Ein deutscher Ansatz für „Lessons learned“, in Afghanistan ein Abkommen mit einem Warlord

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Was haben die Bundeswehr und die deutsche Politik aus dem mehr als ein Jahrzehnt dauernden Einsatz in Afghanistan gelernt? Eine wirkliche Bewertung, ein systematisches lessons learned nicht nur im Militär, sondern in der Politik insgesamt fehlt bislang. Einen ersten Versuch, die richtigen Fragen an das deutsche Engagement am Hindukusch zu stellen, haben der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, der frühere General Klaus Wittmann und der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, gestartet.

Ein so großer Einsatz wie ISAF muss künftig wesentlich besser koordiniert und geführt werden, ist eine zwar banal klingende, aber dennoch sehr grundlegende Erkenntnis, die die drei Autoren in ihrem Papier Aus Afghanistan lernen genannt haben. Auftrags- und Zielklarheit seien, so beklagen sie, sowohl bei den militärischen als auch den zivilen Akteuren Mangelware gewesen.

So blieb die Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg trotz aller Bekenntnisse zum Vernetzten Ansatz oft nur eine gut gemeinte, aber kaum umgesetzte  Absicht: Bei der ressortgemeinsamen Zusammenarbeit, etwa in den Provincial Reconstruction Teams (PRT), wären eine regelmäßige gemeinsame Einsatzvorbereitung, gemeinsame Doktrindokumente und ggf. ein gemeinsamer Planungsstab wünschenswert gewesen. Zudem blieb die Gretchenfrage: Wer führt? Und was bedeutet in diesem zivil-militärischen Zusammenwirken eigentlich „Führen“?

Das Papier der drei Autoren erschien zuerst als Gastbeitrag in der Rheinischen Post; auf meine Bitte wurde es auch Augen geradeaus! von Autorenseite zur Verfügung gestellt:

Aus Afghanistan lernen

Und noch eine Lehre, die die Autoren des Papiers ziehen: In den Kategorien von „Sieg“ oder „Niederlage“ sind langfristige Stabilisierungsmissionen nicht zu fassen, schreiben sie.  Für diese Aussage wirkt es fast wie ein Beleg, dass die afghanische Regierung am (heutigen) Donnerstag ein Friedensabkommen mit der radikal-islamischen Gruppe Hisb-e-Islami und ihrem Anführer, dem Warlord Gulbuddin Hekmatjar, unterzeichnet hat. Zur Einordnung der Gruppe und vor allem der Person vom Guardian :

‚Butcher of Kabul‘ pardoned in Afghan peace deal
The Afghan government has pardoned one of the country’s most notorious warlords for past offences including terrorist attacks and alleged war crimes as part of a peace deal with his militant group, Hezb-i-Islami.
The agreement, signed on Thursday after months of negotiations, paves the way for a return to public and possibly political life for Gulbuddin Hekmatyar, who holds an almost unparalleled record of human rights abuses.These include indiscriminate shelling of civilians, targeted assassinations of intellectuals and disappearances of political opponents.

Allerdings kann man das  auch ganz anders sehen, wie die NATO:

NATO SENIOR CIVILIAN REPRESENTATIVE, AMBASSADOR ISMAIL ARAMAZ’S STATEMENT ON DRAFT PEACE AGREEMENT
KABUL, 22 September 2016 – The Office of the NATO Senior Civilian Representative in Afghanistan welcomes the initialling of a draft peace agreement between the Islamic Republic of Afghanistan and Hizb-i Islami Gulbuddin in Kabul today.
The Alliance strongly supports the efforts of Afghanistan’s National Unity Government to enhance peace in the country and to strengthen national stability. NATO also welcomes the renewed efforts deployed by the High Peace Council in order to achieve lasting peace.
The Alliance continues to support an Afghan-led and Afghan-owned peace and reconciliation process which respects the Afghan Constitution and human rights, particularly women’s and children’s rights, as the pathway to a sustainable resolution of the conflict in Afghanistan.
The Office of the NATO Senior Civilian Representative hopes that the draft peace deal will soon be finalised and signed at the highest level.

(Archivbild Juli 2012: „Deutsches Eck“ im PRT Kundus)