Mandat für Schleuserjagd im Mittelmeer: Details & Recht

SLH_EunavforMed20150731

Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch, wie angekündigt, das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der Ausweitung der EU-Militäraktion EUNAVFOR MED im Mittelmeer beschlossen, die den Kampf gegen Schleusernetzwerke in die nächste Phase bringen will. Dabei wird die Marine auch zum Einsatz von Gewalt ermächtigt. Und interessanterweise ist in dem Mandat, das jetzt dem Bundestag zur Billigung zugeht, auch eine Ermächtigung zur Weitergabe der erhobenen personenbezogenen Daten auch an nationale (Strafverfolgungs)Behörden enthalten – sollte es dafür bislang keine Grundlage gegeben haben?

Zur Dokumentation aus dem Mandatstext (der wird auch noch als Bundestagsdrucksache veröffentlicht, das kann aber ggf. etwas dauern):

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stimmt der von der Bundesregierung am
16. September 2015 beschlossenen Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU Operation EUNAVFOR MED zur Unterbindung des Geschäftsmodells der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen und zentralen Mittelmeer zu.
Das vorliegende Mandat betrifft die Phase 2 i) der Mission gemäß Artikel 2 Absatz 2 b), Unterpunkt (i) des Ratsbeschlusses (GASP) 2015/778 (Phase 2 i). Phase 2 i) beinhaltet im südlichen und zentralen Mittelmeer im Rahmen des anwendbaren Völkerrechts, einschließlich des Seerechtsübereinkommens und des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf Hoher See das Anhalten und Durchsuchen sowie ggfs. die Beschlagnahme und das Umleiten von Schiffen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Menschenschmuggel oder Menschenhandel benutzt werden.
Der Rat hat am 14. September 2015 festgestellt, dass die Voraussetzungen für den Phasenwechsel gegeben sind und der Übergang in die Phase 2 i) gemäß dem Beschluss des Rates (GASP) 2015/778 erfolgen kann. Über den konkreten Zeitpunkt des Übergangs wird das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) der EU befinden.
Es können bis zu 950 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden. Im Rahmen von Kontingentwechseln und in Notsituationen darf die Personalgrenze vorübergehend überschritten werden.
Die vorgesehenen Kräfte können eingesetzt werden solange ein entsprechender Beschluss des Rates der EU und die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegen, längstens jedoch bis zum 31. Oktober 2016.

2. Verfassungs- und völkerrechtliche Grundlagen
Die Deutschen Streitkräfte handeln bei der Beteiligung im Rahmen des anwendbaren Völkerrechts, einschließlich des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982, des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000, und des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000 in Verbindung mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union vom 18. Mai 2015 und 22. Juni 2015 (GASP 2015/778 und 2015/972).
Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dieser Phase der Operation EUNAVFOR MED erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 des Grundgesetzes.

3. Auftrag
Aus den unter Nummer 2 aufgeführten Grundlagen, dem Operationsplan von EUNAVFOR MED sowie den durch die EU festgelegten Einsatzregeln und nach Maßgabe des Völkerrechts ergibt sich für die Bundeswehr im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED folgender Auftrag:
• durch Sammeln von Informationen und durch Patrouillen auf Hoher See im Einklang mit dem Völkerrecht die Aufdeckung und Beobachtung von Migrationsnetzwerken zu unterstützen,
auf Hoher See Schiffe anhalten und durchsuchen, beschlagnahmen und umleiten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Menschenschmuggel oder Menschenhandel benutzt werden,
• zu Personen, die auf an der EUNAVFOR MED beteiligten Schiffen an Bord genommen werden, personenbezogene Daten zu erheben, wobei sich diese Daten auf Merkmale beziehen, die wahrscheinlich der Identifizierung besagter Personen dienlich sind, einschließlich Fingerabdrücke sowie folgender Angaben unter Ausschluss sonstiger personenbezogener Angaben: Name, Geburtsname, Vornamen, gegebenenfalls Aliasnamen; Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Geschlecht; Wohnort, Beruf und Aufenthaltsort; Führerscheine, Identitätsdokumente und Reisepassdaten,
• die Weiterleitung dieser Daten und der Daten zu den von diesen Personen benutzten Schiffen und Ausrüstungen an die einschlägigen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und/oder an die zuständigen Stellen der Union,
• die Mitwirkung an der Führung von EUNAVFOR MED unter Einschluss der temporären Führung der maritimen Operation,
• die Sicherung und der Schutz eigener Kräfte und sonstiger Schutzbefohlener.
Zudem gilt für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen fort.
(…)

6. Status und Rechte
Status und Rechte der im Rahmen der Operation EUNAVFOR MED eingesetzten Kräfte richten sich nach dem allgemeinen Völkerrecht, insbesondere nach
• dem Seerechtsübereinkommen der VN von 1982,
• dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000,
• dem Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000,
• den Bestimmungen der Beschlüsse des Rates der EU und den auf deren Grundlage getroffenen oder zu treffenden Vereinbarungen.
Die Anwendung militärischer Gewalt durch deutsche Einsatzkräfte erfolgt auf der Grundlage des Völkerrechts und wird durch die geltenden Einsatzregeln spezifiziert. Dies umfasst auch den Einsatz militärischer Gewalt zum Schutz eigener und anderer EUNAVFOR MED-Kräfte sowie im Rahmen der Nothilfe. Das Recht zur individuellen Selbstverteidigung bleibt unberührt.

7. Einsatzgebiet
Das Einsatzgebiet der Operation EUNAVFOR MED erstreckt sich über die Meeresgebiete südlich Siziliens vor der Küste Libyens und Tunesiens innerhalb der Region des mittleren und südlichen Mittelmeers. Hinzu kommt der Luftraum über diesen Gebieten.
Davon ausgenommen sind Malta sowie das umschließende Seegebiet innerhalb von 25 nautischen Meilen und die Territorialgewässer sowie das Festland Libyens.
Innerhalb dieses Einsatzgebiets wird auf Vorschlag des Operations-kommandeurs ein zur Erfüllung seines Auftrags zweckmäßiges Operations-gebiet (Area of Operation) für die Phase 2 i) im Operationsplan festgelegt.
Die Durchführung von Seenotrettungsmaßnahmen wird dadurch nicht beschränkt.
Angrenzende Räume und das Hoheitsgebiet von Staaten in der Region können zu den Zwecken „Vorausstationierung, Zugang, Versorgung sowie
Einsatzdurchführung“ mit Zustimmung des jeweiligen Staates und nach Maßgabe der mit ihm getroffenen bzw. zu treffenden Vereinbarungen genutzt werden. Im Übrigen richten sich Transit- und Überflugrechte nach den bestehenden internationalen Bestimmungen.

(Foto: Die Fregatte Schleswig-Holstein unterstützt drei italienische Patrouillenboote, die mehrere Boote mit Flüchtlingen am 31. Juli 2015 gerettet haben. Im Vordergrund das 27mm-Marineleichtgeschütz (MLG) der Fregatte – Bundeswehr/Norman Wald)