Ausbildungsmission Irak: Bundesregierung stützt Mandat auf indirekte UN-Zustimmung

Das Bundeskabinett will am (morgigen) Mittwoch ein Mandat für einen Ausbildungseinsatz deutscher Soldaten im Irak beschließen und dem Bundestag zur Billigung vorliegen. Die grundsätzlichen Überlegungen dazu hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier bereits am (gestrigen) Montag seiner SPD-Bundestagsfraktion schriftlich erläutert. Interessant ist ein Blick in den Mandatstext und die Begründung: Die Bundesregierung interpretiert die (grund)gesetzlichen Vorgaben für den bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte ein wenig anders als bisher. Und: Die bereits abgeschlossenen Waffenlieferungen an die kurdischen Peshmerga-Kämpfer könnten, auch das legt der Mandatstext nahe, wieder aufgenommen werden.

In der vorgesehenen Ausbildungsmission sollen rund 100 Bundeswehrsoldaten, zusammen mit Soldaten verbündeter Nationen, die Kurden für ihren Kampf gegen die islamistischen ISIS-Terrormilizen schulen. Das Mandat ist zunächst auf ein Jahr befristet, bis Januar 2016 – allerdings ist die vom Außenminister genannte Beschränkung auf ein halbes Jahr nicht ausdrücklich im Text erwähnt.

Die verfassungs- und völkerrechtliche Grundlage, nach Ausführung der Bundesregierung:

Die deutschen Streitkräfte handeln im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Sie handeln bei ihrem Einsatz als Teil der internationalen Anstrengungen im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS, die sich selbst auch „Islamischer Staat“ nennt, von der nach Feststellung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine Bedrohung für Weltfrieden und internationale Sicherheit ausgeht (Sicherheitsrats-Resolution 2170 (2014) vom 15. August 2014). Die internationale Gemeinschaft leistet damit der Aufforderung des Sicherheitsrats Folge, die irakische Regierung im Kampf gegen ISIS zu unterstützen (vom Sicherheitsrat im Konsens angenommene Vorsitzerklärung vom 19. September 2014). Die Ausbildungsunterstützung wird auf Bitten und im Einverständnis mit der Regierung des Irak sowie der Regierung der Region Kurdistan-Irak geleistet. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN-Dokument S/2014/440) hat der irakische Außenminister alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS auch im Wege militärischer Ausbildung gebeten. Der Einsatz zur Ausbildungsunterstützung ist daher völkerrechtsgemäß, ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Eingriff in die Hoheitsrechte des Irak autorisieren müsste.

Da wird dann sicherlich die Einschätzung von Verfassungsrechtlern interessant. Denn bislang stützen sich die Bundeswehrmandate auf einen Einsatz im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit, wie es Artikel 24, Abs. 2 des Grundgesetzes vorsieht. Genau dieses System gibt es in diesem Fall allerdings nicht, es gibt ja auch keinen Beschluss der Vereinten Nationen. Sondern die Einschätzung der ISIS als Gefahr für Frieden und Sicherheit, die Aufforderung zur Unterstützung im Kampf gegen ISIS, die Erklärung des Vorsitzenden des Sicherheitsrats (das war US-Präsident Barack Obama) und die Bitte des Irak um Hilfe. Alles faktisch eine Rechtfertigung des Einsatzes einer Koalition der Willigen (die bewusst nicht so genannt wird), aber eben nicht wirklich eine Autorisierung durch das System kollektiver Sicherheit.

Ob das eine Rolle spielen wird, hängt natürlich davon ab, ob die Oppositionsparteien diese Begründung akzeptieren oder dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht vorgehen.

Was ist nun konkret vorgesehen? Dazu aus dem Mandatsentwurf:

Für die an der Ausbildungsunterstützung beteiligten bewaffneten Streitkräfte ergeben sich folgende Aufgaben:
Durchführung von militärischen Ausbildungslehrgängen für die Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak sowie der irakischen Streitkräfte im Nordirak mit Schwerpunkt Raum Erbil.
Übernahme der Koordinierungsverantwortung von militärischer Ausbildung im Nordirak für die Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak sowie der irakischen Streitkräfte, zeitlich begrenzt und in Rotation mit internationalen Partnern.
Wahrnehmung von Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben gegenüber der irakischen Regierung, der Regierung der Region Kurdistan-Irak, den irakischen Streitkräften sowie den Sicherheitskräften der Regierung der Region Kurdistan-Irak und zu den Hauptquartieren der multinationalen Partner im Rahmen der internationalen Allianz gegen ISIS.
Beratende Unterstützung internationaler Partner in Ausbildungszentren im Raum Erbil und Nordirak. Wahrnehmung von Konsultations- und Koordinierungsaufgaben zeitlich befristet auch in anderen Regionen des Irak.
Gewährleistung von Führungs-, Verbindungs-, Schutz- und Unterstützungsaufgaben für die Durchführung des Einsatzes deutscher Kräfte.
Koordination und Durchführung von Lieferungen humanitärer Hilfsgüter und militärischer Ausrüstung in den Nordirak. Koordination und ggf. Durchführung von strategischem luftgestützten Verwundetentransport sowie Behandlung verwundeter kurdischer Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak oder Angehöriger der irakischen Sicherheitskräfte in Deutschland zusätzlich zu den Aufgaben der Ausbildungsunterstützung.

Ergänzend werden Verbindungsoffiziere in die Stäbe der Anti-ISIS-Koalition – im US-Sprachgebrauch: Operation Inherent Resolve – im Irak selbst und in Kuweit geschickt. Und die möglichen weiteren Waffenlieferungen an die Kurden finden sich im Begründungstext des Mandats als bedarfsabhängige Fortsetzung von Lieferungen militärischer Ausrüstung:

Geplant ist weiterhin die bedarfsabhängige Fortsetzung von Lieferungen militärischer Ausrüstung an die Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak sowie die Unterstützung mit strategischem luftgestützten Verwundetentransport und Behandlung verwundeter Sicherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak bzw. der irakischen Streitkräfte in Deutschland.

Die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten werden zudem bewaffnet sein, allerdings nur zum Selbstschutz:

Die Anwendung militärischer Zwangsmaßnahmen ist zur Durchsetzung des auf Ausbildungsunterstützung begrenzten Auftrages für deutsche Einsatzkräfte nicht vorgesehen. Die eingesetzten Kräfte sind im Rahmen der Befehlslage zur Anwendung militärischer Gewalt zum Schutz von eigenem Personal und Material sowie dem Personal und Material von Partnernationen, die sich an der Ausbildungsunterstützung beteiligen, berechtigt (Eigensicherung). Das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung bleibt unberührt.

Und alles Weitere wird dann Sache einer politischen Debatte im Bundestag.

Nachtrag: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sieht keine verfassungsrechtlichen Probleme, wie sie dem Berliner Tagesspiegel sagte:

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes wies Leyen zurück. „Der Einsatz findet in einem System der kollektiven Sicherheit statt, ist damit verfassungsfest“, sagte sie. Die Verfassungsressorts hätten das „sehr gründlich geprüft“.

(Foto: ARABIAN GULF, Oct. 19, 201 An F/A-18E Super Hornet from the Sunliners of Strike Fighter Squadron (VFA) 81 makes an arrested recovery on the flight deck of the Nimitz-class aircraft carrier USS Carl Vinson (CVN 70) as the ship conducts flight operations in the U.S. 5th Fleet area of operations supporting Operation Inherent Resolve. – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Nick Brown)