Mängel beim G36: Keine Probleme im Gefecht

G36_nachtwei-kommission_jul2015

Offiziell wird es erst am (morgigen) Mittwoch mehrere Berichte der Kommissionen geben, die sich im Auftrag des Verteidigungsministeriums mit den Problemen des Sturmgewehrs G36, der Standardwaffe der Bundeswehr, beschäftigt haben. Bereits am (heutigen) Dienstag sind allerdings schon Details aus zwei Berichten durchgesickert. Eine mittlerweile wenig überraschende, dennoch interessante Erkenntnis: Die Kommission zur Untersuchung des Einsatzes des G36-Sturmgewehrs in Gefechtssituationen, geleitet von dem ehemaligen Grünen-Abgeordneten Winfried Nachtwei und dem früheren Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus, hat nach Aktenstudium und vor allem nach Befragung von Soldaten keine Hinweise darauf gefunden, dass Mängel bei der Treffgenauigkeit des Gewehrs zu Problemen in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr geführt haben oder gar Soldaten gefährdet hätten.

Die befragten Soldaten verneinten durchgängig, Präzisionsmängel im Gefecht festgestellt zu haben, heißt es nach einer Vorabmeldung der Sächsischen Zeitung in dem Bericht der Nachtwei-Kommission, der dem Blatt nach eigenen Angaben vorliegt. Auch hätten sich keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung von Soldaten aufgrund des Präzisionsverhaltens des G36 ergeben. Dagegen würden positive Erfahrungen mit der Waffe von den einsatzerfahrenen Soldaten hervorgehoben: Wir haben uns mit dem G36 im Feuerkampf stets überlegen gefühlt und dies insbesondere deswegen, weil wir uns mit verhältnismäßig geringem Munitionsansatz im Ziel auswirken konnten, zitiert die Zeitung einen Zugführer, der 2009 in Afghanistan im Einsatz war. Das so genannte Hinterhalt-Szenario mit Abgabe zahlreicher Schüsse in schneller Folge werde zudem von den befragten Soldaten als unrealistisch beurteilt.

Während der G36-Hersteller Heckler&Koch diesen Bericht beruhigt zur Kenntnis nehmen dürfte, sieht das mit dem Ergebnis einer weiteren Untersuchungsrunde vermutlich anders aus. Die Prüfgruppe ‚Geschäftsbeziehungen im Geschäftsbereich BMVg mit der Firma Heckler&Koch im Zusammenhang mit dem G36‘ kommt zu der Einschätzung, dass das Bundesamt für Ausrüstung, IT und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) im Umgang mit dem Unternehmen, dessen Produkte es abnehmen und überprüfen soll, ein nicht tolerables Führungsverhalten gezeigt habe. Aus dem Bericht von tagesschau.de:

Offene Türen zu Räumen mit vertraulichen Unterlagen und weitere Ungereimtheiten: Von „intolerablen Zuständen“ in der Bundeswehr-Prüfstelle auf dem Gelände des Waffenherstellers Heckler & Koch spricht ein interner Prüfbericht des Bundesverteidigungsministeriums.
Inakzeptabel. So bezeichnet ein interner Prüfbericht des Verteidigungsministeriums das Verhältnis zwischen Mitarbeitern der Bundeswehr und dem Unternehmen Heckler & Koch. Inakzeptabel klingt jedoch noch harmlos für das, was auf dem Gelände der schwäbischen Waffenschmiede offenbar stattgefunden hat. (…)
Doch in der alltäglichen Zusammenarbeit, so erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus Regierungskreisen, habe die räumliche Nähe aus Sicht der Prüfgruppe die professionelle Distanz vermissen lassen. Zwar könnten Spekulationen über Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit nicht bestätigt werden. Allerdings erfuhr die Prüfgruppe von einem Vorfall, der die Integrität der Beteiligten extrem in Frage stellt.
An einem Tag im Mai 2015 soll die Eingangstür zu den Räumlichkeiten der auf dem Firmengelände befindlichen Güteprüfstelle offen gestanden haben. Dort werden vertrauliche Unterlagen aufbewahrt, die Mitarbeitern von Heckler & Koch nicht zugänglich sein sollten. Die Schlüssel, so der Prüfbericht, würden durch die Heckler & Koch GmbH personenbezogen bereitgestellt. Die Mitarbeiter der Güteprüfstelle könnten sich den Vorfall nicht erklären und der Sachverhalt sei bis heute nicht aufgeklärt worden.

Mehr Einzelheiten aus den Berichten – und vermutlich auch die Berichte selbst – dann morgen.

Allerdings: Auch wenn die Nachtwei-Kommission keine Auswirkungen der ermittelten Treff-Mängel des G36 auf Einsätze und Gefechte festgestellt hat, ändert das an der Zukunft des Gewehrs in der Bundeswehr wenig: Dass dieses Sturmgewehr durch ein neues Modell ersetzt werden soll, auch wenn es Jahre dauern wird, ist beschlossene Sache. Die Erkenntnisse zum Umgang der Beschaffungsbehörde BAAINBw mit Heckler&Koch könnten dagegen schwer wiegendere Auswirkungen haben – zumal sie auch etwas mit der Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Kunde zu tun haben. Andererseits treffen sich ja beide Seiten ohnehin vor Gericht...