Waffen für die Welt: Zwölf Jahre deutsche Ausfuhrgenehmigungen zum Nachlesen

Latvian G36KV

Da ist der Linksfraktion im Bundestag ein echter Scoop gelungen: Auf eine parlamentarische Anfrage ihrer Abgeordneten Jan van Aken und Christine Buchholz hat die Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern durch den Bundessicherheitsrat seit 2002 detailliert veröffentlicht. Und, das ist neu, nicht mehr nur recht allgemein gehalten, sondern mit Angabe der Herstellerfirma. Einschließlich der Stückzahlen von Gewehren, Panzern, Flugzeugen. Dafür gibt es keine Angabe des finanziellen Ausfuhrvolumens, da – so die Argumentation der Bundesregierung – bei der Ausfuhrgenehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz die Menge, nicht aber der Wert erfasst wird. Deswegen gibt es bei Rüstungsgütern eine Wertangabe, nicht aber bei Kriegswaffen. Auch machte die Regierung nicht die erbetenen Angaben zu abgelehnten Anträgen auf Ausfuhrgenehmigung.

Die ganze Liste, über die zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte (Link aus bekannten Gründen nicht) wird zwar demnächst als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden; ich hab‘ aber schon mal die Linksfraktion darum gebeten und die Antwort auf die Anfrage auch erhalten:

Anfrage_Bundessicherheitsrat_Maerz2015

(komplett in der übermittelten Fassung)

Die genannten Ausfuhrgenehmigungen muss man sich jetzt mal in Ruhe im Detail anschauen. Der Abgeordnete van Aken ist zu einer kurzen Analyse gekommen, die ich allerdings nicht in allen Teilen für zutreffend halte:

Offenbar tagte der BSR in der Vergangenheit eher unregelmäßig, ungefähr vier Mal im Jahr. Im Schnitt wurden jedes Jahr nur rund 14 Genehmigungen im BSR erteilt, weniger als 0,1% aller Rüstungsexportentscheidungen (Vergleichsjahre 2008: 15.458 Genehmigungen insgesamt, 2009: 16.202; im Vorbereitenden Ausschuss (VoA): 16,8 Entscheidungen im Jahresdurchschnitt, etwas mehr als 0,1%). 99,8% werden demnach auf unterer Ebene, im Ministerium oder im BAFA genehmigt.

121 Genehmigungen für Heckler & Koch (32,7% aller Genehmigungen)

Das stimmt zwar, ist aber auch irreführend – den es handelt sich teilweise um Kleinstmengen wie die Lieferung von zwei Maschinenpistolen nach Hongkong und sagt nicht wirklich etwas über den Umfang. Das gleiche gilt für die Aussage

Rund 200 der Genehmigungen betreffen „Small Arms and Light Weapons“ (SALW)

104 Genehmigungen für Saudi-Arabien (28,1 % aller Genehmigungen)

Auch da muss man sich noch mal genauer angucken, um welche Größenordnungen es jeweils geht – die Zahl der Genehmigungen allein ist nicht wirklich aussagekräftig. Was nicht heißt, dass Saudi-Arabien kein guter Kunde in den vergangenen Jahren gewesen wäre.

Mehrfach wurde Herstellungsausrüstung für Munition genehmigt, unter anderem für Malaysia, Südafrika, Türkei, Saudi-Arabien

Erneut: Genaues Hinschauen wichtig – eine Munitionsfabrik im NATO-Partnerland Türkei dürfte einen anderen Stellenwert haben als die G36-Fabrik in Saudi-Arabien, die von der ersten schwarz-roten Merkel-Koalition genehmigt wurde.

Nachtrag: In ergänzenden Erläuterungen legt das federführende Bundeswirtschaftsministerium auch offen, warum es wie geantwortet – oder eben nicht geantwortet hat. Und warum nur der sehr kleine Teil aufgeschlüsselt wurde, der vom Bundessicherheitsrat oder dem vorbereitenden Ausschuss behandelt wurde:

Der BSR wird nur mit politisch sensiblen Ausfuhren von Rüstungsgütern befasst. Sensibel sind insbesondere Kriegswaffen für Drittländer. Daher sind in der Antwort meist nur Drittländer (z.B. arabische Staaten) und überproportional viele Kriegswaffen (insb. Kleinwaffen, z.B. Maschinenpistolen) aufgeführt. Genehmigungen unterhalb der BSR-Schwelle, etwa für Exporte in EU, NATO oder NATO-gleichgestellte Staaten (z.B. Australien) oder für „unproblematische“ Güter, erreichen nicht den BSR. Die Antwort gibt daher nicht die gesamten Rüstungsexportgenehmigungen, sondern lediglich einen kleinen Teilausschnitt wieder. Sie listet ca. 400 Genehmigungen über 13 Jahre auf, während allein in 2013 nach dem Rüstungsexportbericht ca. 17.000 Einzelgenehmigungen erteilt wurden.

Und wie lange an der Antwort gearbeitet wurde:

Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit größtmöglicher Sorgfalt und Engagement ca. 3 Monate an der Beantwortung gearbeitet. Zusammengerechnet war ein Kernreferat (1 Referatsleitung, 1 Referent/in, 1 Sachbearbeiter/in, 1 Schreibkraft) ca. sechs Wochen vollständig mit der Beantwortung befasst (in der Praxis verteilt auf mehrere Personen / Referate).

Im Wortlaut: Erläuterungen: Export von Rüstungsgütern seit 2002

(Archivbild: Ein lettischer Soldat mit einem G36 von Heckler&Koch in der Kurzversion 2009 in Afghanistan – Sgt. Teddy Wad via Wikimedia Commons/Public Domain)