Tornado-Einsatz gegen ISIS: Kein Auftrag zur Aufklärung kurdischer Stellungen
Die Statistik, die das Verteidigungsministerium dem Linken-Abgeordneten Jan van Aken auf seine Anfrage nach den Einsatzflügen von deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeugen im Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen geliefert hat, ist zwar offensichtlich nicht mehr so ganz aktuell: In der (bislang noch nicht veröffentlichten Antwort) ist laut dpa von 134 Einsatzflügen die Rede; Anfang März hatte das Ministerium aber bereits von 148 Flügen gesprochen (mit jeweils zwei Maschinen pro Einsatz). Interessanter ist aber die immer wieder aufgebrachte – politische – Frage, ob die deutschen Aufklärungsergebnisse von der Türkei, ebenfalls Partner in der Anti-ISIS-Koalition, zu Angriffen auf kurdische Stellungen in Syrien und im Irak genutzt werden könnten. Da blieb das Ministerium hinreichend vage:
Die Daten werden auch von der Türkei genutzt, die in Syrien nicht nur den IS, sondern auch die Kurden-Miliz YPG bekämpft. Die YPG ist der bewaffnete syrische Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Auf die Frage, ob eine Verwendung der „Tornado“-Daten für solche Angriffe ausgeschlossen werden kann, antwortete das Verteidigungsministerium: „Die Aufklärungsergebnisse werden mit dem Freigabevermerk „For Counter-Daesh Operation only“ (Nur für die Anti-IS-Operaion) versehen. (…) Grundsätzlich wird im vertrauensvollen Miteinander mit den Partnernationen davon ausgegangen, dass diese sich an diese zweckgebundene Verwendung der Aufklärungsergebnisse halten.“
Das erlaubt natürlich die politische Bewertung van Akens, es sei eben nicht sichergestellt, dass die deutschen Erkenntnisse doch für den Kampf gegen die Kurden genutzt würden.
In der Bundespressekonferenz am (heutigen) Montag war das dann auch Thema. Und der stellvertretende BMVg-Sprecher Oberst Boris Nannt hat dabei erklärt, dass es eben keine Aufklärungsergebnisse von kurdischen Stellungen gebe, eben weil der Auftrag der Anti-Isis-Koalition für die deutschen Aufklärungsflüge nicht solche Stellungen erfasse:
Das klingt logisch – und vielleicht hätte das Ministerium die Erläuterung, sinngemäß Wir haben keine Aufklärungsergebnisse kurdischer Stellungen, weil wir auch keinen Auftrag haben, kurdische Stellungen zu fotografieren schon längst mal etwas klarer kommunizieren sollen. Weil die Frage ja schon seit längerem immer wieder kommt.
Die interessanteste Aussage aus der Antwort an van Aken ist für mich übrigens: 40 Prozent der Aufklärungsziele lagen in Syrien, 60 Prozent im Irak.
Nachtrag: Kollege Tilo Jung hat dazu mal die Fragen und Antworten mehrerer Bundespressekonferenzen zusammengestellt:
(Direktlink: https://youtu.be/RMciW9_EsWg)
(Archivbild 24. Februar 2016: Nachtflug bei der Mission Counter Daesh – Die Wartungscrew überprüft den Kampfjet Tornado vor dem Start des Einsatzaufklärungsflugs auf der Air Base Incirlik – Foto Bundeswehr)
Schwaches Bild, das der Oberst bei der Beantwortung einiger Fragen abgibt. Wobei Jung bei einigen seiner Fragen den Eindruck erweckt, dass er wirklich schwer von Begriff ist.
Hans Schommer
Bei dieser Kommunikationsstrategie (oder vielleicht eher das Fehlen einer solchen) kann man echt nur den Kopf schütteln. Eine klare Aussage, dass deutsche Aufklärer keine Fotos von kurdischen Stellungen machen, da es schlicht und einfach nicht ihr Auftrag ist, würde die komplette Diskussion erübrigen. Statt dessen windet man sich mit solch vagen Aussagen, die verständlicherweiße die Skepsis nur noch verstärken…
Mich würde interessieren, von wem die Behauptung oder Einstufung stammt, daß die YPG angeblich der bewaffnete syrische Ableger der PKK sei?
Denn meines Wissens sind dies unabhängige Organisationen, nur mit einer ähnlichen sozialistischen Ideologie.
Stammt die obige Einschätzung aus dem Verteidigungsministerium selbst, vom AA oder hat man hier türkische Propaganda übernommen?
@QuiGon
Die Frage warum man teil einer Koalition ist aber scheinbar Null Ahnung hat wie sich diese Koalition insgesamt im Kampf gegen den IS schlägt ist doch sehr befremdlich.
Dieses Theater ist einer Demokratie unwürdig. Wenn Putins Pressesprecher so was von sich geben würde, würde mich das nicht erstaunen.
Man ist Gehilfe bei einem Luftkrieg aber will damit nichts zu tun haben, ganz toll.
@Closius
Offensichtlich will man ja eh nichts mit dem Treiben in Syrien zu tun haben und gibt sich immer Ahnungslos.
Da kann dann eben auch so was bei rumkommen, man will es halt nicht genau wissen.
Die Kurden haben ja Stellungen mit denen sie den IS im Schach halten oder wieder Gebiete zurückerobern. Dass da keine Kurdenstellungen weitergegeben werden, macht also keinen Sinn, da sie in der Nähe sind…
@Closius | 21. März 2016 – 16:11
Die Einschätzung stammt unter anderem vom Bundesamt für Verfassungsschutz (vgl. Verfassungsschutzbericht 2014, S. 124 ff.), ist aber nicht ganz unumstritten.
@Patrick Horstmann: Es gibt wohl auch einen Befehl Öcalans, diese herauszubilden ~2004. Der Wikipedia-Artikel ist da ganz Aufschlussreich ( Vorsicht da editing war von MIT-Trollen. Dennoch sind es unabhängige Organisationen.
Die PKK ist ein Kind der Sovietunion, ohne deren Unterstützung die PKK quasi bedeutungslos wurde. (Musste damals bei @KPK zum gemeinsamen Oberkommando Rojava/KRG schmunzeln… das muss sich sein sovietisches Pendant damals auch gedacht haben mit Bezug auf die Türkei, der gründete dann die PKK) Klar, kulturell bestehen unter den Kurden klare Adelssteukturen wobei die kommunistische Ideologie diese natürlich konterkariert hatte.
Sie sehen, die PYD setzt auf einen Kantonismus, was eine PKK, welche eine Kommunistische Einheitspartei anstrebt wohl weniger unterstützen würde.
Wichtig ist auch hier zu beachten: Die HPK ist der militärische Arm der PKK welche wohl strikt gesteuert wird. Die YPG ist wiederum eine Art militärisches Pendant zur PYD dennoch sehr viel unabhängiger von dieser.
Einfach mal eine israelische Sichtweise hierzu:
Israel and the Kurds: Love by Proxy
http://www.the-american-interest.com/2016/03/18/israel-and-the-kurds-love-by-proxy/
@Verfassungsschutz: Bitte mehr Differenzierung, dennoch Beobachtungsauftrag sicher nicht falsch.
Meldungen von http://www.stripes.com/news/middle-east/iraq-says-it-s-launched-offensive-to-retake-islamic-state-held-mosul-1.400864 deuten an, dass die irakische Armee die lang erwartete Offensive zur Rückeroberung von MOSSUL begonnen hat, „Operation Conquest.“
Neben Palmyra in Syrien stellt MOSSUL die andere, nicht nur Symbolstadt dar, sondern verkörpert gleichzeitig die zweitgrößte irakische Agglomeration, und ebenso die bevölkerungsreichste, je von Daesh eroberte. Die beabsichtigte Wiedereinnahme beseitigt den letzten Zweifel, Daesh befindet sich auch strategisch auf dem Rückzug.
Bis Jahresende wird das Kalifat weitgehend Geschichte sein?
Ein Überblick vom Guardian:
„Syrian state television says government forces backed by Russian airstrikes“
Hat jemand eine Vorstellung, warum es augenscheinlich
https://pbs.twimg.com/media/CejKZveXIAAPzND.jpg
auch einen CJTFOIR-Luftangriff in Palmyra gegeben hat?
@Hans-Joachim Zierke
Nach dem Genfer Abkommen zur Feuerpause sind Al Nusra und Daesh weiterhin vogelfrei. Vernichtung Daesh auch in U.S. Interesse.
Bzgl. des Zeitdrucks bei der Rückeroberung Mossuls. Das Factsheet der U.S. Botschaft in Baghdad zum desolaten Zustands des Mosul-Damms „Statement on Mosul Dam Emergency Preparedness“, vom 28. Feb 2016. Ich bin kein Sprengmeister und Statiker aber ist eine kontrollierte teilweise Sprengung eine Alternative? Anscheinend sind die Fluttore vergammelt und blockiert.
http://iraq.usembassy.gov/022816.html
Zusammenfassung von Dan Pipes, vom 13. Mar 2016.
http://de.danielpipes.org/16572/irak-mossul-damm
@2ct.
Ich glaube nicht, daß dies eine Alternative ist, da dann wohl die Statik nicht mehr gewährleistet ist und auch der Rest der Mauer weggerissen werden wird. Außer man würde einen anderen Abfluß legen.
Pläne müssten ja noch bei Hochtief bzw. bei der Bauer AG vorliegen.
@Klaus-Peter Kaikowsky
„Nach dem Genfer Abkommen zur Feuerpause sind Al Nusra und Daesh weiterhin vogelfrei. Vernichtung Daesh auch in U.S. Interesse.“
Das ist bekannt.
Erklärt aber noch nicht wirklich, warum man zwischen dutzende von russischen Luftangriffen genau einen der USA (oder eines US-Verbündeten) eingeschoben hat, was ja vermutlich einigen Koordinationsaufwand mit sich gebracht hat.
@Hans-Joachim Gierke
Ich sitze weder in der RUS- noch CJTF OIR-OPz. Was tatsächlich befohlen, vereinbart wurde/wird, no idea!
Kleine Hilfe ggf., allerdings liegt keiner der genannten Orte nahe PALMYRA.
http://www.centcom.mil/en/news/articles/march-28-military-airstrikes-continue-against-isil-terrorists-in-syria-and
Eine intern RUS/U.S. vereinbarte Arbeitsteilung könnte denkbar sein: Ihr Syrien, Wir Irak, denn, ohne „Air Operations Coordination“ geht’s nicht. Sinn machte Splitting insofern, als dass RUS Lw in der Zusammenarbeit mit SAA fünf Monate Erfahrung und Übung hat.
Für den 27. März 16 das strike-update.
The following is a summary of the strikes conducted against ISIL since the last press release:
Syria</b
* Near Mar'a, three strikes struck two separate ISIL tactical units and destroyed five ISIL fighting positions.
* Near Manbij, one strike destroyed two ISIL bed down locations and two ISIL fighting positions.
Iraq
* Near Mosul, four strikes struck an ISIL security headquarters and an ISIL tactical unit and destroyed an ISIL assembly area and suppressed an ISIL mortar position and an ISIL tactical unit.
* Near Qayyarah, three strikes struck two separate ISIL tactical units and destroyed four ISIL mortar positions, an ISIL machine gun, and an ISIL supply cache and suppressed an ISIL mortar position.
* Near Sinjar, one strike struck an ISIL tactical unit and destroyed an ISIL heavy machine gun position.
* Near Sultan Abdallah, two strikes struck an ISIL tactical unit and destroyed five ISIL fighting positions and an ISIL assembly area.
Strike assessments are based on initial reports. All aircraft returned to base safely.
@ Hans-Joachim Zierke | 28. März 2016 – 17:55
FTR „Near Palmyra, one strike struck an ISIL tactical unit and destroyed an ISIL fighting position“; CENTCOM; March 24: Military airstrikes continue against ISIL terrorists in Syria and Iraq.
http://www.centcom.mil/en/news/articles/march-24-military-airstrikes-continue-against-isil-terrorists-in-syria-and
@Hans-Joachim Zierke
Soeben entdeckt, mit Karte vom Operationsgebiet. Und sorry für den Verschreiber!
@CENTCOM: RT @OIRSpox: @CJTFOIR Strike update: 111 strikes in #Iraq and 28 strikes in #Syria last week #DefeatDaesh – https://t.co/7a3RWXhW0L
@2ct.
„FTR „Near Palmyra, one strike struck an ISIL tactical unit and destroyed an ISIL fighting position“; CENTCOM;
Danke.
Am 23., letzter Mittwoch.
Da liegt die Vermutung zumindest sehr nahe, daß CJTFOIR auf Bitte der Russen gebombt hat. Was ich, wenn es zuträfe, für eine interessante Entwicklung hielte.
60 Sek. von AIE (American Enterprise Institute) „What can the West learn from Putin’s ‘withdrawal’ from Syria?“ ; Leon Aron; 28. Mar 2016.
https://youtu.be/fQ4l3OguZTs