Wieder Ärger mit dem Eurofighter: Falsche Bohrungen, überspannte Elektronik

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Die Luftwaffe hat erneut Ärger mit dem Eurofighter, ihrem modernsten Kampfflugzeug. Wie bereits vor einem Jahr wurden fehlerhafte Bohrungen an Verbindungsstellen am Rumpf entdeckt, und wie vor einem Jahr setzte die Bundeswehr die Abnahme neuer Serienflugzeuge vorerst aus. Darüber hinaus wurde ein weiterer Fehler in der Bordelektronik entdeckt, der zwar durch den Einbau neuer Teile behoben werden kann, aber die Nachrüstung aller bisher ausgelieferter Eurofighter erfordert.

Über die entdeckten fehlerhaften Bohrungen, einen Fertigungsmangel, hatte das Verteidigungsministerium das Parlament am (gestrigen) Montag informiert. In dem Schreiben, das Augen geradeaus! vorliegt, heißt es unter anderem:

Die Industrie hat die Eurofighter Partnernationen unterrichtet, dass neuerlich ein Fertigungsmangel bei der Produktion des Eurofighter festgestellt wurde. Dieser Mangel besteht im Bereich der Verbindung zwischen dem Seitenleitwerk und dem Rumpf des Luftfahrzeuges. Es wurden Bohrungen nicht spezifikationskonform gesenkt und entgratet.

In der Folge dieses Mangels kann eine Schädigung der Struktur des Luftfahrzeuges und der Schraubverbindungen in diesem Bereich im Rahmen der Nutzung nicht ausgeschlossen werden. Von diesem Fertigungsmangel sind alle ausgelieferten Luftfahrzeuge der Tranchen 1 bis 3A betroffen. (…)
Die Abnahme weiterer Serienluftfahrzeuge wurde vor dem Hintergrund der erforderlichen Klärung des Sachverhalts zunächst ausgesetzt. (…) Durch regelmäßige Überprüfungen im laufenden Betrieb wird dieser Sachverhalt überwacht und hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Flugbetrieb unserer Eurofighter Flotte.

Das neue Problem, über das zuerst die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) berichtete, klingt fast genau so wie ein vor gut einem Jahr bekanntgewordenes Problem mit dem Kampfjet. Ende September 2014 hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass die Industrie bei einer Qualitätskontrolle einen Herstellungsfehler an einer großen Anzahl von Bohrungen am Rumpfhinterteil des Luftfahrzeuges Eurofighter festgestellt habe. Eine Folge war, dass die zugelassene Lebensdauer der Maschinen vorerst halbiert wurde, außerdem nahm die Luftwaffe ebenfalls vorerst keine weiteren Serienflugzeuge mehr ab.

Der damalige stellvertretende Ministeriumssprecher erläuterte den Sachstand Anfang Oktober 2014 so:

Der Industriehersteller ist BAE Systems in England. Sie müssen wissen, dass beim Eurofighter die vier Nationen jeweils ein Bauteil übernehmen, das in der jeweiligen Nation hergestellt wird. Die Endmontage dieser verschiedenen vier Bauteile findet in England, Deutschland, Italien, Spanien und dann in der Nation statt, die der Endnutzer für das jeweilige Flugzeug ist.
Speziell der englische Hersteller hat festgestellt, dass er am Rumpf bei sogenannten Nieten Bohrungen vorgenommen hat, die nicht den „design criterias“ entsprechen, also den Bedingungen, die sich der Hersteller selbst auferlegt hat. Das ist ärgerlich; das gebe ich zu. Aber es ist berechtigt und auch sinnvoll, dass der Hersteller sagt: Ich will einfach weiter überprüfen, ob das überhaupt Konsequenzen hat. Es kann sein – es ist eine sehr komplexe Technik -, dass es hier vielleicht gar keine Konsequenzen hat, dass man diese Bohrungen so vorgenommen hat, wie man sie vorgenommen hat. Das gilt es eben jetzt zu überprüfen.
Der Hersteller hat selbst gesagt, dass er ein Testmodell auflegen wird, das Tag und Nacht mit diesen Bohrungen so getestet wird, um zu sehen, was sich daraus langfristig ergibt oder vielleicht ergibt sich daraus überhaupt gar kein Problem.

Da wieder der Rumpf der Maschine betroffen ist, dürfte es sich um den selben Hersteller handeln – und somit um eine Fortsetzung des damaligen Problems.

Den 2014 bekannt gewordenen Mangel löste die Luftwaffe dadurch, dass mit der Industrie ein Abschlag von 400.000 Euro für jede danach zu liefernde Maschine vereinbart wurde. Außerdem sicherte die Herstellerfirma zu, für mögliche Folgekosten aufzukommen.

Allerdings sind die falschen Bohrlöcher nicht das einzige Problem, das den Eurofighter plagt. So konnten im vergangenen Jahr kein einziges der geplanten vier Flugzeuge der Tranche 3a übernommen werden: Neben dem Bohrungs-Fehler wurde ein neuer Fehler in der Elektronik festgestellt, heißt es in dem regelmäßigen Sachstandsbericht Eurofighter für das Jahr 2014, der den Abgeordneten im September dieses Jahres zuging. Die so genannte Overvoltage sei aufgrund eines konstruktiven Auslegungsmangels entstanden.

Die Überspannungsproblematik mit Auswirkung auf die Gleichstromversorgung der Kampfflugzeuge konnte nach Angaben des Verteidigungsministeriums zwar durch Austausch eines Bauelements beseitigt werden. Versuchsergebnisse hätten bestätigt, dass dieser Fehlerfall durch den Einbau einer modifzierten Steuereinheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Allerdings betreffe dieses Problem keineswegs nur die modernsten Flugzeuge der Tranche 3 a – sondern alle bereits ausgelieferten Eurofighter. Deshalb sei geplant, so das Ministerium, alle Luftfahrzeuge nach Abschluss der Qualifikation mit modifizierten Steuereinheiten nachzurüsten.

Der Flugbetrieb mit den bislang bei der Bundeswehr vorhandenen Maschinen, versicherte ein Ministeriumssprecher am Montagabend auf Anfrage von Augen geradeaus!, sei weder im Übungsbetrieb noch im derzeit laufenden Einsatz beim Baltic Air Policing in Estland gefährdet.

Nachtrag: Am Dienstagabend hat die Süddeutsche Zeitung nachgelegt und von einem weiteren Problem berichtet:

Beim Kampfflugzeug Eurofighter gibt es weitere Pannen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fiel bereits Ende vergangener Woche bei einem der im Baltikum stationierten Jets der Bundeswehr ein Außentank ab. Das Flugzeug befand sich zu diesem Zeitpunkt noch am Boden.
Als Konsequenz dürfen die Bundeswehr-Eurofighter in Deutschland derzeit nur ohne Außentanks fliegen

(Archivbild 2014: Eurofighter beim Start zu einem Übungsflug in Ämari/Estland)