Eurofighter-Learjet-Kollision: Auch Fehler im System

ÄMARI/ESTLAND  10SEP14 - Ein Kampfjet der deutschen Luftwaffe vom Typ Eurofighter eskortiert ein Passagierflugzeug; in diesem Fall eine Maschine der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums, über Estland. Im Rahmen des 'Air Policing', der Luftraumüberwachung der NATO, sind Eurofighter der deutschen Luftwaffe von September bis Dezember 2014 auf der Luftwaffenbasis Ämari in Estland eingesetzt. Die NATO hatte vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise beschlossen, zur Unterstützung der baltischen Staaten und Bekräftigung der Bündnisverteidigung zusätzliche Kampfjets anderer Bündnismitglieder ins Baltikum zu verlegen. Foto Thomas Wiegold

Vor gut einem Jahr stießen über dem Sauerland ein Eurofighter der Luftwaffe und ein Learjet der Gesellschaft für Flugzieldarstellung bei einer Abfangübung zusammen; die beiden Piloten des Learjets kamen dabei ums Leben. Da das Zieldarstellungs-Flugzeug zivil zugelassen war, fiel der Unfall in die Zuständigkeit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU). Die hat am (heutigen) Dienstag ihren Bericht veröffentlicht, daraus geht hervor: es gab (auch) Fehler im System, zum Beispiel fehlende Absprachen.

Der komplette Bericht findet sich hier, die zusammengefassten Unfallursachen:

Der Flugunfall ist auf folgende Ursachen zurückzuführen:

Unmittelbare Ursachen:
• Bei der Positionierung für die Intervention wurde ein Kollisionsrisiko aufgrund unerwarteter Manöver des abgefangenen Flugzeuges nicht hinreichend berücksichtigt.
• Bei der Durchführung derÜbung berücksichtigte die Besatzung des Learjet in ihrer Entscheidung über die Aufgabenverteilung nicht hinreichend die Risiken infolge möglicher Sichteinschränkungen sowie einer Ablenkung durch die Nutzung des Computers.
Aufgrund unzureichenden Situationsbewusstseins während der Intervention setzte die Learjet-Besatzung den Kurvenflug trotz Verlust des Sichtkontakts zum an der Kurveninnenseite fliegenden Eurofighter fort und nahm dabei eine exzessive Querneigung ein.
Systemische Ursachen:
• Im Luftfahrtunternehmen waren keine detaillierten Vorgaben gemacht, wie die Aufgaben in der Besatzung bei einer Renegade-Übung verteilt werden sollten.
• Das Training für das Abfangen eines unbekannten Luftfahrzeuges (Renegade) war weder bei dem mit der Flugzieldarstellung beauftragten Luftfahrtunternehmen noch bei der Luftwaffe ausreichend beschrieben und durch entsprechende Risikoanalysen betrachtet worden.

Gerade der letzte Punkt überrascht – da vermutlich seit 9/11, seit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York im September 2001, die so genannten Renegade-Fälle (entführte Zivilmaschinen)  und deren Abfangmöglichkeiten zum Standardrepertoire gehören dürften. Die BFU gibt denn auch in ihrem Bericht einige Empfehlungen dazu.

Zu den Details haben die Experten vermutlich noch mehr zu sagen; ich habe da bei weitem nicht genügend Ahnung.

Eine Bemerkung am Rande: Dieser Unfallbericht wird nur deshalb öffentlich, weil ein zivil zugelassenes Flugzeug beteiligt war und deshalb die BFU den Unfall untersucht hat. Wäre das Zieldarstellungsflugzeug ebenfalls ein militärisches Luftfahrzeug gewesen, wäre der Bericht von der Bundeswehr erstellt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingestuft gewesen – obwohl inhaltlich nichts anderes dringestanden hätte. Wäre ja mal ein weiterer Anlass, über diese Einstufungsregeln nachzudenken.

(Archivbild September 2014: Ein Kampfjet derLuftwaffe vom Typ Eurofighter eskortiert ein Passagierflugzeug – hier eine Maschine der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums – über Estland)