Zur Dokumentation: Aus der BPK – Polizisten-Abzug Südsudan, Zivilisten Opfer von Luftangriff in Syrien

Zur Dokumentation zwei Themen aus der Bundespressekonferenz am (heutigen) Freitag. Das eine Thema spielt schon im Bällebad eine Rolle: Warum hat die Bundesregierung bei den jüngsten Unruhen im Südsudan die deutschen Polizisten aus der UN-Mission abgezogen? Das andere Thema ist (nicht nur) in Deutschland bislang weitgehend untergegangen: Bei einem Luftangriff, vermutlich durch die US-geführte Anti-ISIS-Koalition, sind am vergangenen Dienstag bei Manbij in Syrien zahlreiche Zivilisten Opfer der Bomben geworden, wie unter anderem Amnesty International beklagt.

Zum Thema Südsudan, mit Aussagen von Sebastian Fischer vom Auswärtigen Amt und Tobias Plate vom Bundesinnenministerium:

FRAGE: Eine Frage an die Bundesregierung zum Südsudan: Der UN-Generalsekretär soll sehr verärgert darüber sein, dass Deutschland ohne Absprache mehrere Führungsoffiziere der Polizei aus dem Südsudan abgezogen hat. Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass das ohne Absprache und zur Verärgerung der UN oder des Generalsekretärs gelaufen sei?

FISCHER: Wenn ich mich dazu äußern darf: Es ist richtig, dass im Rahmen der Evakuierung der deutschen Staatsbürger und des Botschaftspersonals aus dem Südsudan durch Transportmaschinen der Bundeswehr auch fünf unbewaffnete deutsche Polizisten ausgeflogen worden sind, die bei der UNMIS-Mission ihren Dienst getan haben. Die Bundeswehr hat zudem vier verletzte UNMIS-Soldaten sowie viele Angehörige anderer Staaten ausgeflogen. Vielleicht ergänzend dazu: 15 Bundeswehrsoldaten, die bei UNMIS derzeit eingesetzt sind, leisten weiterhin vor Ort ihren Dienst.

Die Entscheidung beruhte darauf, dass in Anbetracht der heftigen Gefechte und Auseinandersetzungen vor Ort aus Sicht der Bundesregierung eine unmittelbare Gefahr für die persönliche Sicherheit der eingesetzten Polizisten bestand, die eine zeitweilige Evakuierung notwendig gemacht haben. Bei diesen temporär abgezogenen Polizisten handelt es sich um unbewaffnete Kräfte, die Beratungs- und Trainingsaufgaben ausgeführt haben. Es bestand dabei große Eilbedürftigkeit, weil die Bundeswehr eben nur an diesem einen Tag vor Ort in Dschuba war und die Polizisten ausfliegen konnte.

Ich glaube, es ist auch wichtig mitzuteilen, dass der zeitweilige Abzug dieser Polizisten dem Sekretariat der Vereinten Nationen im Voraus mündlich und schriftlich angezeigt worden ist. Die sind in New York also informiert gewesen.

ZUSATZFRAGE: Man hört den Vorwurf, das sei ein schlechtes politisches Signal. Es gibt ja andere Nationen, die ihre Leute nicht abgezogen haben. Was sagen Sie dazu?

FISCHER: Das kann ich nicht erkennen. Sie haben ja gehört, dass es sozusagen Gefahr in Verzug gab, dass der Handlungszeitraum, den es gab, nicht besonders groß war, und wir trotzdem die Vereinten Nationen unterrichtet haben. Von daher kann ich, glaube ich, mit Blick auf die Sicherheit der Polizisten und die Sicherheit ihres Einsatzes nur sagen: Der temporäre Abzug war vollständig gerechtfertigt.

FRAGE JUNG: Herr Plate, wenn ich richtig informiert bin, kam die Anordnung, dass die Polizisten zurückkommen, aus Ihrem Ministerium. Können Sie noch einmal begründen, warum Sie die Fürsorgepflicht als Grund angegeben haben?

DR. PLATE: Das kann ich, ehrlich gesagt, aus dem Stand nicht; mir ist die Anordnung nicht bekannt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Können Sie das nachreichen?

DR. PLATE: Ich werde es versuchen. Wenn die Anordnung tatsächlich von uns ist und das da drin steht, dann kann ich das nachreichen; wenn es nicht so ist, dann kann ich das logischerweise nicht nachreichen.

FRAGE DR. MAYNTZ: Temporär heißt ja, dass der Abzug zeitlich begrenzt ist. Wann gehen die wieder zurück?

FISCHER: Darüber werden wir beraten, und wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werden die Polizisten auch wieder zurückkehren.

FRAGE PELZ: Warum hat man denn die Soldaten abgezogen? Der Umgang mit schwierigen Situationen ist in der Polizeiarbeit ja durchaus nichts Ungewöhnliches, und das war laut UN-Angaben eine Situation, in der die Polizei dringend gebraucht wurde. Warum dann trotzdem diese Entscheidung?

FISCHER: Erst einmal sind ja nicht Soldaten abgezogen worden; die Soldaten sind vor Ort geblieben. Es sind Polizisten gewesen, die unbewaffnet gewesen sind und die Trainings- und Beratungsaufgaben übernommen haben. Das heißt, die sind gar nicht operativ auf der Straße in Dschuba eingesetzt worden. Es hat Verletzte in der UNMIS-Mission gegeben, und da stand es aus unserer Sicht im Vordergrund, dass wir der Fürsorgepflicht, die wir für diese Beamten haben, nachkommen und sie mit den Möglichkeiten, die wir haben, dann auch aus Land herausbringen. Diese Möglichkeit mithilfe der Bundeswehr gab es einfach nur an diesem einen Tag.

FRAGE JESSEN: Ist das entscheidende Kriterium denn die Tatsache gewesen, dass die Offiziere, die Polizisten unbewaffnet waren? Denn wie Sie sagten, gab es auch Verletzte bei der UNMIS-Mission, und da sind, wie Sie gesagt haben, weiterhin deutsche Soldaten im Einsatz. Worin besteht denn der Unterschied bei der Fürsorgepflicht? Beruht der wirklich auf dem Kriterium der Bewaffnung, ist es das? Oder gibt es eine andere Fürsorgepflicht für Soldaten als für Polizisten?

FISCHER: Die Fürsorgepflicht ist natürlich bei allen deutschen Staatsbürgern die gleiche. Aber in diesem Fall wurde es vom Auftrag abhängig gemacht, und der Auftrag der Polizisten war einfach ein anderer als der der Soldaten. Im Übrigen unterliegen die Polizisten in der Tat auch dem Dienstvorbehalt des Bundesministeriums des Innern, und dort können Sie sicherlich auch weitere Aufklärung erhalten.

ZUSATZFRAGE JESSEN: Ich verstehe es immer noch nicht. In beiden Fällen sind es im weiten Sinne Angehörige von Institutionen der deutschen staatlichen Sicherheit. Auch Polizisten sind gelegentlich bewaffnet, begeben sich in schwierige, auch gesundheitsgefährdende Situationen. Was macht in diesem Fall unter Sicherheitsaspekten den Unterschied zwischen Polizeioffizieren und Soldaten bezüglich derer Sie gesagt haben, dass auch für die ein Verletzungsrisiko besteht aus? Ist es die Tatsache der Bewaffnung? Hätte man sie dann nicht vor Ort bewaffnen können?

FISCHER: Es ist so, wie ich schon ausgeführt habe: Der Unterschied liegt im Auftrag, und diese Polizisten hatten einen Beratungsauftrag. Dieser Beratungsauftrag war in der unübersichtlichen Situation, die es in Dschuba gab, nicht mehr zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund gab es aus unserer Sicht dann auch keinen Grund, dass sie noch vor Ort verbleiben mussten zumal bei der Abwägung dann die Fürsorgeaspekte überwogen haben.

FRAGE WONKA: Herr Fischer, als ich im Sudan war, habe ich registriert, dass die Bundeswehrsoldaten und die Bundespolizisten im gleichen Camp untergebracht sind. Können Sie sagen, ob sich an dieser Situation etwas geändert hat? Sollte sich daran nichts geändert haben: Wieso ist da die Sicherheitslage für die Soldaten anders als für die Polizisten, wenn sie im gleichen Camp, abgesichert durch relativ viel Militär und starke Kontrollen, untergebracht sind?

FISCHER: Mangels Ortskenntnis kann ich Ihnen nicht mitteilen, ob die in demselben Camp untergebracht waren; da kennen Sie den Südsudan mutmaßlich besser, als ich ihn kenne. Aber noch einmal: Ich habe hier auf den Auftrag der Polizisten abgestellt, der in der unübersichtlichen Situation, die in Dschuba herrschte, nicht durchführbar gewesen ist.

ZUSATZFRAGE WONKA: Aber der Auftrag bzw. die Tätigkeit beider Gruppen vollzog sich ja aus dem Camp heraus? Deswegen frage ich nach dem Unterschied bei der Sicherheitseinstufung für Soldaten und für Polizisten.

FISCHER: Sie haben meine Antwort gehört.

Zum Thema Luftangriff in Syrien, mit Aussagen von Jens Flosdorff vom Verteidigungsministerium und Regierungssprecher Steffen Seibert:

FRAGE JUNG: Ich möchte zu den Luftangriffen in Syrien kommen. Herr Flosdorff, Amnesty International spricht jetzt von mehr als hundert Toten, die es bei einem Luftangriff der Anti-ISIS-Koalition auf ein syrisches Dorf gegeben habe; Al Jazeera spricht sogar schon von 200 getöteten Zivilisten, darunter 35 Kinder. Haben Sie mittlerweile erste Erkenntnisse über diesen Angriff Ihrer Koalition? Hat Deutschland, haben die Bundeswehr-Tornados diese Area vorher aufgeklärt oder nicht? Fordern Sie eine unabhängige Untersuchungskommission, die diese Tat aufklärt?

FLOSDORFF: Herr Jung, dieses Thema hatten wir hier ja schon häufiger. Der Auftrag der Bundeswehr dort besteht darin, Aufklärungsflüge über dem Nordirak und über Syrien gegen den IS durchzuführen. Aufklärungstornados der Bundeswehr liefern hochauflösende Bilder, die sowohl dazu dienen, Ziele zu identifizieren, als auch dazu, schützenswerte zivile Ziele auszuklammern und zur Identifikation beizutragen. Die Angriffe, die dann geflogen werden, und die Entscheidungen, die gefällt werden, welche Ziele angegriffen werden, fußen auf einer Fülle von Informationen und nicht nur auf Luftaufklärungsbildern, sondern auch auf anderen Bildern, auf mündlichen Aussagen oder auf sonstigen Erkenntnissen, die im Rahmen der Koalition gewonnen werden.

Ich habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bundeswehr in irgendeiner Weise direkt oder indirekt in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat. Ich habe hier auch nicht über irgendwelche Erkenntnisse zu berichten, was das konkrete Ausmaß dieses unglücklichen Ereignisses angeht. Ich weiß aber, dass die Vereinigten Staaten von Amerika bereits angekündigt haben, dort eine Untersuchung anzustellen, um den genauen Hergang herzuleiten und die Folgen zu analysieren.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, schließen Sie sich der Aussage an, dass das ein „unglückliches Ereignis“ ist, dass man da hundert unschuldige Menschen wegbombt? Wie passt das eigentlich mit der Fluchtursachenbekämpfung der Bundesregierung zusammen?

Herr Flosdorff, habe ich Sie richtig verstanden: Sie klären immer nur im Vorfeld auf, aber Sie klären im Nachhinein nicht auf, ob das, was Sie da bombardieren wollten, auch wirklich bombardiert wurde?

FLOSDORFF: Herr Jung, Sie haben vielleicht eine falsche Vorstellung von den militärischen Abläufen. Das sind konkrete Aufklärungsaufträge, die im Rahmen der Koalition ergehen. Das alles wird von einem gemeinsamen Hauptquartier aus koordiniert. Die Bundeswehr führt diese Aufträge aus und wertet auch selber aus, trägt also dazu bei, die Sicherheit zu erhöhen.

Ich möchte das alles auch noch einmal in den Zusammenhang stellen: Bei allen an diesem wirklich schrecklichen und brutalen Konflikt beteiligten Parteien ist es sicherlich so, dass die Koalition sehr viel Rücksicht auf ziviles Leben und schützenswerte Einrichtungen nimmt und sich sehr viel Mühe gibt, da Erkenntnisse zu gewinnen, und sie steckt da auch so viel Sorgfalt und so viele Ressourcen hinein wie keine andere an diesem fürchterlichen Konflikt beteiligte Partei in welche Richtung sie da auch schauen.

Insofern kann ich Ihnen jetzt nicht berichten, dass wir eigene Erkenntnisse haben. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie lange jetzt die Untersuchungen dauern werden. Es ist gut, dass diese Untersuchungen angestellt werden. Wir haben auch keine Zweifel daran, dass diese Untersuchungen mit hoher Intensität und Sorgfalt durchgeführt werden. Mehr kann ich Ihnen dazu an dieser Stelle leider nicht berichten.

VORS. DETJEN: Herr Seibert, Sie waren angesprochen.

STS SEIBERT: Das hatte ich nicht so verstanden; ich habe das jedenfalls nicht gehört. Ich kann mich aber dem anschließen, was Herr Flosdorff für das Bundesverteidigungsministerium gesagt hat.

VORS. DETJEN: Die Frage war, ob Sie sich den Begriff des „unglücklichen Ereignisses“ zu eigen machen.

STS SEIBERT: Ich glaube, Herr Flosdorff hat das gerade doch sehr klar charakterisiert. Wenn so etwas in einem Konflikt geschieht, also Zivilisten zu Opfern werden, dann ist das natürlich unglücklich man könnte auch sagen, dann ist das tragisch und dann muss das aufgeklärt werden. Aber die Anti-IS-Koalition, deren Teil wir sind, tut alles, was sie kann, um genau diesen Fall zu vermeiden. Sie wird mit Sicherheit nach der Untersuchung dieses Falles daraus auch Konsequenzen ziehen.