Schweden, die NATO – und der russische Informationskrieg

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Das neutrale Schweden, das sich faktisch als Teil des Westens sieht, ist am (gestrigen) Mittwoch näher an die NATO herangerückt – und hierzulande ist es praktisch nicht registriert worden, dafür in russischen Medien um so genauer. Das Parlament in Stockholm ratifizierte ein bereits 2014 vereinbartes Abkommen zum Host Nation Support, zur Unterstützung Schwedens für NATO-Truppen, die das Land für Übungen, aber auch als Transitroute im Krisenfall nutzen dürfen, allerdings nur auf Einladung der schwedischen Regierung.

Aus dem Bericht von Reuters zur Abstimmung:

Sweden’s parliament on Wednesday ratified a deal granting NATO more access to the neutral Nordic country for training exercises and in the event of a war in the region, a step reflecting heightened tensions with Russia. (…)
The centre-left minority government won the parliamentary vote by a margin of 291-21.

„This deal will not change our relationship with NATO nor our security policy. We will remain non-aligned,“ Defence Minister Peter Hultqvist told parliament. „There will be no NATO troops on Swedish soil without an invitation.“

Die Abstimmung war nicht unumstritten, wie die englischsprachige schwedische Webseite thelocal.se beobachtete:

Protests were heard from the public galleries when the decision was made, prompting the speaker of the house to call in security guards. Police later arrived to escort seven women making loud crying sounds from the building.
The Left Party, arguing that the much-debated deal posed a risk to the rights and freedoms in Sweden’s constitution, had originally been backed by the far right Sweden Democrats in an unlikely alliance between the two politically enemies.
However, the latter pulled its support at the eleventh hour.

(Der Beschluss findet sich, bislang nur im schwedischen Original, hier.)

Die engere Kooperation zwischen der Allianz und dem skandinavischen Land kommt allerdings nicht überraschend. Wie das benachbarte Finnland arbeitet auch Schweden schon lange mit der NATO zusammen und war zum Beispiel an der NATO-Mission in Afghanistan beteiligt. Eine Übersicht über die Beziehungen des Bündnisses mit Schweden gibt es hier.

Von russischer Seite, die in der Vergangenheit Schweden mit teilweise scharfen Worten vor einem möglichen Beitritt zur NATO gewarnt hatte, wurde der Bericht über die Abstimmung gezielt mit einem Spin versehen: Der staatlich gelenkte TV-Sender RT.com (und dessen Webseite) stellte die Ratifizierung des Abkommens als möglichen Schritt zu einer Stationierung von US-Atomwaffen in Schweden dar.

Schweden verabschiedet Vereinbarung über Status als NATO-Gastland mit US-Nuklearwaffenstationierung
Das schwedische Parlament hat am 25. Mai unter dem Protest weinender Frauen einer Vereinbarung als NATO-Gastland zugestimmt. Dieser Status ermöglicht unter anderem die Stationierung von Nuklearwaffen. Mit der Ausweitung der NATO und dem anstehenden NATO-Gipfel zieht eine Welle von Protesten durch Europa.

Allerdings muss selbst RT.com – viel weiter unten im Text – einräumen, dass diese behauptete Möglichkeit zur Stationierung von Atomwaffen Spekulation ist:

Der Parteiführer der Linken, Jonas Sjöstedt, zeigt sich besorgt, dass Schweden als Gastland auch für die Stationierung von Nuklearwaffen herhalten müsse. Zwar behauptet der Verteidigungsminister, dass dies nicht auf der Agenda steht. Welche Nebenabreden das neue Abkommen möglicherweise enthält, ist nicht bekannt.

Diese Aussage wirkt deshalb eher wie eine Reaktion auf den Vorwurf der NATO (und, indirekt, auch Schwedens), dass Russland bereits einen nuklearen Angriff auf Schweden geprobt habe. Angesichts der zunehmenden Spannungen rund um die Ostsee – wegen der Estlands militärischer Oberbefehlshaber jetzt die Stationierung von NATO-Flugabwehrsystemen forderte – keine ermutigende Entwicklung.

(Archivbild November 2014: NATO Secretary General Jens Stoltenberg and Swedish Defence minister Peter Hultqvist – NATO)