Verteidigungsministerium siegt vor Gericht: Lagemeldungen fürs Parlament urheberrechtlich geschützt

Das Verteidigungsministerium hat mit seiner Ansicht, dass die für den Verteidigungsausschuss des Bundestages zusammengestellten wöchentlichen Lagemeldungen urheberrechtlich geschützt sind, vor Gericht einen Erfolg errungen. Das Landgericht Köln kam in einem am 2. Oktober verkündeten Urteil zu der Entscheidung, dass die so genannte Unterrichtung des Parlaments (UdP) einen hinreichenden Grad an geistiger Schöpfunghöhe aufweise und deshalb den Schutz des Urheberrechts genieße. Nach dem noch nicht rechtskräftigen Urteil, das Augen geradeaus! vorliegt, dürfen die UdP-Informationen künftig nicht mehr eins zu eins ins Internet eingestellt werden.

Hintergrund sind Veröffentlichungen der Recherche-Redaktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), die eine größere Zahl der Unterrichtungen des Parlaments als Faksimile auf ihrer Webseite veröffentlicht hatte. Die Papiere sind mit der (niedrigsten) Verschlusssachen-Einstufung Nur für den Dienstgebrauch (NfD) versehen. Gegen die Verletzung der Geheimhaltung klagte das Verteidigungsministerium jedoch nicht, sondern gegen eine aus seiner Sicht bestehende Urheberrechtsverletzung.

Das Gericht folgte in seinem Urteil der Argumentation des Ministeriums. Die UdPs seien urheberrechtlich schutzfähig: Zwar werden in den UdP Fakten und tatsächliche Gegebenheiten wiedergegeben, so dass ein Schutz der inhaltlichen Informationen als Sprachwerk ausscheidet. Die Schutzfähigkeit der von der Klägerin in ihrem Antrag in Bezug genommende Texte ergibt sich aber nach den vorstehenden dargestellen Grundsätzen aus der Darstellungsform der Texte, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die streitgegenständlichen UdP weisen nämlich einen hinreichenden Grad an geistiger Schöpfungshöhe auf. Wie die Beklagte selbst ausführt, folgen sämtliche UdP einem bestimmten Aufbau, wobei zunächst die politische Lage in dem jeweiligen Bundeswehreinsatzgebiet, sodann die Bedrohungslage und schließlich die Missionsbeteiligung der Bundeswehr dargestellt werden. (…) Die persönliche geistige Schöpfung ergibt sich dabei gerade aus der systematisierten und denknotwendig teilweise verkürzenden Aufbereitung der Sachinformationen, die einheiltich in allen UdP einem bestimmten Konzeptionsmuster folgt und auch visuell angepasst ist. Außerdem seien die Rechte an den Texten von den Verfassern, in der Regel Beamte und Soldaten, auf das Ministerium übergegangen,weil ein Beamter sie in Erfüllung seiner Dienstpflicht erstellt hat.

Nach Ansicht des Gerichts ist ein Urheberrechtsschutz für die Lagemeldung nicht ausgeschlossen, weil es sich um ein amtliches Werk handele. Das Urheberrecht sehe zwar für amtliche Veröffentlichungen eine Ausnahme von den Schutzvorschriften vor, nicht aber für interne Werke dieser Art, die gerade nicht auf eine möglichst weite Verbreitung ausgelegt seien.

Die Pressefreiheit wird nach Beurteilung der 14. Zivilkammer mit einem Verbot der Veröffentlichung nicht eingeschränkt: Ein Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit liegt jedoch nicht vor. Denn streitgegenständlich ist nicht die Frage, ob über die UdP berichtet werden dar, diese zitiert oder inhaltlich wiedergegeben dürfen, sondern allein, ob die Beklagte die konkreten Dokumente ins Internet stellen durfte. Deshalb werde auch das Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verletzt.

Auch das Zitatrecht wollte das Gericht in diesem Fall nicht gelten lassen. Ein zulässiges Zitat nach dem Urheberrecht liege nicht vor: Insoweit fehlt es bereits an eigenenen referierenden Ausführungen der Beklagten (…) für welche die eingestellten UdP als Beleg dienen könnten. (…) Das Wesen des Zitats ist dadurch gekennzeichnet, dass dem eigenen Werk erkennbar fremde Werke oder Werkteile hinzugefügt werden. Das Zitat darf demgegenüber nicht die Hauptsache des aufnehmenden Werkes darstellen. (…) Die Hinzufügung darf auch nicht allein zum Ziel haben, dem endnutzer das übernommene Werk leichter zugänglich zu machen.

(Aktenzeichen Landgericht Köln 14 O 333/13 vom 2.10.2014)

Was das für den künftigen journalistischen Umgang mit amtlichen Schriftstücken bedeutet – das müssen jetzt mal Juristen bewerten. Meine laienhafte Einschätzung: damit kann eine Behörde praktisch so jedes interne Papier, ob eingestuft oder nicht, als urheberrechtlich geschützt ansehen und eine Veröffentlichung in den Medien als Urheberrechtsverletzung verfolgen. Keine gute Aussicht. Allerdings: Die Ausführungen des Gerichts zum Zitatrecht scheinen eine Hintertür offen zu lassen – eine ausführliche journalistische Darstellung, der als Beleg ein solches Dokument angefügt wird, scheint danach zulässig. Aber auch das müssten Juristen bewerten.

Nachtrag: Ich habe David Schraven, den früheren Leiter der WAZ-Rechercheredaktion, die die Papiere online gestellt hatte, um einen Kommentar gebeten. Seine Antwort: Ich geh weiter und werde mich nicht beugen. Die Papiere bleiben online. So oder so. 

Nicht nur juristisches Problem ist, dass Schraven nicht mehr für die WAZ-Redaktion bzw, die Funke-Mediengruppe tätig ist. Bei der habe ich natürlich auch die Anfrage gestartet, wie sie weiter verfahren, allerdings bislang keine Antwort.

Nachtrag 2: Und weiter geht’s: Nach gebührender Wartezeit rief die Unternehmenskommunikation der Funke-Mediengruppe zurück und bat mich, die Anfrage schriftlich zu stellen. Mache ich natürlich und schaue mal, wann Antwort kommt.

Nachtrag 3: Es bleibt wohl vorerst offen, ob die WAZ bzw. die Funke-Mediengruppe in die nächste Instanz geht. Die am Freitagnachmittag eingegangene Antwort auf meine Anfrage: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir das Urteil und ggf. nächste Schritte noch prüfen.

(Grafik: Screenshot des Headers der WAZ-Webseite ‚Die Afghanistan-Papiere‘ unter Verwendung eines Fotos von Timo Vogt/randbild)