Fast eine Milliarde Euro im Skat: So gab die Bundeswehr das Geld aus (mit Korrektur)

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Anfang dieses Jahres warteten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder mit einer positiven Nachricht auf: Wie oft in den Vorjahren hatte das Ministerium 2015 bereits fest eingeplantes Geld für Rüstungsprojekte nicht ausgeben können, weil sich die Lieferung von bestelltem Gerät verzögerte – im vergangenen Jahr sei es allerdings gelungen, diese Summe umzuleiten und für andere Dinge auszugeben, die in der Haushaltsplanung weit nach hinten gerutscht waren, obwohl die Truppe teilweise dringenden Bedarf dafür hatte. Nun war zunächst nicht so einfach herauszufinden, was mit der fast eine Milliarde Euro geschehen war, die in andere Projekte flossen. Inzwischen hat Augen geradeus! aber einen groben Überblick gewinnen können.

Rund 900 Millionen Euro, diese Zahl wurde auch öffentlich genannt, flossen nicht in die Projekte, für die sie im Haushalt vorgesehen waren (von insgesamt rund fünf Milliarden Euro insgesamt für die Rüstungsinvestitionen). Davon kamen rund 700 Millionen Euro aus den Mitteln, die für den Kampfhubschrauber Tiger und den Transporthubschrauber NH90 eingeplant waren, sowie aus dem Geld für den Eurofighter, das Transportflugzeug Airbus A400M und den Schützenpanzer Puma: zum Teil waren die Verträge verändert worden, zum Teil lieferte die Industrie nicht wie vereinbart. Weitere 200 Millionen waren in den Haushaltstiteln für die U-Boote der Klasse 212A und der neuen Fregatte F125 sowie für Feuerlöschfahrzeuge vorgesehen und blieben sozusagen übrig.

Und was wurde nun für das Geld angeschafft?

Rund 400 Millionen Euro flossen in direkte Rüstungsbeschaffung, für – so global ist das ja immer im Haushalt formuliert – Sanitätsgerät, Fernmeldematerial, Kampffahrzeuge, Munition, Feldzeugmaterial, Quartiermeistermaterial und Luftfahrzeuge. Dazu wurden auch rund 120 Projekte herangezogen, die auf der Prioritätenliste zurückgestellt waren und zunächst nicht verwirklicht werden sollten, weil das Geld dafür nicht vorhanden war. Allerdings konnten, das ist das typische Problem der jährlichen Zuordnung der Ausgaben nach dem Haushaltsrecht, für diese 120 Projekte im Gesamtvolumen von rund 700 Millionen Euro im vergangenen Jahr nur 230 Millionen ausgegeben werden: Auch bei einem Vertragsabschluss kann die Industrie nicht alles sofort liefern.

Ein paar der Projekte, die mit diesen 400 Millionen Euro angegangen wurden:

  • Zur Modernisierung des Gefechtsübungszentrums in der Altmark wurden die Rüstsätze des Ausbildungsgeräts Duellsimulator (AGDUS) für den Kampfpanzer Leopard 2A7, den Transportpanzer Fuchs A8 und den Spähwagen Fennek für 5 Millionen neu angeschafft.
  • Eine Hebevorrichtung für Grundminen schlug mit 1,5 Millionen Euro zu Buche
  • Für rund zehn Millionen Euro wurden Funkgeräte vom Typ PRC-117 angeschafft (Foto oben). Die Beschaffung dieser Funkausrüstung steht seit Jahren auf der Wunschliste der Truppe. (Schon im Dezember 2008 hatte die damals noch im Bundestag vertretene FDP danach gefragt; die Antwort wurde allerdings eingestuft und nicht veröffentlicht; inzwischen dürfte es allerdings um eine modernere Version des PRC-117 gehen als damals diskutiert.)
  • Verbesserte Betreuungskommunikation im Einsatz
  • IT-Ausstattung Korvette K130
  • Unterwasser-Scooter für die Spezialkräfte
  • Updates für das Flugabwehrsystem Patriot für elf Millionen Euro: die so genannte Obsolenzbeseitigung bei der Antennenmastanlage, Anpassung Flightmission Simulator und andere technische Modernisierungen
  • Anpassungen beim Kampfpanzer Leopard 2A7 für 13 Millionen Euro: unter anderem die Modernisierung des Bordnetzes und die Anpassung des Feuerleitrechners für neue Munition, neue Brandunterdrückungsanlage und andere Verbesserungen
  • Konstruktive Verbesserungen und weitere Ausbildungsgeräte für Kleindrohnen (darunter fallen Luna, Aladin und Mikado) für rund 17 Millionen Euro
  • Austausch des Raketenwarners beim Hubschrauber CH-53
  • Anpassung der Navigationssoftware des Marschflugkörpers Taurus, von dem die Bundeswehr rund 600 Stück besitzt, für vier Millionen Euro
  • Auf den Korvetten K130 wurde für drei Millionen Euro mit dem Austausch des Täuschkörper-Systems SRBOC (Super Rapid Bloom Offboard Countermeasures Chaff and Decoy Launching System) gegen das modernere MASS-System (Multi Ammunition Softkill System) von Rheinmetall begonnen
  • Korrektur des vorangehenden Punktes (aufgrund der zahlreichen Hinweise hier habe ich noch mal nachgeforscht: In der Tat sind die K130 von vorherein mit MASS ausgerüstet; die drei Millionen Euro wurden für eine Anpassentwicklung dieses Systems auf den Korvetten ausgegeben. Der Austausch von SRBOC gegen MASS betrifft die Fregatten F123 und F124, und das hat mit den hier genannten Summen nichts zu tun.

Weitere rund 300 der 900 Millionen Euro gingen in so genannte rüstungsnahe Bereiche – auf Deutsch: in die Bw Fuhrpark GmbH sowie die – pleite gegangene – Bekleidungsfirma LHBw. Allerdings ging es dabei in erster Linie um Ausrüstung der Truppe, also nicht um den Kombiwagen fürs Dienstleistungszentrum:

  • Die Beschaffung von 133 geschützten 15-Tonnern vom Typ Iveco Trakker, Gesamtvolumen 110 Millionen Euro, wurde begonnen
  • Das Eigenkapital der BwFuhrpark GmbH wurde um 166 Millionen Euro erhöht; damit erhielt die Truppe mehr als eintausend so genannte handelsübliche Fahrzeuge mit militärischer Sonderausstattung (was früher mal teilmilitarisiert hieß): 500 Geländewagen der Mercedes Benz G-Klasse, also neue Wölfe als Ersatz für die alten, und 540 Widder, die Bundeswehr-Version des VW-Busses in der Ausführung T6 T5 Allrad.
  • Nachdem das Verteidigungsministerium rund 52 Millionen in die Rettung der Bekleidungsgesellschaft LHBw gesteckt hatte, standen rund 20 Millionen Euro direkt für Bekleidung und persönliche Ausrüstung zur Verfügung. Davon wurden im vergangenen Jahr 6.000 Sätze Kampfbekleidung sowie der neue Schneetarnanzug für die Gebirgsjäger angeschafft, außerdem rund 5.500 Schutzwesten

Rund 200 der 900 Millionen wurden für Einsatzausgaben und für Personalkosten verwendet – obwohl durchaus noch weitere Projekte auf der Bestell-Liste der Truppe gestanden hätten.

Die – unvollständige – Liste zeigt: Oft genug fallen die Ausrüstungsvorhaben, die gar nicht so teuer sind, hinten runter – weil milliardenschwere Großprojekte einen Löwenanteil des Haushalts beanspruchen. Und erst wenn bei diesen Großprojekten Verzögerungen eintreten und deshalb etwas überbleibt, können Dinge angeschafft werden, auf die die Truppe zum Teil seit Jahren wartet. Ob das in der Zukunft anders laufen kann? Ich bin gespannt.

(Foto: Spc. Gabrielle Horne (right,) a signal support specialist assigned to Regimental Headquarters and Headquarters Troop, Regimental Support Squadron, 2nd Calvary Regiment, shows Soldiers from the German Signal Team, Reconnaissance Battalion, 12th Panzerbrigade, how to operate a AN/PRC-117F (C) Multiband Radio during a demonstration between allied partners at Rose Barracks, Germany, Apr. 13, 2016. Both, U.S. and German Troops, were conducting compatability tests using a NATO Key, which will link allied nations together via communications during Exercise Saber Strike ’16 – U.S. Army photo by Spc. Sarah-Jane Guest)