Lagebeobachtung Irak: Deutsche Waffen „pragmatisch, schnell und zweckmäßig“

PK Steinmeier von der Leyen

Die Bundesregierung hat am (heutigen) Mittwoch die Grundsatzentscheidung getroffen, Waffen für den Kampf gegen die islamistischen ISIS-Kämpfer im Nordirak zu liefern – faktisch dann an die kurdischen Milizen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen:

Wir sind aber auch im Grundsatz bereit, im Rahmen unserer Möglichkeiten Waffen und Munition den Kämpfern im Nordirak zur Verfügung zu stellen,die sich ISIS entgegenstellen.

Geprüft würden die Anfragen der Kurden jetzt zusammen mit den europäischen Verbündeten, unter der Vorgabe:

Was ist pragmatisch, schnell und zweckmäßig? Also sie müssen damit umgehen können.

(Das ganze Statement der Ministerin auf der BMVg-Seite

hier     

 

Kernaussage im Statement des Außenministers:

Wir können uns darüber hinaus vorstellen, auch weitere militärische Ausrüstungshilfe zu leisten – das war das Ergebnis der Besprechung heute Morgen nach dem Kabinett, an der die Bundeskanzlerin, der Vizekanzler, der Finanzminister, Frau von der Leyen und ich teilgenommen habe. Dazu kann auch Bewaffnung gehören. Großbritannien, Italien und Frankreich haben entschieden, solche Güter zu liefern. Wir sind bereit, das auch zu tun. Wir werden uns dazu auf das engste mit unseren europäischen und internationalen Partnern abstimmen.
Wir sind bereit, so bald wie möglich auch solche Hilfe für die Kurden auf den Weg zu bringen.
Alle diese Güter dienen dem Ziel, die kurdischen Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, sich gegen die Angriffe von ISIS zur Wehr zu setzen. In enger Abstimmung mit unseren europäischen und internationalen Partnern wollen wir das in einem Umfang tun, der die Fähigkeit der Peschmerga zur Verteidigung stützt und stärkt.

(Dazu gibt’s auch ein Video vom Auswärtigen Amt)

Nun ist es, pardon liebe Journalistenkollegen, eine Kehrtwende der Bundesregierung nicht deshalb, weil Deutschland Kriegswaffen in ein Spannungsgebiet zu liefern beabsichtigt. In den Irak wurden 2011 und 2012 insgesamt 24 Kampfhubschrauber vom Typ EC635 geliefert, genehmigt von der Bundesregierung, wie dieser Ausriss aus dem Rüstungsexportbericht 2011 zeigt:

RueExport_Irak_2011

Und nach meiner Erinnerung war der Irak damals auch ein ziemliches Spannungsgebiet. (Nebenbei: die Genehmigung dafür erfolgte unter einer schwarz-gelben Bundesregierung, was die Aussage des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner Waffenlieferungen in den Irak wären eine weitreichende Änderung außenpolitischer Grundlinien der Bundesrepublik. Eine solche Entscheidung ohne Regierungsklärung der Bundeskanzlerin und ohne Billigung des Deutschen Bundestages zu treffen, ist eine regelrecht dreiste Anmaßung der Großen Koalition. ein bisschen absurd macht.)

Aber die Waffenlieferungen, wenn sie dann stattfinden, wären aus einem anderen Grund eine Kehrtwende: Erstmals würden damit Kriegswaffen nicht an eine Regierung geliefert, sondern an eine nicht-staatliche Miliz, nämlich an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer. Formal mag das mit einer möglichen Einverständniserklärung der Regierung in Bagdad in Ordnung gehen, faktisch ist es natürlich etwas Neues. Da ist es dann schon fast zweitrangig, welche Waffen nun geliefert werden – am wahrscheinlichsten (und so wurde das hier ja auch schon diskutiert) sind leichte panzerbrechende Waffen wie Panzerfäuste bis hin zur Milan-Panzerabwehrrakete.

Die deutsche Ankündigung und ähnliche Entscheidungen anderer Europäer belegen allerdings nur, so scheint es, die Verzweiflung und Ratlosigkeit des Westens, wie mit den ISIS-Kämpfern und ihrer demonstrativen Brutalität umzugehen ist. Wenn man nicht bereit ist, und das ist im Moment offensichtlich kein Land, mit eigenen Truppen über Luftangriffe hinaus die Ausdehnung des selbsternannten Islamischen Staates zu stoppen.

Für die Belieferung mit humanitären Gütern wie in den vergangenen Tagen hat sich das Verteidigungsministerium mittlerweile übrigens für einen anderen Weg entschieden, als Transall mit Zwischenstopp in der Türkei (und den damit verbundenen Problemen) zu schicken: Demnächst, so erfuhr Augen geradeaus!, sollen gecharterte Antonov124 aus dem SALIS-Charterprogramm mit deutschen Hilfsgütern nach Erbil fliegen.

(Foto: Thomas Köhler/photothek,net)

[Redaktioneller Hinweis: Ich übernehme am morgigen Donnerstag wieder vom OvWa das normale Geschäft; Kommentare bleiben also noch auf moderiert.]