‚Patriot‘-Einsatz in der Türkei: Letzte Bundeswehr-Systeme verschifft

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Nach fast drei Jahren ist der Einsatz deutscher Patriot-Flugabwehrsysteme im Süden der Türkei endgültig zu Ende gegangen. Bereits am (gestrigen) Dienstag verließ ein dänischer Frachter mit den letzten Fahrzeugen der deutschen Flugabwehrtruppe den türkischen Hafen Iskenderun, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Mit der Verlegung nach Iskenderun hatte der NATO-Einsatz Active Fence Turkey (AF TUR) am 8. Januar 2013 begonnen; die deutschen Staffeln meldeten am 28. Januar 2013 ihre Einsatzbereitschaft.

Vor diesen drei Jahren, als die Patriot-Einheiten aus Deutschland, den USA und den Niederlanden ihre Stellung nahe türkischer Großstädte im Süden des Landes bezogen, war die Einschätzung der Lage dort an der syrischen Grenze noch eine andere. Die Türkei hatte in der NATO erfolgreich darum geworben, dass Bündnispartner sie im Kampf gegen die – mögliche – Gefahr für ihr Territorium durch syrische Raketen unterstützten: Der Bürgerkrieg in Syrien war in vollem Gange. Die Forderung, gegnerische Raketen abzuschießen, konnten angesichts des Rüststandes ihrer Systeme nur die drei Länder erfüllen – auch wenn die Top-Fähigkeit der Bundeswehr-Staffeln, die modernsten Raketen vom Typ PAC3 einzusetzen, durch die Zahl von 24 dieser Flugkörper in deutschen Beständen etwas limitiert war.

Aber um einen tatsächlichen Einsatz, eine tatsächliche Nutzung der Flugabwehrsysteme ging es eher nicht – sondern um eine Demonstration der Bündnissolidarität. Die für die beteiligen deutschen wie niederländischen Einheiten nicht so ganz einfach war; für einen Rund-um-die-Uhr-Einsatz über einen so langen Zeitraum waren weder Material noch Personal ausgelegt. Der Verschleiss im materiellen Sinn wie in der Belastung der Soldaten war das Hauptproblem; syrische Raketen galt es faktisch nie abzuwehren.

Im September vergangenen Jahres kündigten die Niederlande – aus technischen Gründen – den Abzug ihrer Patriot an, im Januar 2015 waren sie weg. Auch die USA zogen in diesem Jahr ab, die Bundesregierung kündigte im August ein Ende des Einsatzes mit dem Auslaufen des Mandats im Januar 2016 an: Hintergrund war eine Einschätzung der NATO vom Juni, wonach die Bedrohung für das türkische Territorium durch ballistische Raketen aus Syrien als sehr niedrig bewertet wird.

Nur die Spanier, die nach den Niederländern die Lücke teilweise geschlossen hatten, erklärten die Bereitschaft, mit ihren Systemen auch länger in der Türkei präsent zu sein. Wie viel praktischer Nutzen damit verbunden ist, ist allerdings fraglich – die spanischen Systeme sind nicht auf dem Rüststand wie die abgezogenen Patriot aus Deutschland, den Niederlanden und den USA.

Aber die Situation an der Südostflanke der NATO ist ja auch längst eine ganz andere als vor drei Jahren. Als Problem gelten nicht mehr in erster Linie der syrische Präsident Bashir Assad und der Bürgerkrieg im Land, sondern die islamistischen ISIS-Milizen in Syrien und im Irak. Die Türkei scheint sich weniger mit Syrien aufzuhalten, sondern hat erneut den Kampf gegen kurdische Organisationen in den Nachbarländern und auf eigenem Territorium aufgenommen. Und die türkische Basis Inçirlik wird als Ausgangspunkt für Luftangriffe der Anti-ISIS-Koalition gebraucht.

Die Bundeswehr hat ein Video vom Abzug veröffentlicht:

(Foto: Soldaten des 9. Deutschen Einsatzkontingents AF TUR (Active Fence Turkey) verlegen am 13.12.2015 Kraftfahrzeuge mit Patriot-Startgeräten aus dem Einsatzraum an den Mittelmeerhafen Iskenderun, Türkei – Bundeswehr/Torsten Meynle)