Bundeswehr-Ausrüstung: Alles kaputt, alles am Boden?

Die Geschichte, mit der der Spiegel am (heutigen) Montag sein Heft beginnt, hat bereits am vergangenen Wochenende für den Start heftiger Debatten gesorgt. Schein und sein ist sie überschrieben, aus der Vorabmeldung dazu:

Die Einsatzfähigkeit der Luftwaffe ist stark eingeschränkt. Laut einem vertraulichen Bericht an die Spitze des Verteidigungsministerium, der dem SPIEGEL vorliegt, sind von den 109 Kampfflugzeugen vom Typ Eurofighter nur 8 uneingeschränkt verfügbar. Beim Transporthubschrauber CH-53 sind von 67 Maschinen nur 7 voll einsatzfähig. Beim Helikopter-Typ NH90, der auch in Afghanistan verwendet wurde, sind es von 33 Maschinen lediglich 5. Ähnliches gilt nach SPIEGEL-Informationen auch für die Transall- Transportflugzeuge, die für den Transport von Hilfsgütern und Waffen in den Irak vor gesehen sind. Von den 56 Maschinen stehen 21 zum Einsatz bereit. In einem weiteren internen Bericht werden als Ursachen für die geringe Einsatzbereitschaft etwa beim NH90 genannt, dass der Ersatzteilzulauf „erheblich verzögert“ und „nahezu unplanbar“ sei.

Wie die Erwähnung des NH90 schon zeigt: Da geht es nicht nur um die Luftwaffe.

Eine offizielle Reaktion zu der Geschichte gibt es (noch) nicht, mit Ausnahme der recht knappen Ansage aus dem Verteidigungsministerium, es handele sich um eine Momentaufnahme. (Siehe dazu den Nachtrag unten)

Die bereits angelaufene Debatte hier zeigt allerdings, dass es eben nicht nur eine Momentaufnahme ist… Deshalb hier gezielt der Raum für die weitere Diskussion darüber. (Die bereits aufgelaufenen Kommentare dazu verschiebe ich hierher.)

Nachtrag: Eine weitere Meldung bei Spiegel Online, und die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz vom Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff:

Frage: Herr Flosdorff, ich würde ganz gerne auf den Bericht des „Spiegel“ von heute zu sprechen kommen. Darin ist von dem mangelhaften Ausrüstungsstand die Rede. Es wurden dort Zahlen genannt, und es wird aus einem Papier zitiert. Kann Ihr Ministerium dazu Stellung beziehen?
Flosdorff: Selbstverständlich haben wir wie alle anderen Streitkräfte und Armeen dieser Welt einen Überblick darüber, in welchem Zustand unsere wesentlichen Waffensysteme sind. Ich bitte um Verständnis dafür, dass dies kein Thema ist, das wir hier irgendwie in der Öffentlichkeit en Detail erläutern.
Ich möchte aber trotzdem ein paar grundsätzliche Anmerkungen dazu machen. Die Bundeswehr ist für den Normalfall gut gerüstet. Deutschland ist der zweitgrößte Nettozahler in der Nato und bringt im Vergleich mit anderen bedeutenden Ländern innerhalb der Nato durchaus wesentliche Ressourcen und Mittel in die Nato ein. Wenn es in den letzten Jahren, und das ist allen hier im Raum bekannt, Engpässe bei der Materialversorgung der Bundeswehr gab, dann war das in aller Regel nicht in erster Linie eine Frage des Geldes, sondern es ging um Lieferprobleme und -schwierigkeiten, also darum, dass Material schon längst durch Anschlusssysteme, die vor langer Zeit geordert worden sind, hätte abgelöst sein sollen. Das hat nicht immer nur die Ursache, dass die Industrie nicht liefert, sondern häufig auch, muss ich der Fairness halber sagen, dass vonseiten der Bundeswehr nachgefordert wurde, was bestimmte Spezifikationen anging, und dass bei Beauftragungen noch etwas draufgesattelt wurde, was dann zu Verzögerungen führte.
Fakt ist, und dieses Thema kennen Sie hier auch alle seit einigen Jahren, dass wir häufig am Ende des Jahres dastehen, den Etat, den wir haben, nicht ausschöpfen können und das Geld an den Finanzminister zurückgeben, weil Rechnungen einfach nicht bezahlbar sind, da die Systeme nicht da sind. Das ist das drängendste Problem bei der Bundeswehr. Das ist auch kein schöner Befund. Deswegen sind wir ja gerade dabei, und das ist Ihnen allen bekannt, das ganze Bestellprozedere, das wir bei der Bundeswehr haben, und auch das Lieferprozedere sowie Vertragsbeziehungen mit unseren wesentlichen Lieferanten auf den Prüfstand zu stellen. Dafür haben wir externe Fachleute im Ministerium, die jetzt gerade dabei sind, zu prüfen, und die auch noch in diesem Herbst mit ihrem Bericht zu Schlussfolgerungen kommen werden. Auch die Bundesregierung beziehungsweise das Verteidigungsministerium werden Schlussfolgerungen ziehen und, wenn nötig, Korrekturen vornehmen.
Wenn die Bundeswehr im Zuge von Belastungen, die im Rahmen der Bundeswehrreform noch nicht absehbar waren und mit eingeplant werden konnten, über das Normalmaß hinaus gefragt ist und neue Anforderungen auf die Bundeswehr zukommen – eventuell im Rahmen strategischer Neuausrichtungen, die dann sicherlich nicht nur hier in Deutschland, sondern auch im Rahmen der Arbeit und Absprachen mit den Bündnispartnern stattfinden -, dann wird man das – sicherlich auch immer wieder an die Haushaltssituation der Bundeswehr angepasst – neu bewerten müssen. Aber die aufgeführten Fälle sind nicht in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es jetzt aktuell an Haushaltsmitteln fehlen würde.
Zusatzfrage: Wie viele Maschinen vom Typ „Eurofighter“ sind denn im Bestand der Bundeswehr, und wie viele sind einsatzfähig?
Flosdorff: Ich weiß auch nicht genau, wie man in der Presseberichterstattung zur Definition von Einsatzfähigkeit kommt. Ich bitte, um noch einmal zum Ausgang meine Äußerungen zurückzukommen, aber um Verständnis dafür, dass ich hier nicht Bewertungen eines einzelnen Waffensystems vornehmen werde. Sie können sich vorstellen, dass wir einen aktuellen Überblick darüber haben, aber ich werde das weder bestätigen noch dementieren noch an dieser Stelle irgendwelche Details dazu nennen.
Frage: Herr Flosdorff, Deutschland hat ja sehr konkrete Zusagen im Rahmen der Nato-Vereinbarung zur „reassurance“ der östlichen Mitgliedstaaten gemacht. Da ist jetzt für Anfang September die Überführung von „Eurofighter“-Maschinen nach Estland geplant. Werden die Bundeswehr oder die Luftwaffe denn in der Lage sein, diese Geräte dann einsatzbereit dort herüberzubringen?
Flosdorff: Ja, die Vorauskommandos sind unterwegs, und am 1. September wird Deutschland dort seine eingegangenen Verpflichtungen selbstverständlich wahrnehmen.

(Foto: NH90 auf der ILA 2014)