Deutsche Seenothilfe im Mittelmeer: Frühestens in zwei Wochen

Eine Unterstützung der Deutschen Marine bei der Seenotrettung für Flüchtlinge, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem EU-Sondergipfel angekündigt hat, wird es frühestens in zwei Wochen geben können. So lange bräuchten allein die infrage kommenden Schiffe des Einsatz- und Ausbildungsverbandes (EAV), der Einsatzgruppenversorger Berlin und die Fregatte Hessen (Foto oben), von ihrem derzeitigen Standort vor Somalia bis ins westliche Mittelmeer. Noch sei auch nicht klar, wie die Anforderungen der EU-Grenzschutzagentur Frontex aussähen.

(Da geht die Frage an die Experten: zwölf bis 14 Tage Fahrzeit für 4.600 Kilometer, also knapp 2.500 Seemeilen – ist das die realistische Größe?)

Diese und andere Aussagen von Verteidigungsministerium, Auswärtigem Amt und dem Regierungssprecher in der Bundespressekonferenz vom (heutigen) Freitag zum Nachhören. Zuerst Regierungssprecher Steffen Seibert, dann BMVg-Sprecher Jens Flosdorff und Außenamtssprecher Martin Schäfer:

Med-Fluechtlinge_BPK_24apr2015     

 

(Transkript siehe unten.)

Nachtrag: Bei einem Besuch beim Multinationalen Korps Nordost in Szeczin (Stettin) hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Angaben ihres Ministeriums das noch etwas näher erläutert:

Während ihres Besuchs des Multinationalen Korps Nordost in Stettin am 24. April hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Pressestatement eine Fregatte und einen Einsatzversorger zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer in Aussicht gestellt.
Die Ministerin ist „fest entschlossen, jetzt sofort die Boote und Schiffe dort hinzusenden, damit vor allem Menschen gerettet werden können, die in akuter Not sind.“
Die Schiffe der Marine seien bereits in der Region und könnten in kurzer Zeit in der kritischen Gegend sein. Der Einsatzgruppenversorger könne bis zu 250 Personen aufnehmen und die Fregatte vor allem aufklärend tätig sein und das Mittelmeer nach in Not geratenen Flüchtlingen absuchen.

Nachtrag 2: Das Transkript des obigen Audios:

FRAGE WIEGOLD: Die Frage geht an Herrn Flosdorff, vielleicht auch mit Unterstützung von Herrn Seibert, Herrn Schäfer und Herrn Dimroth: Was ist denn jetzt der Auftrag für die Deutsche Marine nach dem gestrigen EU-Sondergipfel zum Stichwort „Flüchtlinge im Mittelmeer“? Welche Schiffe sind vorgesehen? Wann werden sie eintreffen?

FLOSDORFF: Wollen Sie vielleicht vorab etwas zu dem Rahmen sagen, oder soll ich mit den Schiffen anfangen?

STS SEIBERT: Ich kann ja vielleicht zunächst einmal ganz kurz etwas sagen: Gestern das ist das Thema, das Sie ansprechen stand im Zentrum des europäischen Sonderrats tatsächlich die Rettung von Menschenleben. Deswegen wurden schnelle Hilfsmaßnahmen vereinbart, damit das Sterben der Menschen im Mittelmeer ein Ende nimmt. Dafür werden die Mittel für die zuständige Frontex-Mission verdreifacht; das haben Sie sicherlich gestern Abend erfahren. Zusätzlich hat die Bundesregierung die Bereitstellung zweier Bundeswehrschiffe angeboten. Wenn das von Frontex gewünscht wird, könnten das eine Fregatte und ein Einsatzgruppenversorger sein. Spätestens bei diesem Stichwort, glaube ich, muss das Bundesverteidigungsministerium ran!

FLOSDORFF: In der Tat hat die Bundeswehr die Möglichkeit und Fähigkeit, zwei Schiffe an das westliche Mittelmeer heranzuführen. Es handelt sich hierbei um Schiffe, die im Moment im Rahmen des Einsatzausbildungsverbandes der Marine im Seegebiet des Golfs von Aden eingesetzt werden. Das ist von dem potenziellen Einsatzgebiet im Mittelmeer ungefähr 4.600 Kilometer entfernt, und wegen dieser Distanz würde es realistischerweise auch einen Zeitraum von 12 bis 14 Tagen in Anspruch nehmen, bis man die Schiffe dann vor Ort hat.

Der Auftrag ist, wie Herr Seibert auch schon gesagt hat, die Seenotrettung, wobei das im Rahmen der bestehenden EU-Missionen Triton im Mittelmeer und der Operation Poseidon, die ja schon bestehen, geschieht. Die Gespräche mit der EU, aber auch mit den anderen beteiligten Ressorts darüber, wie die Aufträge genau ausgestaltet werden, laufen im Moment noch und sind noch nicht abgeschlossen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Herr Flosdorff, nun sind Hubschrauber ziemlich gut geeignet, Flüchtlinge im Meer zu entdecken. Die Deutsche Marine hat aber ein kleines Problem mit Hubschraubern. Es sind gerade wieder einmal zwei Hubschrauber auf der Fregatte „Bayern“ im Atalanta-Einsatz eingeschifft. Ist daran gedacht, die zwei Einheiten, wenn sie denn angefordert werden, auch mit Hubschraubern auszustatten? Ist das nach dem Klarstand überhaupt möglich?

FLOSDORFF: Ich habe keinen stündlich aktuellen Überblick über den Klarstand der Marinehubschrauber. Selbstverständlich wird man in den kommenden Tagen alles, was zur Unterstützung dieser Mission notwendig ist, prüfen. Es muss auch erst einmal operativ eingeordnet werden, was dann wirklich notwendigerweise für diesen Einsatz zur Verfügung zu stellen ist. Das betrifft nicht nur Hubschrauber, sondern eventuell noch anderes Material. Ich denke dabei zum Beispiel auch an das mobile Krankenhaus, das an Bord dieses Einsatzgruppenversorger ist und das dann auch mit Personal ausgestattet werden müsste. Aber noch einmal: Das ist im Rahmen der nächsten zwei Wochen, die ja sowieso vonnöten sind, um die beiden Schiffe in das Seegebiet zu bringen, sicherlich alles prüf- und umsetzbar.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Herr Seibert, Herr Schäfer, in dem ursprünglichen Papier vom Montag war auch von der Zerstörung von Schleuserlogistik die Rede, um es einmal mit meinen Worten zu sagen. Ich glaube, es hieß „capture and destroy smugglers, ships“ usw. Können Sie mir vielleicht sagen, wie weit die Überlegungen nach dem gestrigen Treffen gediehen sind?

STS SEIBERT: Es ist auf jeden Fall richtig, dass man gestern natürlich nicht nur über dieses aktuell vorrangige Thema der Lebensrettung auf hoher See gesprochen hat, sondern dass allen Teilnehmern des Europäischen Rates klar war, dass wir eine Gesamtstrategie brauchen, die auch noch ganz andere Punkte in Angriff nimmt. Dabei ist die Bekämpfung der Schleuserkriminalität ein besonders wichtiger Punkt.

Die Hohe Vertreterin, Frau Mogherini, ist beauftragt worden, unverzüglich mit den Vorbereitungen für eine mögliche Operation zum Thema der Schleuserbekämpfung zu beginnen, und zwar im Einklang mit dem Völkerrecht. Sie selbst hat dort vorgetragen, dass sie sich um ein UN-Sicherheitsratsmandat, eine Resolution, bemühen will. Das alles ist jetzt noch nicht abschließend zu beurteilen. Klar ist: Wenn wir die Schlepperbanden energisch und robust bekämpfen wollen, dann brauchen wir dafür eine völkerrechtliche Basis. Damit, die herzustellen, ist Frau Mogherini jetzt als Hohe Vertreterin beauftragt.

FRAGE: Herr Dimroth, Herr de Maizière hat ja auch von der Zerstörung von Flüchtlingsbooten gesprochen. Woran erkennt man denn ein Flüchtlingsboot?

DR. DIMROTH: Her Seibert, hat ja gerade ausgeführt, dass das bei den gestrigen Gesprächen der Regierungschefs ebenso wie am vergangenen Montag bei den Gesprächen der Außen- und Innenminister ein Thema war. Nicht nur Frau Mogherini ist beauftragt, ein robustes Mandat zu prüfen und dann gegebenenfalls zu realisieren, sondern auch die Kommission und der Rat sind beauftragt, jetzt sehr zeitnah das, was gestern und Montag beraten und beschlossen wurde, mit Detailvorschlägen zu unterlegen. Insofern kann man der Frage, wie das dann im Detail sowohl rechtlich als auch tatsächlich ausgestaltet werden wird, heute sicherlich noch nicht vorgreifen.

ZUSATZFRAGE: Das könnte doch ein Problem sein, denn diese Flüchtlingsboote sind ja in der Regel alte Fischerboote. Diese werden genutzt, weil nicht mehr gefischt werden kann. Will man die zerstören?

DR. DIMROTH: All das wird sicher bei der Frage eine Rolle spielen, wie man das umsetzt, auch wenn das beispielsweise Boote sind, die für die Versorgung der betroffenen Bevölkerung eingesetzt werden oder auch eingesetzt werden, wie Sie es gerade gesagt haben, weil es Fischerboote sind. Dann wird man sicher zu erwägen haben und abzuwägen haben, ob das genauso gilt.

All das ist, wie gesagt, Thema der Detailausarbeitung, die ansteht und der ich heute nicht vorgreifen kann.

FRAGE: Ist ein Bundestagsmandat für diesen Einsatz notwendig? Auch wenn die Marine beteiligt ist, ist es ja kein Kampfeinsatz. Wie sehen Sie das? Hätten Sie das gerne und würden Sie das vielleicht auch haben wollen, wenn es nicht zwingend notwendig ist?

Präzisierung zu der Frage von vorhin in Sachen Frontex: Ist es richtig, dass Frontex noch gar nicht signalisiert hat, ob Interesse an zwei deutschen Schiffen besteht? Wenn das so ist, wann rechnet man mit einer Antwort?

FLOSDORFF: Soweit ich das gestern verstanden habe, ist die EU dabei, Optionen zu entwickeln. Danach wird sich alles richten. Wenn wir genau wissen, was die Aufträge, die konkreten Handlungen sind und wenn der Rechtsrahmen geprüft ist, wird man Aussagen darüber treffen können, welche innenpolitischen Schritte dafür getan werden müssen.

DR. SCHÄFER: Ich kann auf die Fragen von Frau Clasmann und Herrn Jung ergänzen. Wir hatten vor einigen Tagen schon darüber gesprochen, als es um die Frage ging: Atalanta – Erfolgsmodell für eine EU-Mission, die die Piraterie am Horn von Afrika bekämpft hat, und was man vielleicht daraus für eine Mission im Mittelmeer ableiten kann. Schon damals hatten wir gesagt, dass es da gewichtige Unterschiede gibt. Wenn Sie die Frage des Bundestagsmandats ansprechen, meint das natürlich verfassungsrechtliche Fragen.

Es gibt auch völkerrechtliche Fragen. Ich greife einfach noch einmal eine heraus: Nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechts, auch den Regeln des internationalen Seerechts, hat jeder Staat der Welt auf internationalen Gewässern das Recht, gegen Piraterie vorzugehen. Das ist Atalanta. Das ist aber bei anderen Formen von Straftaten anders. Wir sprechen hier ja von Menschenschleusungen und Schlepperkriminalität. Da ist der Grundsatz im Völkerrecht, dass grundsätzlich nur Kriegsschiffe des Flaggenstaates gegen diese Art von Straftaten auf internationaler See vorgehen können. Das würde also bedeuten und daraus mögen Sie ableiten, welche Probleme das mit sich bringt , dass wir vielleicht ein libysches Fischereiboot haben, das mit oder ohne libysche Flagge ausgestattet ist. Sie kennen den Zustand des libyschen Staatswesens zurzeit. Was das für rechtliche Probleme mit sich bringt, können Sie sich denken. Daher kommt, denke ich, der Gedanke von Frau Mogherini, über eine Ermächtigungsgrundlage des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vielleicht diese und andere schwierigen rechtlichen und politischen Fragen zu überwinden.

Auch da gilt, glaube ich, dass Europa der Humanität, aber auch des Rechts verpflichtet ist. Wir wollen, sollten und werden nichts tun, was nicht im Einklang mit unserem Verfassungsrecht sowieso, aber auch mit dem Völkerrecht und den Rechten anderer Staaten steht. Da kann man, glaube ich, nur um etwas Verständnis für die Hohe Vertreterin und auch für die Mitgliedstaaten werben, dass es jetzt ein klein wenig Zeit braucht, das alles sauber zu prüfen und das, was wir für politisch notwendig halten, so rechtlich abzusichern, dass es dann auch nach den Regeln eines Rechtsstaats und einer rechtstaatlichen Gemeinschaft umgesetzt werden kann.

STS SEIBERT: Zu der Frage in Sachen Frontex: Es waren gestern die 28 Regierungschefs der Mitgliedstaaten, die zu einem Sonderrat zusammengekommen sind. Diese waren zunächst einmal aufgefordert, zu erklären, was ihre Regierung, ihr Staat bereit ist, vermehrt in die Rettung von Menschenleben auf hoher See zu investieren, wie ich es jetzt einmal ausdrücke. Es gab nicht nur von Deutschland, sondern von sehr vielen Ländern Angebote bezüglich Personal und zusätzlichen Schiffen. Man ist sich sehr schnell einig gewesen, dass man die zur Verfügung zu stellende Geldsumme verdreifachen will. Nun wird es natürlich darum gehen und zwar schnell , dass das alles sinnvoll in die Missionen Frontex, Triton und Poseidon integriert wird. Ich glaube, alle Beteiligten nicht nur auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, sondern auch bei Frontex ist die Dringlichkeit absolut klar.

VORS. WELTY: Die Frage nach dem Bundestagsmandat war noch offen.

STS SEIBERT: Die hatte Herr Flosdorff eigentlich beantwortet. Man wird die konkreten Modalitäten der Zuordnung der Schiffe unter das Mandat klären müssen, und dann wird sich auch diese Frage stellen.

ZUSATZFRAGE: Ich wollte nur sichergehen, dass ich Herrn Dr. Schäfer richtig verstanden habe. Wäre aus Sicht der Bundesregierung ein UN-Mandat für diese andere Geschichte, wo man gegen die Schiffe vorgeht, zwingend notwendig?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, soweit sind wir in unseren Prüfungen noch nicht. Ich kann nur das bekräftigen, was Herr Flosdorff und auch Herr Seibert gerade gesagt haben. Ob etwas erforderlich ist etwa beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York und was das dann sein wird, hängt doch davon ab, was uns die Hohe Beauftragte in Kürze so schnell, wie es irgend geht, tatsächlich vorschlagen wird.

FRAGE: Herr Seibert, Herr Dr. Schäfer, ist nicht der beste Weg, die Schleuser zu bekämpfen, ihnen einfach die Geschäftsgrundlage zu entziehen und die Flüchtlinge selbst nach Europa zu bringen?

STS SEIBERT: Ich glaube, es gab gestern Einigkeit auf dem Europäischen Rat, dass die Zahl derjenigen Menschen, die nach Europa kommen wollen, wahrscheinlich immer größer sein wird, als die Zahl derjenigen Menschen, die Europa sinnvoll aufnehmen und integrieren kann. Nichtsdestotrotz ist ja gestern auch über Fragen einer besseren, einer gerechteren Verteilung von Flüchtlingen über Europa gesprochen worden. Ich glaube, wenn man feststellt, dass diese Schlepper ein verbrecherisches Gewerbe betreiben, dann ist es auch eine moralische Verpflichtung, gegen dieses verbrecherische Gewerbe und die Täter vorzugehen.

ZUSATZ: Das war aber nicht die Frage, Herr Seibert.

STS SEIBERT: Ich habe Ihre Frage gehört. Ich denke, ich habe sie so beantwortet, wie ich sie beantworten kann.

FRAGE WIEGOLD: Eine Lernfrage an Herrn Dr. Schäfer. Als die Atalanta-Mission mit der Ermächtigung ausgeweitet wurde, gegen Piratenlogistik am Strand vorzugehen, war die SPD ziemlich geschlossen dagegen und hat dem Bundestagsmandat damals nicht zugestimmt. Ich glaube, der Fraktionsvorsitzende damals hieß Steinmeier. Nun sind wir ein paar Jahre später. Nach meiner Erinnerung hat der jetzige Außenminister Steinmeier in Briefen an die Fraktionen bei den letzten Verlängerungen darauf hingewiesen, dass die SPD sich bemühen wolle, diese Regelung wieder zurückzunehmen.

DR. SCHÄFER: Sie meinen die Regelung, am Strand

ZURUF WIEGOLD: Genau! Die berühmten 2.000 Meter, je nachdem, wo die Wasserlinie ist.

Insofern müsste ich jetzt verstehen, warum der Außenminister und eine Regierungsfraktion bei der Pirateriebekämpfung das nicht gut finden, sich aber im Hinblick auf eine mögliche entsprechende oder analoge Ausweitung bei Bekämpfung der Schleuserkriminalität kein vehementer Widerspruch des Außenministers erhebt.

DR. SCHÄFER: Gegen was müsste jetzt der Außenminister Widerspruch erheben?

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Dass für die Schleuserkriminalität etwa Ähnliches geschaffen wird, wie das, was er damals bei Atalanta vehement abgelehnt hat.

DR. SCHÄFER: Ich frage noch einmal, weil Sie sagen der Außenminister habe bei Atalanta diese oder jene Position vertreten: Gegen was bei den Planungen, um die es hier geht, soll er sich denn jetzt schon wehren? Wir reden doch die ganze Zeit davon, dass es noch gar keine konkreten Vorschläge auf dem Tisch gibt. Gegen was soll er denn Widerspruch erheben?

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Es gibt ja die Aussage „capture and destroy of vessels“. Das wird ja ausdrücklich von Frau Mogherini und ihrer Sprecherin unter Bezug auf entsprechende Regelungen bei Atalanta verkündet. Insofern scheint es ja aus Sicht der EU-Kommission eine gewisse Analogie zu geben. Diese habe ich mir ja nicht ausgedacht.

DR. SCHÄFER: Mir ist kein konkreter Vorschlag bekannt, der von offizieller Seite von Frau Mogherini auf dem Europäischen Rat, von der Bundesregierung oder aus dem Kreis des Parlaments gemacht worden wäre, zu dem man sich jetzt positionieren sollte. Ich glaube, das vernünftige Vorgehen ist doch, sich die Situation herzunehmen, wie das in den letzten Tagen geschehen ist, und daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Auch das ist geschehen. Die gesamte Europäische Union hat sich solidarisch hinter das klare Bekenntnis zur Seenotrettung gestellt. Das ist sozusagen das, was als unmittelbares Ergebnis dieses schrecklichen Unglücks jetzt veranlasst wird. Alles Weitere der Umgang mit dieser Flüchtlingsproblematik bedarf einer Gesamtkonzeption, in die von Ihnen angedeutete Überlegungen natürlich Eingang finden müssen. Aber diese Überlegungen gibt es doch noch gar nicht sozusagen in geronnener Form, sodass man sich darüber konkret im Wege von „Ich bin dafür oder dagegen“ einlassen könnte.

Dass der Außenminister dafür ist, den Schlepperbanden das Handwerk zu legen, hat er übrigens bereits am Montag beim Rat der Außen- und Innenminister gesagt. Er hat auch gesagt, dass es nicht nur eine politische, sondern eine moralische Verpflichtung Europas ist, genau das zu tun.

Die Modalitäten und die Art und Weise, in der das geschehen soll, müssen jetzt besprochen werden. Ich glaube, da macht es jetzt Sinn, die wenige Geduld, die das braucht, aufzubringen, und die Vorschläge von Frau Mogherini, die dafür förmlich vom Europäischen Rat beauftragt worden ist, abzuwarten. Ich bin mir ganz sicher, dass die Bundesregierung ganz sicher auch der Außenminister sich dazu dann positionieren werden.

Letzter Satz: Ich habe vorhin versucht und ich habe auch vorgestern versucht, Ihnen und Ihren Kollegen deutlich zu machen, dass aus unserer Sicht jedenfalls die Parallelen oder, wie Sie sagen, die Analogien zwischen Atalanta und der Situation im Mittelmeer echt begrenzt sind. Die Schlussfolgerung, Atalanta sei ganz toll gelaufen und deshalb müssten wir nur eins zu eins das, was wir bei Atalanta gemacht haben, auf die Situation im Mittelmeer übertragen, ist sicherlich trügerisch, einfach weil eigentlich alle Rahmenbedingungen ganz andere sind alle rechtlichen, politischen und sonstigen Rahmenbedingungen sind völlig andere. Deshalb kann ich nur davor warnen, in einfache Analogien und Parallelen zwischen Atalanta und der schrecklichen Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer einzutreten.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Uns brauchen Sie ja nicht zu warnen, aber warnen Sie jetzt die EU davor? Denn die EU tut es doch bzw. die Kommission.

DR. SCHÄFER: Es ist doch gar nichts dagegen einzuwenden, dass man sich hernimmt, was bei Atalanta geschehen ist, und sich überlegt, welche Elemente von Atalanta auf eine völlig andere Situation angewendet werden können. Das Einzige, was ich sage, ist: Es gibt hier gewichtige Unterschiede. Bei dem einen Fall haben wir es mit Piraterie zu tun. Wir haben in Somalia dem Land, von dem die Piraterie ausgeht eine völlig andere Situation als in Libyen oder in anderen Transitländern, von denen aus die Schlepperbanden agieren. Das ist einfach per se nicht das Gleiche. Das ist das einzige, was ich sage. Ich glaube, da gibt es auch überhaupt keinen Dissens mit Brüssel oder mit wem auch immer in der Europäischen Union.

FRAGE: Ich habe noch eine Lernfrage an Herrn Schäfer: Sie sprechen immer so viel von Libyen. Kommen denn alle Boote von der libyschen Küste?

DR. SCHÄFER: Habe ich das behauptet?

ZUSATZFRAGE: Nein, aber weiß die Bundesregierung denn, woher die Boote kommen?

DR. SCHÄFER: Ich glaube, das wäre jetzt eher eine Angelegenheit für die Kollegen aus dem Innenministerium, aber auch darüber ist in den Medien ja schon breit berichtet worden: Es gibt unterschiedliche Migrations- und Flüchtlingsrouten, auf denen diese Schlepperbanden agieren. Vorgestern sprachen wir zum Beispiel auf die Frage eines griechischen Kollegen zu Schlepperrouten im Wesentlichen von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, die über die Türkei nach Griechenland und so in die Europäische Union kommen. Des Weiteren gibt es mehrere bekannte Fluchtrouten im westlichen, im mittleren und auch im östlichen Mittelmeer.

Bekannt ist in der Tat, dass ein wesentlicher Teil dieser Flüchtlingsströme von libyschem Staatsgebiet ausgeht. Das ist aber sehr wechselhaft, weil diese Schlepperbanden und auch die Flüchtlingsbewegungen sehr erratisch sind und sozusagen sofort auf Änderungen der Rahmenbedingungen reagieren. Wir wissen zum Beispiel, dass es vor einigen Jahren Probleme mit Flüchtlingsrouten über Marokko und Tunesien gegeben hat. In diesen Ländern ist es geglückt, in Partnerschaft mit diesen Ländern die Probleme einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Aber dann gibt es Ausweichbewegungen, und angesichts der wirklich schwierigen Lage eines Staates, der auf dem Weg ist, auseinanderzufallen, oder nicht mehr als Staat bezeichnet werden kann wie in Libyen , ist es ganz offenbar für die Schlepper und Menschenschleuser leichter, Menschen durch Libyen in Richtung Europa auf den Weg zu bringen, als durch andere Transitländer.

Zur Frage, wo die Schiffe herkommen: Ich glaube, da bin ich total überfragt. Sie hatten ja gerade eben feste Vorstellungen darüber, was das für Boote sind und wofür die sonst verwendet werden vielleicht wissen Sie mehr als ich. Ich kann dazu nichts beitragen.

(Archivbild: Fregatte Hessen 2007 – Bundeswehr/Ann-Kathrin Winges)