bw ‚durchgespielt‘ wird.
@ Hans Schommer | 17. Oktober 2016 – 16:59
Hr. Schommer, danke fuer den interessanten ‚Lesestoff‘.
Das Stichwort an dieser Stelle ist nicht das Luftsicherheitsgesetz sondern der Begriff des übergesetzlichen Notstandes (siehe Wikipedia)
Zum Film: Bisher macht es doch einen recht guten Eindruck, keine groben Schnitzer.
(Abgesehen davon, das natürlich nicht das NLFZ SiLuRa die Räumung eines Stadions anordnet, das wäre eine Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes. Stichwort Föderalismus und Gefahrenabwehr.
Die dazu parallel laufende Debatte auf Twitter läuft unter dem Hashtag #TerrorIhrUrteil, falls jemand da mitlesen möchte.
(sorry, zunächst in den falschen Thread geschrieben)
Staatsanwältin: „Leben darf nicht gegen Leben abgewogen werden“.
Steht das tatsächlich so explizit irgendwo – oder ist das eine Auslegung von Verfassungstexten – im Jahre 2016?
Hans Schommer
Die Manipulation findet durch Nichträumung des Stadions statt. Dennoch, kann man Menschenleben gegeneinander aufwägen? Eine der ältesten Debatten der Menschheit.
Meine Wahrnehmung der Antworten des Angeklagten auf die Fragen der Staatsanwältin: Einfach gestrickt – aber das kann ein Pilot durchaus auch sein.
Meine Meinung zu den Plädoyers: Staatsanwältin Flop – Verteidiger Top (bis auf die Universalisierungstendenzen des Falles am Ende)!
Freispruch!
Hans Schommer
Nun ja, die Frage der Staatsanwältin nach dem Verhalten ggü. Angehörigen kann man zurückgeben.
Der „Volkstribun“ ist eindeutig. Armer Herr Baum…
…als nur ein Diszi für Ungehorsam.
Ich sehe gerade, dass der Film zeitgleich in der Schweiz und in Österreich ausgestrahlt wurde; die Debatte darüber wird aber in den Sendern jedes Landes separat geführt.
Falls hier gerade jemand aus Österreich oder der Schweiz mitliest: Mich würde ja schon interessieren, wie es dort debattiert wird.
Nicht armer Herr Baum, armes Deutschland… Wenige werden für die Masse geopfert. Der Kern unserer Verfassung wurde populistisch beschmutzt. Warum? Im alten Grichenland gab es derartige Scherbengerichte.
Zum Plot: In einem Land mit derartig unfähiger Politik ein Stadion zu räumen, wollte ich auch kein Soldat sein.
Freispruch und Gesamtrücktritt der politischen Kaste!
Ganz ehrlich – ich glaube, bei Herrn Baum ist schon ein gewisser Altersstarrsinn erkennbar.
Hans Schommer
In Österreich ist in der Diskussionsrunde zumindest ein verantwortlicher des Bundesheeres – in Uniform – vertreten.
Was hätte denn eine Uniform geändert?
Der Vertreter des VBSK spricht ohne Uniform für viele Besatzungen. Ein Uniformträger kann nur für die Bw sprechen.
Und warum ist die BW nicht in Uniform vertreten? Wurde diese nicht gefragt oder war dies der BW zu politisch oder das Thema zu unangenehm?
@AoR
In diesem Fall waren die Passagiere bereits tot. Haben die Menschen im Stadion kein Recht auf Leben oder körperliche Unversehrtheit? Ist der Staat nicht verpflichtet auch deren Menschenwürde zu schützen?
Sehr interessanter Film, interessantes Thema. Bei der Abwägung zweier Zahlen gegeneinander fehlt aber völlig die Würdigung der Faktenlage, was wäre passiert wenn kein Abschuss vorgenommen worden wäre. Im Film stehen immer 100+ vs. 70000. Damit wird impliziert, dass das Attentat, wie aus zwei Sätzen vage angedroht „erfolgreich“ im Sinne der Attentäter ausgeführt wird und maximalen Schaden anrichtet. Tatsächlich ist die Situation doch aber 100+ vs. ? — und ? kann durchaus auch 0 sein. Das würde ich schon als sehr suggestiv betrachten. Man hat unbewusst als Referenz immer 9/11 mit dem „erfolgreich“ abgeschlossenen Attentat.
Es wird im Film gelegentlich erwähnt, dass nicht der Attentäter geflogen ist, sondern die Piloten. Man kann Selbstmordattentäter nicht zum Tode verurteilen. Genauso wenig hat ein Attentäter ein Druckmittel gegen den Pilot, wenn dieser klar vor Aufschlag anders reagiert als vom Terroristen erzwungen. Selbst ein potentieller Selbstmordattentäter kann es sich anders überlegen.
Der Verteidiger sprach davon, dass das BVerG die Möglichkeit entzieht, sich gegen Terroristen zu verteidigen. Hier möchte ich dagegen argumentieren, dass die Erlaubnis zum Abschuss Terrorakte dann prinzipiell in anderer Form ermöglicht – wenn man die theoretische Möglichkeit einräumt, dass, da in Flugzeugen ja jede Menge Elektronik vorhanden ist, diese geeignet gestört wird um das Flugzeug (zeitweilig) auf eine verdächtige Route zu bringen, dann nicht mal mehr ein Selbstmordattentäter erforderlich ist – übernimmt die Bundeswehr.
Bundesinnenminister a.D Baum gibt eine m.E. nach unvorteilhafte Position ab. Er versucht sich als Eigentümer des Verfassungsgerichtsurteils zu gerieren und beansprucht die Interpretationshoheit. In dieser starrsinnig anmutenden Art gibt er den Politiker zu erkennen, der mit seiner Art Soldaten in diese missliche Lage bringt. Und das ist meine ich die Krux der Causa: Die Politik/ Justiz hat das Verhalten in solche Lagen nicht geklärt und lässt die Soldaten mit der Entscheidung allein.
Zum ehemaligen BMVg Jung: Wie sich ein Politiker doch wandeln kann. In Afghanistan hat er unsere Soldaten alleine gelassen, war sogar nicht in der Lage den Zustand als Krieg zu benennen und jetzt gibt er sich als entscheidungsfreudig. So kannte man ihn nicht.
@Sir Henry
Der jeweilige Sender entscheidet und lädt entsprechend ein. Und mit dem Ex-IBuK ist der Erwartung Genüge getan.
Erstaunlich, die Zuseher in AUT und CHE haben nahezu punktgleich entschieden, über eine vordergründig deutsche Diskussion.
Herr Baum rudert auf verlorenem Posten. Ist also der Bürger der lebensnähere Richter? Ist also die Verfassung tatsächlich klüger als 86,9% der Bürger, die ja auch immer wieder als Souverän verpflichtet werden? Karlsruhe, das Kabinett werden hoffentlich zugesehen haben.
Jung sagt die Entscheidung muss beim IBuK hängen, dann kann er in diesem Fall den Piloten nicht freisprechen, denn diese hatte den Befehl zum Abschuss nicht gegeben.
Hat er, und daher räumt der Staat ein Stadion. (Vgl. Frankreich zu den Anschlägen, wie man dort mal schnell ein Stadion unter Kontrolle hat) Somit hat hier der Staat versagt, der Pilot wird sein Opfer und allein gelassen. So kommt es zum typischen Fall für den Soldaten, dem Übergesetzlichen Notstand Recht und Freiheit des deutschen Volkes zu schützen.
Wie gesagt, der arme Soldat. Immer auf die Kleinen. Und ich denke viele hier hätten gechossen, wenn nicht gar die Maschine ins Flugzeug gelenkt, denn der Soldat kann hier nur verlieren da ist einem doch Gott als Richter lieber.
Und es kann nicht Maxime des Handelns sein, den Soldaten alleine zu lassen.
Im übrigen verpflichtet das GG nur staatliche, nicht private Akteure.