Dokumentation BPK 23. Februar: Boxer für Litauen, NVA-Panzer für Irak, SeaLion

Ein Nachtrag zu den Themen vom (gestrigen) Montag: Mit ein wenig Verspätung liegt jetzt das Protokoll der Bundespressekonferenz vom 23. Februar vor. Dabei ging es unter anderem um mögliche Lieferungen von Boxer-Radpanzern an Litauen, ausgemustertem Gerät der Nationalen Volksarmee der DDR für den Irak und kurz um den geplanten Marinehubschrauber SeaLion.

Zur Dokumentation die entsprechenden Passagen mit Oberst Ingo Gerhartz vom Verteidigungsministerium, Regierungssprecher Steffen Seibert und Adrian Toschev vom Bundeswirtschaftsministerium:

GERHARTZ: Ich möchte hier noch einmal kurz auf eine Berichterstattung vom Wochenende eingehen. Der Tenor, Deutschland würde den NATO-Partner Litauen nicht in seinem Bestreben unterstützen, Radpanzer vom Typ Boxer zu erwerben, ist falsch.

Die Presseanfrage, die wir im BMVg bekommen haben, ging in die Richtung, ob die Bundeswehr im Rahmen eines Government-to-Government-Geschäfts eigene Radpanzer aus eigenem Bestand oder aus dem Bestand, hinsichtlich dessen wir gerade noch dabei sind, ihn von der Industrie zu erwerben, an Litauen abgeben könnte. Das war die Anfrage. Sie wissen: Wir befinden uns selbst noch in der Phase der Auslieferung des von uns angemeldeten Boxer-Bestands durch die Industrie und können zum jetzigen Zeitpunkt keine Radpanzer aus dem eigenen Bestand abgeben. Litauen hat aber lediglich ein Interesse an einem Kaufgeschäft geäußert, und zwar nicht an einem Government-to-Government-Deal mit der Bundeswehr. Hier gibt es ein ganz normales Verfahren, und da ist es ja wohl klar, dass jedes NATO-Mitglied, das in Deutschland neues Gerät erwerben will, dies natürlich auch selbstverständlich tun kann. Ein Antrag seitens Litauens liegt jedoch noch nicht vor. Zur zeitlichen Einordnung: Litauen ist bestrebt, diese Panzer ca. ab 2017 bis 2020 geliefert zu bekommen. Wir reden jetzt also auch nicht gerade von heute.

Natürlich sind wir vom Bundesministerium der Verteidigung bereit, alles zu tun, um Litauen bei diesem möglichen Erwerb zu unterstützen. Wir können eine ganze Menge Fachunterstützung geben und natürlich auch bei der Abwicklung dieser Beschaffung tatkräftig helfen. Die Bundeswehr kann aber im Rahmen ihrer Unterstützung für die NATO-Partnerländer und im Rahmen ihrer NATO-Verpflichtungen derzeit auf eigenes Gerät nicht verzichten.

Ich bringe es noch einmal auf den Punkt; mein Fazit ist: Die Behauptung, dass die Bundesregierung ihrem NATO-Verbündeten Litauen diese Systeme verweigert und nicht ausliefern kann, ist schlichtweg falsch.

FRAGE: Herr Gerhartz, wie lange würde eine Auslieferung denn erfahrungsgemäß dauern, eine Neubeantragung eines solchen Loses eben solcher Boxer-Fahrzeuge?

Wenn ich darf, als Zweites direkt dazu gefragt: Wie sieht es denn mit dem Antrag zum Thema Panzerhaubitze 2000 aus? Handelt es sich hierbei um einen vergleichbaren Vorgang? Gibt es dazu aus Sicht der Bundesregierung eine andere Einschätzung?

GERHARTZ: Wir müssen zwei Dinge grundsätzlich voneinander trennen. Wenn wir von einem Verbündeten ‑ hier jetzt eben von Litauen ‑ angefragt werden, dann müssen wir immer schauen, ob wir aus unserem eigenen Bedarf ‑ das läuft dann immer unter diesem Label „Länderabgabe“ ‑ etwas abgeben können. Wir haben Litauen in den letzten Jahren zum Beispiel bis zu 300 gepanzerte Transportwagen vom Typ M113, wie sich dieses System nennt, im Wert von mehr als 2 Millionen Euro geliefert. Die geben wir natürlich und selbstverständlich ab, wenn wir sie selbst im eigenen Bedarf nicht benötigen.

Ansonsten gilt: Hat ein NATO-Mitglied einen Bedarf, den wir aber gerade noch nicht einmal ganz für uns selbst gedeckt haben, dann können wir natürlich bei der Beschaffung behilflich sein. Hier ginge es um das System Boxer, bezüglich dessen wir dann über OCCAR gehen, diese Rüstungsmanagement-Agentur, in der Deutschland und die Niederlande Partner sind. Wenn wir Litauen hier als Partner aufnehmen würden, dann kann ich Ihnen hier jetzt keine genaue Zeitvorstellung nennen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das bei den zeitlichen Vorstellungen, die Litauen bisher in seiner Interessensbekundung bekannt gegeben hat, also hinsichtlich einer Auslieferung bis 2020, auch möglich wäre.

Die andere Frage betraf die Panzerhaubitze 2000. Auch hierzu gibt es eine Interessensbekundung vonseiten Litauens, Systeme zu akquirieren. Da gilt genau dasselbe wie das, was ich gerade schon angesprochen habe. Wir müssen schauen: Was ist unser Bedarf? Wo können wir etwas abgeben? Wenn wir es etwas abgeben können, dann tun wir das natürlich. Wenn das aber über unseren Bedarf hinausgeht, dann muss das eben über den Export laufen.

ZUSATZFRAGE: Wann rechnen Sie da mit einer Entscheidung?

GERHARTZ: Ich habe ja gerade gesagt, dass wir noch gar keine offizielle Anfrage vorliegen haben, wieder eine Exportanfrage noch eine Voranfrage vonseiten Litauens. Im Moment sondiert man einfach Positionen im Bezug darauf, was möglich wäre und wo wir da helfen können. Die Bundesregierung wird natürlich alles tun, um dem NATO-Verbündeten Litauen zu helfen.

FRAGE: Kurze Anschlussfrage: Vielleicht können Sie noch einmal sagen, ob es überhaupt für irgendeine Waffengattung Einschränkungen bezüglich der Lieferung an einen NATO-Partner gibt.

Zweitens noch einmal zum Thema Panzerhaubitze 2000: Da soll es eine Regierungsanfrage geben. Ist die bei Ihnen also noch nicht eingegangen?

GERHARTZ: Richtig, diese Anfrage vonseiten Litauens ist bei uns noch nicht eingegangen. Auch der litauische Botschafter hat gerade noch einmal bekräftigt, dass man die Anfrage noch gar nicht gestellt habe. Litauen ist EU- und NATO-Mitglied. Wir müssen schauen, was sie benötigen und was dann die konkrete Anfrage sein wird. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, dass wir zurzeit über ein System verfügen, das wir unserem NATO-Verbündeten verweigern würden.

FRAGE: Herr Seibert, man könnte ja auch ganz einfach sagen: Die gefühlte Bedrohung in Litauen ist größer als in Deutschland, wenn ich jetzt einmal in Richtung Russland blicke. Hat das Kanzleramt eine Meinung zur Lieferung insbesondere der Panzerhaubitze? Das würde ja, vermute ich einmal, von Russland als ein unfreundlicher Akt gewertet werden. Sieht die Kanzlerin also in diesem Fall einen Grund dafür, sich in irgendeiner Form zu positionieren, und zwar durch ein Ja oder ein Nein?

STS SEIBERT: Ich glaube, das, was der Sprecher des Verteidigungsministeriums gerade gesagt hat, hat er natürlich auch für die ganze Bundesregierung gesagt. Ich will hier nicht auf Einzelfälle eingehen. Aber dass Deutschland der Ertüchtigung und Entwicklung der Streitkräfte seiner NATO-Partner einen hohen Stellenwert beimisst und dass deswegen die Unterstützung aller NATO-Partner selbstverständlich ist, können Sie jetzt auch noch von mir mit dazu nehmen.

ZUSATZFRAGE: Herr Gerhartz, in anderen Fällen ‑ auch, was beispielsweise das „Air Policing“ angeht ‑ war die Bundesverteidigungsministerin, wenn ich mich richtig erinnere, relativ schnell und forsch dabei, großzügige Hilfe anzubieten. Das hat ja damals sogar manchem in der Bundesregierung nicht gepasst, als sie das erklärt hat. Hat die Verteidigungsministerin kein Verständnis dafür, dass man Litauen im Moment schneller als der Bundeswehr helfen sollte?

GERHARTZ: Wenn Sie jetzt auf die sogenannten „Reassurance“-Maßnahmen und darauf zu sprechen kommen, dass wir uns diesen Maßnahmen, die von der NATO einstimmig beschlossen worden sind, angeschlossen haben: Ich glaube, darüber gab es innerhalb der Bundesregierung überhaupt keinen Dissens zwischen dem BMVg und damit der Bundesverteidigungsministerin und anderen Ressorts der Bundesregierung. Wir haben diese „Reassurance“-Maßnahmen gemeinsam beschlossen. Die baltischen Staaten ‑ das ist ja nicht erst seit gestern so ‑ sagen schon seit Jahren, dass sie noch nicht in der Lage sind, eine eigene „Air-Policing“-Flotte, also eigene Kampfflugzeuge, zu beschaffen. Das hat hauptsächlich finanzielle Gründe. Seit Jahren unterstützen die NATO-Partner und so auch Deutschland ‑ so haben wir es letztes Jahr getan, und so werden wir es auch dieses Jahr wieder tun ‑ unsere baltischen NATO-Verbündeten.

FRAGE: Herr Gerhartz, mich würde der Bestand der Boxer-Radpanzer der Bundeswehr interessieren. Wie viele davon sind einsatzbereit?

Zweite Frage: Sie sagten, dass an Litauen noch Transportwagen vom Typ M113 geliefert wurden, wenn ich mich richtig erinnern kann. Können Sie sagen, welche militärische Hilfe außerhalb des „Air Policing“ ‑ also in Form von Waffen oder Gegenständen ‑ an Litauen und die baltischen Staaten in den letzten zwölf Monaten geliefert wurde?

GERHARTZ: Ich kann Ihnen nicht die genaue Zeitlinie nennen und sagen, wann wir diese Transportpanzer M113 geliefert haben. Wir haben natürlich auch noch diverse Kleingeräte und die entsprechenden Ersatzteile mitgeliefert. Zu M113, und das ist die Zahl, die ich gerade konkret genannt habe: Es waren mehr als 300 Systeme.

Der andere Teil Ihrer Frage?

ZUSATZFRAGE: Es ging um den Boxer-Bestand der Bundeswehr. Wie viele davon sind einsatzbereit?

GERHARTZ: Zum Lieferstand: In der Beschaffung befinden sich insgesamt 272 Boxer. Davon sind gut 200 an uns ausgeliefert worden. Das heißt, die Lieferung dieses Loses, also dieses Bedarfs in Höhe von 272, werden wir erst nächstes Jahr abschließen, falls die Industrie denn auch pünktlich liefern wird.

Zur derzeitigen Einsatzbereitschaft: Ich habe jetzt keine konkrete Zahl dazu vorliegen, wie viele von diesen ca. 200 Boxern am heutigen Tag einsatzbereit sind. Aber Sie können immer davon ausgehen, dass wir gerade bei neuen Systemen ‑ diese Diskussion hatten wir auch schon in den letzten Wochen hier geführt ‑ immer einen Einsatzbereitschaftsstand von etwa 50 Prozent bis 60 Prozent haben. Aber ich kann Ihnen auch dazu keine konkrete Zahl nennen.

Was auf jeden Fall noch an Zahlen mitzunehmen wäre, und das zeigt auch unseren hohen Bedarf: Wir haben im Rahmen der diesjährigen Haushaltsaufstellung ‑ diese Initiative kam entsprechend auch vom Parlament ‑ gesagt, dass dieser Bedarf in Höhe von 272 Boxern für die Neuausrichtung der Streitkräfte zu gering ist. Wir haben hier einen Mehrbedarf in Höhe von weiteren 131 Boxern angemeldet, und im Rahmen der Haushaltsaufstellung haben wir jetzt auch schon eine Verpflichtungsermächtigung bekommen. Das heißt, wir werden diesen Bedarf in Höhe von 272 Boxern noch einmal um 131 erhöhen. Dann werden wir den Stand erreichen, dass von unseren sechs Panzerbataillonen, wenn ich hier einmal ins Detail gehen darf, lediglich 75 Prozent ausgestattet sein werden.

Das heißt, selbst wenn wir diesen Bedarf, diese weiteren 131 Boxer zusätzlich bekommen sollten, werden wir nicht umhin kommen können -‑ das ist in der Praxis nicht schön, aber es geht eben nicht anders ‑, das entsprechende Gerät zu rotieren. Der Fachbegriff ‑ ich möchte ihn eigentlich gar nicht nennen ‑ nennt sich „dynamisches Verfügbarkeitsmanagement“, und er ist in der Praxis genauso schlimm, wie er sich anhört. Das heißt, selbst dann würden wir lediglich über 75 Prozent der Ausstattung unserer Bataillone verfügen. Das heißt, wir sind noch weit von einer Vollausstattung entfernt, die wir uns zukünftig einmal wünschen würden.

ZUSATZFRAGE: Hat die Bundesregierung denn eine Verfügungsgewalt oder Kontrolle über den Verbleib der Waffen, die an ein NATO-Mitglied geliefert wurden? Darf ein NATO Land, das deutsche Waffen gekauft hat, diese Waffen also weiterverkaufen oder jemandem liefern?

VORS.: Wer kann diese Frage beantworten?

GERHARTZ: Das ist eine Exportfrage.

TOSCHEV: Grundsätzlich gelten für jeden Export von Rüstungsgütern die einschlägigen Vorschriften und insbesondere die politischen Grundsätze. Darin ist auch der Endverbleib niedergelegt; das ist so ganz üblich. Das gilt klar auch für EU- und NATO-Staaten. Die Angabe über den Endverbleib muss sich auf die Angabe beziehen, die dort gemacht wurde. Lediglich bei der Genehmigungserteilung wird zwischen EU-Staaten, NATO-Staaten und NATO-gleichgestellten Staaten, bei denen die Genehmigung grundsätzlich erteilt wird, weil sie eben Bündnispartner sind, und zwischen Drittstaaten differenziert, hinsichtlich der es eben eine sehr zurückhaltende Genehmigungspraxis gibt.

ZUSATZFRAGE: Ehrlich gesagt habe ich das jetzt nicht ganz verstanden. Muss ein NATO-Land so eine Klausel akzeptieren, dass die Waffen, die von Deutschland gekauft wurden, in diesem Land verbleiben, oder nicht?

TOSCHEV: Wenn die Angabe ist, dass das in dem Land verbleibt, dann muss das auch in dem Land verbleiben.

FRAGE: Herr Toschev, in diesem Zusammenhang würde ich gerne eine Frage zum geplanten Weiterverkauf von T-72-Panzern aus NVA-Beständen stellen, die damals an Tschechien abgegeben worden sind. In Tschechien wird zurzeit darüber diskutiert, diese Fahrzeuge an den Irak zum Kampf gegen den IS zu verkaufen. Gibt es dazu einen Stand? Ist die tschechische Regierung an Sie herangetreten, was diesen Weiterverkauf angeht? Würde die Bundesregierung das unterstützen?

STS SEIBERT: Wenn ich die Beantwortung übernehmen dürfte: Die Bundesregierung hatte ein großes Interesse daran, dass der IS-Terror wirksam abgewehrt werden kann und dass der Staat Irak auch nachhaltig stabilisiert werden kann. Dabei ist ein entscheidender Faktor die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen des Irak in die Politik des Landes. Der irakische Ministerpräsident Al-Abadi hat diesbezüglich einige wichtige Schritte unternommen, die auch unsere Anerkennung verdienen und unsere Anerkennung haben, also zum Beispiel die Bildung einer inklusiven Regierung.

Bei seinem Besuch in Deutschland Anfang Februar hat Ministerpräsident Al-Abadi erneut den Ausrüstungsbedarf der irakischen Armee für den Kampf gegen IS angesprochen. Er hat um die dringende Unterstützung der Bundesregierung gebeten. Es handelt sich dabei, wie Sie es angesprochen haben, um einen beantragten kommerziellen Reexport von 280 ehemaligen NVA-Schützenpanzer der Gattung BMP‑1 aus Tschechien über Bulgarien in den Irak. Diese Panzer wurden von der Bundeswehr aus ehemaligen NVA-Beständen an Tschechien abgegeben. Die Ausfuhr aus Deutschland hat also bereits stattgefunden. Deutschland hat sich aber, wie es in diesen Fällen üblich ist, eine Mitsprache für Reexporte vorbehalten, und deswegen kommt die Sache jetzt zu uns zurück.

Vor dem Hintergrund des notwendigen Kampfes gegen IS sowie vor dem Hintergrund der jetzt inklusiven Neuausrichtung der neuen irakischen Regierung ist die Bundesregierung bereit, diesen Antrag zu prüfen. Sie prüft diesen Antrag derzeit gemäß den geltenden Bestimmungen.

ZUSATZFRAGE: Kann man sagen, innerhalb welches Zeitrahmens so eine Prüfung abgeschlossen sein dürfte? Es eilt ja etwas.

STS SEIBERT: Ich kann hier keinen Zeitplan nennen. Wir prüfen das. Der Hintergrund der Anfrage, der Kampf gegen den IS-Terror, ist uns dabei sehr wohl bewusst. Es muss aber entsprechend der geltenden rechtlichen Bestimmungen geprüft werden.

FRAGE: Noch einmal zurück zum Boxer: Herr Gerhartz, ich bin nicht so vertraut mit dem Militär der Litauer. Wissen Sie, ob der Boxer dort für den Einsatz im eigenen Land oder für die litauischen Soldaten im Auslandseinsatz gedacht war?

Zur zweiten Frage: So ein Government-to-Government-Deal, wie Sie das genannt haben, ergibt ja nur Sinn, wenn man die Kapazität übrig hat, etwas abzugeben. Wann kam es denn das letzte Mal vor, dass die Bundeswehr etwas übrig gehabt hätte, das sie hätte abgeben können?

GERHARTZ: Noch einmal zu diesem Punkt, wie Litauen dieses Gerät einsetzt: Wir haben bislang nur die Interessenbekundung vorliegen, dass Litauen grundsätzlich seine Landstreitkräfte modernisieren möchte. Bisher ist auch noch nicht mehr passiert. Sie haben diese Transportsysteme vom Typ M113, die wir ihnen damals aus Überbeständen geliefert haben, schon eine ganze Weile in der Nutzung. Wie ich das sehe, wollen sie genau diese Flotte jetzt weiter modernisieren.

Das andere ist, und hier müssen wir immer sauber trennen: Was ist unser Bedarf, und wo kommen da, wie der Fachterminus lautet, Länderabgaben zustande? Wo haben wir Systeme, die wir abgeben können, ohne dass damit unsere eigene Einsatzbereitschaft infrage gestellt wird? Das klassischste Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Waffenlieferung an die Peschmerga.

FRAGE: Herr Toschev oder Herr Gerhartz, kann es sein, dass sich Litauen jetzt gegenüber der Konkurrenz für einen Kauf von dem Boxer vergleichbaren Produkten interessiert? Das ginge dann, nehme ich einmal an, zulasten deutscher Arbeitsplätze, wenn die deutsche Rüstungsindustrie nicht liefern könnte. Spielt die Existenznot der deutschen Rüstungswirtschaft in Ihren Überlegungen gar keine Rolle? Es gibt ja Konkurrenz.

TOSCHEV: Wir bewegen uns da, glaube ich, im spekulativen Bereich. Herr Gerhartz hat gerade gesagt: Der litauische Botschafter selbst hat dazu Stellung genommen, dass es gar keinen Antrag gibt. Ich kann mich also auch nicht dazu äußern, was wäre, wenn es einen gäbe.

ZUSATZFRAGE: Herr Gerhartz, gibt es denn nach Ihrem militärischen Sachverstand konkurrenzfähige Produkte von befreundeten Rüstungsgüterherstellern, die ein Interesse an dieser Debatte haben könnten?

GERHARTZ: „Nice try“! Ich kann mich da nur wiederholen: Wir haben bisher nur Interessensbekundungen vorliegen. Wir haben noch überhaupt gar keine schriftliche oder formelle Vorabanfrage seitens Litauens vorliegen. Warten wir das doch erst einmal ab.

FRAGE: Obwohl der litauische Antrag noch nicht gestellt ist: Geht es um eine kostenlose Abgabe und um eine kommerzielle Bestellung dieser Boxer-Panzer?

GERHARTZ: Ich glaube, ich habe das vorhin in meinem ersten Statement klargemacht: Litauen denkt nach unseren Kenntnissen darüber nach, bis zu 100 neue Fahrzeuge dieses Systems Boxer zu akquirieren, und das ist natürlich ein Kaufgeschäft.

FRAGE: Herr Seibert, eine generelle Frage: Was unternimmt die Bundesregierung, die Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeschlossen hat, um zu verhindern, dass deutsche Waffen auf Umwegen an die ukrainische Armee geliefert werden?

STS SEIBERT: Gut, in diesem ganz anderen Zusammenhang ist ja hier davon gesprochen worden, dass bei deutschen Waffenlieferungen in aller Regel natürlich Endverbleibserklärungen abgegeben werden und dass wir uns, wie ich in dem ganz anderen Fall beschrieben habe, auch eine Mitsprache in Bezug auf mögliche weitere Exporte in Drittländer vorbehalten, die wir dann eben genehmigen oder nicht. Das ist jetzt eine ganz allgemeine Auskunft, und etwas anderes kann ich Ihnen auch zu diesem Fall nicht sagen.

FRAGE: Herr Seibert, weil Sie die T-72-Panzer aus NVA-Beständen angesprochen haben: Gäbe es prinzipiell Hinderungsgründe für Deutschland, modernstes Panzergerät an den Irak zu liefern, so es eine solche Anfrage gäbe, oder bezieht sich die Genehmigung zum Weiterexport nur auf veraltetes gepanzertes Material?

STS SEIBERT: Ihre Kenntnis von NVA-Panzern ist sicherlich besser als meine. Ich will nur, damit wir keine Unklarheiten aufkommen lassen, noch einmal sagen: Nach meinen Unterlagen ist das der amphibische Kettenpanzer BMP-1 aus sowjetischer Entwicklung mit einer 73-Milimeter-Kanone und einem Maschinengewehr sowie Platz für eine dreiköpfige Besatzung und acht weitere Soldaten. Ich weiß nicht, ob der noch eine zweite Bezeichnung hat.

Jetzt habe ich Ihre Frage vergessen. – Nein, sie ist mir wieder eingefallen!

ZUSATZFRAGE: Wenn wir das alte Gerät verkaufen, könnten wir auch ohne Skrupel und ohne Bedenken modernstes Gerät verkaufen. Ist das der Stand der Überlegungen?

STS SEIBERT: Ich spekuliere hier grundsätzlich nicht über Interesse an Waffen oder Waffenabgaben, die gar nicht in Rede stehen. In Rede steht das, was die irakische Regierung gerne zur Ertüchtigung und Modernisierung ihrer Armee hätte, nämlich den Export von 280 ehemaligen NVA-Schützenpanzern, die einstmals von Deutschland aus NVA-Beständen an Tschechien abgegeben wurden. Nur darüber kann ich hier sprechen.

FRAGE: Ich hätte noch eine Frage an Herrn Gerhartz. Können Sie sich vielleicht zu anderen Nachrichten vom Wochenende äußern, wonach die Bundeswehr Marinehubschrauber erwerben will, die nicht über Nordsee und Ostsee fliegen dürfen?

GERHARTZ: Da wir jetzt nicht bei Litauen sind: Ich die Frage gerne übernehmen, aber ‑ ‑

VORS.: Wollen Sie?

GERHARTZ: Das überlasse ich Ihrer Moderation. Also wechseln wir das Thema und kommen von „Boxer und Litauen“ zum sogenannten „Sea Lion“, zum Marinehubschrauber. Der „Sea Lion“ wird bei der Auslieferung an die Bundeswehr alle geforderten Fähigkeiten haben, die wir benötigen. Das schließt natürlich auch den Einsatz über See und auch den Einsatz als Rettungshubschrauber ein.

Zum jetzigen Zeitpunkt verfügt er in der Version, in der wir ihn jetzt dort stehen haben, also in der Version NH 90, schon über dieselbe Klassifizierung für diese Aufgabe als Rettungshubschrauber über See wie das System, das wir schon seit Jahren bewährt im Einsatz haben, den sogenannten „Sea King“. Das reicht uns natürlich noch nicht. Wir wollen bei einem neueren System natürlich noch bessere Standards haben. Jetzt würde er also, wie gesagt, schon für diese Aufgabe ausreichen, aber die Einführung beginnt ja jetzt erst. Wir haben ja noch gar nicht den Vertrag, und wir werden den „Sea Lion“ auch erst in ein paar Jahren erhalten. Wir sind uns also ziemlich sicher, dass er auch genau all das können wird, was wir brauchen.