Reizthema Hubschrauber NH90: „Gefährliches Halbwissen“

Hubschrauber sind offensichtlich ein hochgradig emotionales Thema, nicht nur hier bei Augen geradeaus!, sondern auch in der Truppe und bei allen anderen, die mit Drehflüglern zu tun haben. Das führt dann bisweilen zu sehr merkwürdigen Ergebnissen. So hatte sich im vergangenen Jahr der Kollege Gerald Traufetter vom Spiegel mit dem KPMG-Gutachten für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen befasst und dabei auch bei Randthemen im Bereich des Hubschrauberprojekts NH90 Problemhinweise entdeckt:

In dem 1500 Seiten starken Bericht der KPMG-Prüfer finden sich haarsträubende Details zu weiteren Pannen, die sich bei der Entwicklung neuer Waffensysteme ereignet haben. Gehäuft treten sie auf beim Transporthubschrauber NH90. Das anschaulichste Beispiel dafür sind die Helme der Piloten. Die „physiologisch ungünstige Schwerpunktlage des Helmsystems“, so schreiben die Gutachter auf Seite 492, führe dazu, dass die Piloten „tageweise nicht am Flugdienst teilnehmen können“.

Solche Berichterstattung scheint bei manchem zu schnittfestem Schaum vor dem Mund zu führen. Aber gegen die Presse kann man ja was tun –  andere Journalisten dagegen in Stellung bringen. Wie zum Beispiel den so genannten Newsletter Verteidigung, in dessen jüngster Ausgabe in einer lobende Eloge auf den NH90 zu lesen ist:

Blogger, wie ›Augen geradeaus‹, lancieren gefährliches Halbwissen

(…)
Wie NV Hauptstadt-Korrespondent Volker Schubert ebenso aus Heeresfliegerkreisen und von flugdienst-medizinischen Experten erfuhr, sei man geradezu verwundert über die im Herbst letzten Jahres in Printmedien wie im Internet lancierten Meldungen, dass der spezielle, Nachtsichtfähigkeit ermöglichende und Infrarotbilder ins Visier einspielende Pilotenhelm – Binocular Helmet Mounted Sight and Display (HMSD) – den die Luftfahrzeugführer im NH90 tragen, wegen seines Gewichts zu massiven gesundheitlichen Problemen der Nackenmuskulatur führen würden.
So manche Behauptung, wie man sie zumeist in Blogger-Plattform wie ›Augen geradeaus‹ vorfinde, seien völlig überzogene Darstellungen. Hier werde von selbsternannten Sicherheitsexperten offensichtlich gefährliches Halbwissen verbreitet, weil solche fragwürdigen Kampagnen natürlich die Klickzahlen erhöhen würden.

Oh ja. Journalisten verbreiten gefährliches Halbwissen, um ihre Klickzahlen zu erhöhen, indem sie aus einem Gutachten für die Verteidigungsministerin zitieren.

Übrigens, den Helm hatte ich bei Augen geradeaus! auch aufgegriffen – aber nicht wegen des Gewichts, sondern wegen der Lärmbelastung. Und zwar lange vor dem KPMG-Gutachten. Das mit dem Gewicht, das muss ich dem Spiegel-Kollegen neidlos lassen, hat er gefunden. Deshalb ist mir nicht ganz klar, warum dieser Newsletter auf mich einschlägt.

Aber dafür gibt’s bestimmt eine sachliche Erklärung. Ebenso für die Frage, warum dieser Newsletter, der eigentlich nur an zahlende Abonnenten versandt wird, über den Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie öffentlich zum Abruf bereitsteht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es was damit zu tun hat, dass der Präsident des Bundesverbandes im Hauptberuf der Chef von Airbus Defence&Space ist.

(Nein, diesmal keine Kommentare. Sonst bin ich das ganze Wochenende nur mit Moderieren beschäftigt.)