Russische Marine greift in Syrien ein – vom Kaspischen Meer aus
(Crosspost – wg. technischer Probleme am 7.10 hier veröffentlicht; dort auch Kommentare dazu)
Ob es aus militärischer Sicht sinnvoll und erfolgreich war, wird sich noch zeigen, aber erst einmal ist es eine Demonstration militärischer Fähigkeit: Die russische Marine beteiligt sich an den Angriffen auf (Rebellen)Stellungen in Syrien – vom Kaspischen Meer aus, also über eine Entfernung von mehr als 1.000 Kilometern:
Four Russian Navy warships have fired a total of 26 missiles at the position of the terrorist group Islamic State in Syria, Russia’s Defense Minister Sergey Shoigu announced. The missiles were fired from the Caspian Sea.
“Four missile ships launched 26 cruise missiles at 11 targets. According to objective control data, all the targets were destroyed. No civilian objects sustained damage,” Shoigu said.
(…)
The missile attacks came from Russia’s fleet in the Caspian Sea, which borders Russia, Iran and three other littoral countries.
berichtet der russische Sender RT.
Damit greift Russland auf eine Weise in einen Konflikt ein, der bislang nur von den USA bekannt war: Immer wieder haben US-Kriegsschiffe aus internationalen Gewässern Marschflugkörper über große Distanzen ins Ziel gebracht.
Bei ihrem Weg nach Syrien mussten die russischen Marschflugkörper, vermutlich abgefeuert von einer Korvette der Kaspischen Flotte, den Luftraum des Iran und des Irak durchqueren. Das dürfte die Zustimmung dieser Länder voraussetzen.
Vor kurzem gab es bereits Berichte über die neuen Waffensysteme mit dem russischen Namen Kalibr (wobei ich bislang noch nicht die Bestätigung gesehen habe, dass es sich in diesem Fall um dieses System handelt). Diese auch als Marineversion verfügbaren Mittelstreckenraketen sollen sowohl konventionell als auch nuklear bestückbar sein.
Nachtrag: Das russische Verteidigungsministerium hat dazu ein Video veröffentlicht, dass den Abschuss von Marschflugkörpern zeigt – und ihren Flugweg als Grafik:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=iMasnaAf_H4?rel=0&w=500&h=281]
(Direktlink: https://youtu.be/iMasnaAf_H4)
Nachtrag 2: Offizielle Informationen dazu vom russischen Militär:
Chief of the Main Operational Directorate of the General Staff of the Russian Armed Forces Andrei Kartapolov told about the results of usage of cruise missiles against militants in Syria
Cruise missile strikes held from the south-west part of the Caspian Sea against militants in Syria have been agreed on by Russia and its partners beforehand. This was stated today by the Chief of the Main Operational Directorate of the General Staff of the Russian Armed Forces Colonel General Andrei Kartapolov.
Andrei Kartapolov told that on October 5-6, the Russian reconnaissance had discovered a number of important objects of militants, which were to be destroyed immediately and explained that their engagement had been decided to be carried out with the use of long-range cruise missiles.
He emphasized that the cruise missile strikes had been agreed on with the Russian partners beforehand.
Andrei Kartapolov also reminded that the Russian party had already announced its “plans to build-up the intensiveness of strikes against the ISIS and Jabhat al-Nusra objects”.
Andrei Kartapolov mentioned that in order to provide security for civil population, the flight corridor for cruise missiles had been planned over uninhabited areas. The strikes engaged plants producing ammunition and explosives, command centres, storages of munitions, armament and POL as well as a training camp of terrorists on the territory of the Raqqah, Idlib and Aleppo.
According to him, engagement of these facilities reduces the mobility of militants and deprives them of the ability to perform heinous terrorist attacks.
Missile ships Dagestan, Grad Sviyazhsk, Veliky Ustyug and Uglich performed the launches.
All the assigned targets have been engaged.
During his meeting with journalists, Andrei Kartapolov stressed that all the targets had been properly analyzed using the data received from space and radio reconnaissance, communications interception, and photos made by UAVs. Data collected by intelligence of Syria, Iran and Iraq, including human intelligence, was also used.
He also explained that the strikes were carried out only against verified targets. Each strike is preceded by a long and thorough preparation.
The special file on each facility is prepared before the strike.
Andrei Kartopolov said that the final decision on elimination of targets was made only after the analysis of all the data and computer simulation of the strikes. Aviation targeting was made according to the same algorithm.
He stressed that modern high-accuracy munitions were used in Syria. High-accuracy engagement is reached by complex use of such munitions with hi-tech armament systems.
Andrei Kartopolov stated that the maximum deviation did not exceed 5 metres.
He also noted that Russia had repeatedly cancelled strikes against the terrorists “just because they left their bases and camps and sheltered as a rule in inhabited areas and in close proximity to religious institutions”.
Andrei Kartapolov mentioned that nevertheless, the Russian Armed Forces were being accused of hitting civilian facilities and mosques.
He stressed with full responsibility that objects situated in inhabited areas were not considered as targets.
According to Andrei Kartapolov, Russia suggested its partners to share locations of the “Islamic State” objects but there was still no answer.
Andrei Kartapolov stated that it shows that either the partners did not have the coordinates or they did not want us to make strikes against ISIS; the reason remained unclear.
(Foto: Screenshot aus dem russischen Video)
http://visual.ly/russian-navy?utm_source=Community&utm_medium=SocialMedia&utm_campaign=TweetShare
Übersicht zu den RUS Flotten, getrennt nach
– Ostsee
– Nordmeer
– Schwarzes Meer
– Pazifik und aktuell
– Kaspisches Meer.
Braucht RUS zum Überflug seiner Marschflugkörper eigentlich „Überflugrechte“, hier Iran/Irak?
Ja, braucht es rein rechtlich wohl. Was die normative Kraft des Faktischen betrifft kann es aber anders sein. Ich gehe aber davon aus, das beide Länder beteiligt wurden.
vgl. dazu die oben eingestellte Erklärung des russischen Militärs:
Ein kleiner Nebenaspekt ist natürlich, dass rein logistisch die russischen Luftschläge viel effektiver sind aus 2 Gründen: viel kürzere Anmarschwege von Latakia aus in die syrischen Zielgebiete, damit längere Stehzeiten above target areas und hinzu kommt, dass die turn-around-Zeiten der „minderwertigen“ russischen Flugzeuge deutlich kleiner sind als die der westlichen high-tech-Boliden wie F-22 etc. Rußland hat also eine bessere Raum-Zeit-Kräfte-Relation als die Ant-IS Koalition, hinzu kommt der Vorteil der kleinen und großen Inneren Linie, wie die Russen eindrucksvoll durch den SLCM-Einsatz aus dem Kaspischen Meer bewiesen haben im Einvernehmen mit Iran und Irak.
@T.Wiegold | 08. Oktober 2015 – 11:27
„have been agreed on by Russia and its partners beforehand“
Naja, sind der Irak und der Iran wirklich die Partner? Oder ist ggf. nur Syrien gemeint? Dort schlagen die Dinger ja schließlich ein…
@KPK: Marschflugkörper sind mit Marschtriebwerken (Turbo-Jet -Engines oder Staustrahl-Triebwerke) ausgerüstet. Als „luftatmende Triebwerke“ fliegen diese, ungeachtet ihres Tief- und/oder Konturenflugs in der Endflugphase (dabei i.d.R. raketenbetrieben) technisch bedingt in max. ca. 40 km Höhe (Scram-Jet) und deshalb in jedem Fall unterhalb der „Kármán-Linie“ (= ca. 100 km Höhe als die gedachte Grenze zum Weltraum, welcher kein hoheitlicher Luftraum mehr ist). Folglich – wie von @T.W. bereits im Thread-Header angedeutet – ist die Einholung von Überflugrechten erforderlich (im gegebenen Fall und bei kürzesten Flugwegen nach Syrien könnten das je nach Abschußort , Iran, Irak und auch Azerbaijan sowie die Türkei sein).
@Fussgaenger – 08. Oktober 2015 – 12:15
Russland betreibt mit Syrien, Iran und Irak zusammen in Bagdad ein sogenanntes „Koordinierungszentrum zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat“.
Daher wohl: Ja.
@ klabautermann
Ist halt die Frage, was man wie man misst. Ausserdem meinen Sie vermutlich effizienter, nicht effektiver.
Es gilt halt auch:
– An ISIS sind die Russen auch nicht näher dran.
– Die US-Koalition verfügt wenn ich nicht irre über grob die zehnfache Zahl Flugzeuge.
– Die US-Koalition fliegt halt großteils gegen Daesh, die Russen und SAA in weniger als 10% der Einsätze.
– Verbreiteterer Einsatz von Lenkwaffen in der US-Koalition
Der genutzte FK war wohl „Klub“. Diesen Typ versuchen die Russen seit längerem aggressiv zu vermarkten, sehr zum Mißfalllen der Inder die an den avisierten Kundenkreis lieber „Brahmos“, ein indisch-russisches Gemeinschaftsprojekt, verkaufen wollen.
Bei den Schiffen handelt es sich auch um zwei „Export Klassen“, eine kleine Fregatte und drei FK-Korvetten bzw. große Schnellboote. Bisher war „Klub“ für die Gepard-Klasse nicht bestätigt. Auch die Buyan-M Klasse hatte keinen „combat record“.
Hier ging es wohl nicht um die Waffenwirkung, die hätte man auch „ökonomischer“ haben können. Auch hatte dies eine lange Vorlaufzeit da die Schiffe im Kaspischen Meer mit den Landzielflugkörpern beladen werden mussten, die Standardbewaffnung für so kleine Schiffe die in einem isolierten Randmeer die EEZ verteidigen sind doch eher Seezielflugkörper (selber Typ aber andere Ausführung, nicht wie bei RBS15Mk3 mit Doppelrolle). Evtl. mussten auch die Schnittstellen an Bord angepassst werden.
Das „Klub“ und die zwei Exportprojekte des Zelenodolsk Werftkomplexes „Schub“ auf dem Exportmarkt bekommen war wohl eigentliches Ziel dieser Aktion. Natürlich macht sich das „wir können wie die Amis“ auch gut.
Stehen die Chinesen vor dem Eingreifen an der Levante?
http://www.debka.com
Demnach ist der CHI Träger Liaoning-CV-16 mit J-15 Jabo seit dem 02. Oktober auf dem Weg ins ostwärtige Mittel immer.
http://www.debka.com/article/24926/Chinese-warplanes-to-join-Russian-air-strikes-in-Syria-Russia-gains-Iraqi-air-base
Absicht soll sein, sich an den RUS Angriffen zu beteiligen. Ebenso ungewöhnlich, der irakische Premierminister Haider al-Abadi, begrüßt eine mögliche Stationierung RUS Truppen auf irakischen Boden zum Kampf gegen Daesh. (Leere) Drohung Richtung Washington, um U.S.-Truppen – wieder – ins Land zu holen, oder ernsthafte Offerte an Putin. Dazu passte dann zusätzlich, dass der RUS Lw die Nutzung der Al-Taqaddum Air Base in Habbaniyah, 74 km westlich Baghdad angeboten wurde.
Sollte es so kommen, zeichnet sich im Nahen Osten nicht nur ein Paradigmenwechsel ab. Washington wäre nur noch im KSA und den Emiraten vertreten.
Hm.
laut CNN sind russische Marschflugkörper auf dem Weg nach Syrien im Iran detoniert.
(Kriege den Link leider am Handy nicht kopiert…)
http://edition.cnn.com/2015/10/08/politics/russian-missiles-syria-landed-iran/index.html
Unbekannt wo sie ggf niedergingen.
@TBR
wow vielen dank für ihren Beitrag. sehr informativ!
Dann stelle ich doch meinen gestern im Ausweichbetrieb eingestellten Kommentar hier noch mal ein:
Bei dem Lenkflugkörper handelt es sich wohl um eine Version der SS-N-27. Modelle die für den Einsatz bei den russischen Streitkräften vorgesehen sind werden „Kalibr“ genannt, die Exportversionen sind unter dem Namen „Klub“ bekannt. Ursprünglich als Seezielflugkörper konstruiert, ähnlich wie die Harpoon, stellt die Version 3M14 unter der NATO-Bezeichnung SS-N-30 einen Marschflugkörper mit einer Reichweite von etwa 2.500 km dar.
https://de.wikipedia.org/wiki/SS-N-27_Sizzler
https://en.wikipedia.org/wiki/3M-54_Klub
Und als kleiner Nachtrag noch ein nach Deutschland geflüchteter Arzt über die durch Russland bombardierten medizinischen Einrichtungen in Syrien:
Dr. Ammar Zakaria, a Syrian doctor who recently fled to Germany after years of being targeted for his medical work in the country, said he doesn’t believe the Russians are purposely targeting hospitals, but rather are bombing based on information provided by the Syrian government.
[…]
“The UN gave the regime the location of our hospitals; a week later the regime targeted all the hospitals, one missile each,” said Zakaria, adding that he doesn’t think the UN had bad intentions.
http://www.thestar.com/news/world/2015/10/05/russians-blamed-for-attack-on-syrian-hospital.html
Primärziel war nicht Syrien. Primärziele waren Washington, Brüssel, Ankara, Riad. Dort sind die Flugkörper eingeschlagen.
Die Stationierung von cruise missles auf See macht Sinn: An Land sind sie durch den INF Vertrag in der Reichweite (des Flugkörpers) beschränkt. Auf See nicht. Also stationiert man sie auf See. Für Rußland machen momentan eher kleine Einheiten in Randmeeren Sinn, für die USA traditionell große ozeangängige Einheiten. Also stellt Rußland kleine, kostengünstige Raketenträger in einem Binnenmeer auf, von dem aus sie den ganzen Mittleren Osten bis Ankara und Riad ins Viser nehmen können. Analog vom Schwarzen Meer und der Ostsee aus alle östlichen NATO-Staaten, plus Skandinavien, Dänemark, Deutschland, ohne ihre Hoheitsgewässer verlassen zu müssen.
Die Regionalmacht ist back on stage, und hat auch gleich ihre Spielzeuge mitgebracht.
Jetzt kann Assad nicht mehr verlieren, weil die Russen nicht verlieren können.
Damit kann sich die Krise noch Jahre hinziehen.
Die eingesetzten Marschflugkörper war vom Typ KALIBR-NK / P-900 mit FK 3M-14TE. Er wird auch als SS-N-30B SIZZLER oder / KLUB-N bezeichnet. Diese Version der Klub-Familie wird von Überwasserschiffen Schiffen gegen Landziele aus VLS verschossen. Das VLS der Korvetten im Kaspischen Meer jat 8 Zellen.
Das handelt sich um den ersten russischen seegestützten Marschflugkörper zum Angriff gegen Landziele. Er wurde 2012 getestet und danach auf bisher wenigen Schiffen in Dienst gestelltt. Diese Klub-N-Version ist nicht – wie öfter berichtet –
im Endanflug überschallschnell. Das macht eher für den Angriff auf Seeziele Sinn.
Seine maximale Reichweite mit konventionellem Sprengkopf dürfte im Bereich 1500 km liegen. Diese Version darf nicht mit den Exportversionen der Klub-Familie verwechselt werden, die aufgrund der Einhaltung des MTCR eine deutlich geringere Reichweite haben.
2600 km – wie auf Basis russischer Quellen gelegentlich erwähnt, fliegt der Flugkörper m.W. nur mit einem deutlich leichteren Nuklearsprengkopf.
Russland wollte mit diesem Einsatz sicher seine konventionelle Fähigkeit zum seegestützten Anfriff auf weit entfernte Landziele demonstrieren, eine Fähigkeit, die die USA (und GB) mit Tomahawk bereits seit Jahrzehnten besitzen. Für den Export ist das lediglich diesbezüglich „Werbung“. Ein Export der Versionen großer Reichweite kommt für Moskau nicht in Frage.
Das Marschflugkörper großer Reichweite gelegentlich unterwegs abstürzen (technische Probleme oder vergebliche Suche nach Wegpunkten) ist ein auch von den USA bekanntes Phänomen – man erinnere sich an Abstürze dieser Art in Pakistan auf dem Weg nach Afghanistan.
Mir fallen gerade wieder die Projektpläne ein, die eine gewisse Taurus Systems GmbH zu einem Marschflugkörper hatte…
http://www.taurus-systems.de/tsg/photos/taurus_ship.jpg
Aber nein, Mephisto Gefechtskopf für die Luftwaffe reicht, alles andere wäre ja sinnvoll gewesen!