Deutscher Sonderweg: Mehrheit gegen Bündnisverteidigung?

U.S., Polish, German and Danish soldiers raise country flags at the opening ceremony of Saber Strike 15, a multinational training exercise, June 8, 2015, at the Drawsko Pomorskie Training Area in Poland. Saber Strike is a long-standing U.S. Army Europe-led cooperative training exercise. This year’s exercise objectives facilitate cooperation amongst the U.S., Estonia, Latvia, Lithuania, and Poland to improve joint operational capability in a range of missions as well as preparing the participating nations and units to support multinational contingency operations. There are more than 6,000 participants from 13 different nations. (U.S. Army photo by Spc. Marcus Floyd, 13th Public Affairs Detachment)

Während deutsche Soldaten derzeit an drei großen Übungen im NATO-Osten beteiligt sind (Saber Strike, Foto oben; BALTOPS und der Speerspitzen-Verlegeübung Noble Jump), kommt eine Umfrage des Pew Research Center mit einer Aufsehen erregenden Meldung: Die Mehrheit der Deutschen lehnt die NATO-Bündnisverteidigung ab – konkreter: 58 Prozent der Befragten vertreten die Ansicht, bei einer militärischen Auseinandersetzung eines Verbündeten mit Russland solle die Bundeswehr sich nicht an der kollektiven Verteidigung dieses Landes beteiligen.

Die deutsche Haltung ist die auffälligste, allerdings vom Trend her ähnlich wie einige andere europäische Länder. Die Übersicht mit den Antworten auf die Frage Falls Russland in einen ernsthaften militärischen Konflikt mit einem Nachbarland eintreten sollte, das ein NATO-Verbündeter ist, sollte Ihr Land militärische Mittel einsetzen, um dieses Land zu verteidigen, oder nicht?:

Many NATO Countries Reluctant to Use Force to Defend Allies

Nun gibt es – auch hier in den Kommentaren – gewisse Skepsis an der Aussagekraft dieser Umfrage, für die in Deutschland 1.000 Personen telefonisch befragt wurden. Und es gibt offensichtlich einen deutlichen Unterschied zwischen der Haltung im Westen, also der Bundesrepublik vor 1990, und im Osten, also der ehemaligen DDR.

Dennoch wird dieses Ergebnis natürlich außerhalb Deutschlands als Signal wahrgenommen – und führt zu der Frage, ob die Deutschen auf einen Sonderweg setzen, bei dem die NATO-Bündnisverpflichtung obsolet ist (und da ist es vermutlich wenig sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass sich der Westen Deutschlands über Jahrzehnte auf genau diese Bündnisverpflichtung zur kollektiven Verteidigung verlassen hat).

Die Umfrage lässt einiges offen; es wäre natürlich interessant, eine gezielte deutsche Umfrage zu diesem Thema zu sehen, ehe es Alarm gibt. Aber die Fragen und die Debatte darüber scheinen dringend nötig. Zumal das deutsche Ergebnis war das zahlenmäßig auffälligste ist, der ermittelte Wert der anderen Europäer aber so viel besser auch nicht.

(Spiegel Online hat diese Umfrage noch etwas detaillierter aufgedröselt. Und die bereits anderswo aufgelaufenen Kommentare zu diesem Thema verschiebe ich hierher.)

(Foto: U.S., Polish, German and Danish soldiers raise country flags at the opening ceremony of Saber Strike 15, a multinational training exercise, June 8, 2015, at the Drawsko Pomorskie Training Area in Poland – U.S. Army photo by Spc. Marcus Floyd, 13th Public Affairs Detachment)