(Unvollständiger) Merkzettel: Die vergangenen zwei Wochen

Natürlich habe ich nicht angenommen, dass in meinem Urlaub gar nichts passiert – der Wiegold-Effekt ist ja nur zum Teil ein Mythos ;-)  Allerdings: Mit wenigen Ausnahmen gab es keine richtig großen Ereignisse aus dem, was hier im Blog Thema ist. Ist doch auch beruhigend.

Das größte sicherheitspolitische Ereignis war sicherlich die Bereitschaft der Türkei, gegen ISIS vorzugehen – auch wenn sich der Eindruck immer mehr verfestigt, dass die militärischen Aktionen im Wesentlichen den Kurden gelten und die Einsätze gegen ISIS-Stellungen oder -Infrastruktur eher nachrangig sind. Zu dem Thema hatte der OvWa dankenswerterweise einen Thread aufgemacht; dazu wird es in der nächsten Zeit sicher noch mehr geben.

Das andere Thema, das viel Wirbel ausgelöst hat, ist weniger ein Thema der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Aber die Ermittlungen gegen die Bloggerkollegen von netzpolitik.org wegen des Verdachts des Landesverrats beschäftigen natürlich besonders die Journalisten, die sich mit Sicherheitsfragen (in verschiedenen Bereichen) befassen. Dazu mehr unten.

Jenseits dieser beiden Punkte eine – sicherlich unvollständige – Liste von Merkposten. Jeder davon wäre ohne Urlaub vermutlich einen Eintrag wert gewesen. Unsortiert:

Afghanistan: Ende Juli wurde der Anführer der Taliban in Afghanistan, Mullah Omar, für tot erklärt – soll aber bereits 2013 gestorben sein. Zu den Auswirkungen der Bestätigung gerade jetzt Informationen von Thomas Ruttig. Und ein Blick auf die nach wie vor desolate Sicherheitslage am Hindukusch, in einem Bericht von TOLO News: Civilian Casualties Up as Security Operations Drop: Report

Ukraine: Auch wenn hierzulande derzeit wenig davon zu lesen ist – von einer Waffenruhe ist der Osten des Landes noch weit entfernt, wie ein Blick auf ein paar Berichte der OSZE-Beobachtermission zeigt: 4. August, 3. August, 1. August, 31. Juli.

Exercise Watch: Offensichtlich angesichts der Ukrainekrise gibt die Bundeswehr mehr Geld für Übungen aus; nach einer dpa-Meldung sind es in diesem Jahr 20 Millionen Euro zusätzlich. Und, auch das wird kaum wahrgenommen: Neben den Großübungen, die viel Aufmerksamkeit erfahren, laufen auch mit deutscher Beteiligung die ganze Zeit Manöver im Osten des NATO-Gebiets.

• Trotz der Zunahme von russischen Militärflügen nahe dem – aber nicht im – Luftraum der baltischen Staaten und damit der NATO plant das Bündnis eine Verringerung der Luftraumüberwachung über Estland, Lettland und Litauen, dem so genannten Baltic Air Policing, das jeweils von anderen Mitgliedsländern gestellt wird. Nachdem die seit mehr als zehn Jahren bestehende Abordnung von jeweils vier Kampfjets im vergangenen Jahr auf 16 erhöht wurde, soll sie künftig auf acht reduziert werden – und ab Herbst ist wieder die deutsche Luftwaffe mit vier Eurofightern dabei:

• In Mali hat die Bundeswehr Ende Juli das Kommando über die EU-Trainingsmission EUTM Mali übernommen. Zu diesem Anlass reiste Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in das westafrikanische Land und verwies bei der Kommandübergabe auf den Friedensprozess. Der allerdings nach einem Angriff von Islamisten auf malische Soldaten am vergangenen Montag, bei dem elf Menschen starben, wieder infrage zu stehen scheint.

• Die Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann (Deutschland) und Nexter (Frankreich) haben ihre angekündigte Fusion vereinbart. Angesichts der Befürchtungen vor allem in Deutschland, damit sollten deutsche Rüstungsexportbestimmungen ausgehebelt werden, plant die Bundesregierung einen flankierenden Staatsvertrag mit Frankreich.

• Es hat zwar vor allem mit dem Kampf gegen ISIS zu tun, ist aber auch eine auffällige rüstungspolitische Entscheidung: Großbritannien wird seine Tornado-Flotte länger als geplant in Dienst halten, um die Jets für Luft-Boden-Angriffe auf ISIS-Stellungen zur Verfügung zu behalten. Die Eurofighter, die die Royal Air Force bereits in der Luft-Boden-Rolle einsetzte, scheinen nicht ausreichend zur Verfügung zu stehen – oder den Anforderungen nicht zu genügen.

• Angeblich, so heißt es in britischen Berichten (danke für den Leserhinweis), stünden britische Truppen für einen Einsatz in Libyen, eine peacekeeping mission, bereit – vor allem für den Kampf gegen ISIS in dem nordafrikanischen Land und ebenso angeblich zusammen mit deutschen Soldaten. Mysteriöserweise gibt es dazu nichts Belastbares; aber dem muss man wohl mal nachgehen.

• Neues von den Cyberkriegern der Bundeswehr meldete netzpolitik.org, bevor diese Meldung im Wirbel um den Landesverrats-Vorwurf gegen dieses Blog unterging. Das von netzpolitik veröffentlichte Papier sollte aber nicht untergehen.

• Und damit zum die Nachrichten beherrschenden Thema dieser Tage, den Ermittlungen gegen zwei Journalisten von netzpolitik.org unter dem Vorwurf des Landesverrats. Die zu Grunde liegenden Fakten, die politischen Auseinandersetzungen und Folgen werden in praktisch allen Medien ausführlichst geschildert; das muss ich hier nicht doppeln. Entscheidend ist für mich eines: Wie sehr steckt hinter der Strafanzeige des Verfassungsschutzes und den Ermittlungen die Absicht, Journalisten insgesamt einzuschüchtern und von Veröffentlichungen abzuhalten?

Mir ist schon klar, dass der Umgang mit eingestuftem Material auch unter meinen Lesern sehr unterschiedlich gesehen wird – in einer Mail, die zu Beginn meines Urlaubs einging, beklagte sich ein Leser über die Debatte in den Kommentaren zum UNIFIL-Einsatz des Schnellbootes Hyäne:

Auch wenn die Daten des Transits per AIS öffentlich zugänglich sind, ergibt sich meiner Meinung nach durch die Bewertung und die Prognosen über den weiteren Verlauf des Einsatzes durchaus ein einstufungswürdiger Inhalt.

Äh, nein. Siehe mehrere höchstrichterliche Entscheidungen. Und wenn ich nicht mal öffentlich zugängliches Material verwerten darf, soll ich nur Pressemitteilungen abschreiben und alles von der Obrigkeit billigen lassen? Das kann’s nicht sein, und das ist auch nicht so ganz mit dem Grundgesetz vereinbar. (Mal ganz davon abgesehen ein praktischer Hinweis: öffentliches Material auswerten und ihre Schlüsse ziehen können auch fremde Dienste, die brauchen dazu keine deutschen Medien.)

Ob die Debatte über den Fall netzpolitik.org hier auf Augen geradeaus! geführt werden soll, darüber bin ich mir noch nicht sicher – es ist ein Thema für mich als Journalist in einem Bereich mit Sicherheitsbezug, kein direktes verteidigungspolitisches Thema. Mich betrifft es, weil – und so war es vermutlich auch beabsichtigt – jeder Journalist jetzt zumindest überlegt, ob er sich in den Bereich einer, nennen wir es besonderen staatlichen Fürsorge begibt. Und dass ist das Fatale. (Ich glaube, ich mache auf WiegoldZwo einen Thread dazu auf, weil das hier den Rahmen sprengt…)

Alles oben sind Merkposten. Zu dem einen oder anderen wird bestimmt noch mehr kommen.