Lagebeobachtung Ukraine 2. Mai: Angriff auf Sloviansk

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In der Ost-Ukraine hat am (heutigen) Freitagmorgen offensichtlich ein Angriff der ukrainischen Sicherheitskräfte auf die Stadt Sloviansk (Slavyansk/Slawjansk) begonnen; die bisherigen Meldungen sprechen von Gefechten und möglicherweise abgeschossenen Hubschraubern. In Sloviansk werden (oder wurden?) auch die entführten ausländischen Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, gefangengehalten – ob sie in der nunmehr umkämpften Zone sind, ist unklar:

 

meldet der Bild-Reporter Paul Ronzheimer. Die Entwicklung, im Rahmen des möglichen aktualisiert (und gerne mit Ergänzungen in den Kommentaren): Die erste Zusammenfassung des russischen Senders Russia Today (s. Screenshot oben): Ukrainian troops begin special operation in Slavyansk

The Ukrainian army has reportedly begun a special operation against pro-autonomy activists in the eastern town of Slavyansk. The city is now blockaded by the Ukrainian military, with 20 helicopters deployed to crack down on self-defense forces.

Weitere Lagemeldungen, nach Zeitpunkt des Einlaufens:

 

 

 

Aus der Zusammenfassung von Associated Press: Gunfire, blasts in insurgent-held Ukraine city

Vyacheslav Ponomarev, the insurgency-appointed mayor of Slovyansk, said self-defense forces had shot down two helicopters, killing one pilot and capturing the other. The Ukrainian interior minister, Arsen Avakov, confirmed on his official Facebook page that one pilot was killed and another wounded, but did not say how. Avakov said government troops had met with fierce resistance from the armed pro-Russia forces, but had managed to take control of nine checkpoints on roads around Slovyansk.

Zur strategischen Bedeutung von Sloviansk eine Einschätzung britischer Experten beim Royal United Services Institute: Ukraine Crisis: The Strategic Importance of Slavyansk

 

Diese Videoaufnahme in einem russischen TV-Sender soll Abwehrfeuer gegen Hubschrauber zeigen. In einigen (auch westeuropäischen) Medien ist vom Einsatz von Flugabwehrraketen die Rede – allerdings gibt es dafür keine Bestätigung, und es scheint, als sei das auch nur ein Umkehrschluss aus der Tatsache, dass mindestens ein Hubschrauber abgeschossen wurde: (Direktlink: http://youtu.be/F9a6kFvdUus)

  Nunmehr scheint es doch eine Bestätigung zu geben, dass die pro-russischen Separatisten über MANPADS (man-portable air defense systems, schultergestützte Flugabwehrraketen) verfügen:

(Die obige Information scheint von der Facebook-Seite des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow zu stammen.)

Für die Übersicht: Eine Karte des Raums Sloviansk/Kramatorsk bis Konstantinovka von OpenStreetMap. Nach den bisherigen Berichten werden die Journalisten, die nicht in Sloviansk selbst sind, südlich der Stadt auf der Straße von Kramatorsk gestoppt. Aber auch der Raum Konstantinovka soll weiterhin unter Kontrolle pro-russischer Milizen sein: slowjansk_osm   Einen (russischen) Livestream aus Slovianks selbst (wenn auch recht wackelig) gibt es beim russischen Sender Lifenews. Unklar bleibt bislang, ob die ukrainische Operation dazu dient, die Kontrolle über Sloviansk (und ggf. die Nachbarstädte) zurückzuerlangen – oder ob es sich um den Versuch einer gezielten Aktion zur Befreiung von Geiseln in der Stadt handelt.   Wieder eine Zusammenfassung von AP: 3 killed in fighting in Ukraine’s east  

  Neben dem militärischen Ausgang der Operation wird auch entscheidend sein, welche Propaganda-Folgen der ukrainische Angriff hat. Angeblich wurden Frauen und Kinder aufgerufen, im Stadtzentrum für einen Video-Appell an Russlands Präsident Wladimir Putin zusammenzukommen, und es gibt bereits emotionale Aufrufe:

Ein russischer Sondergesandter war in der Region Sloviansk unterwegs – nach russischen Angaben, um über die Freilassung der Geiseln zu verhandeln (war das bislang nicht kommuniziert worden oder habe ich das nur übersehen?) Zu Wladimir Lukin sei allerdings der Kontakt abgerissen, meldet die russische Agentur RIA Novosti. Ein Blick auf ukrainische Soldaten, Graham Phillips sagt, am Ortsrand von Sloviansk, drei Videos:

(Direktlink: http://youtu.be/bdJVHXJzJtQ) (Direktlink: http://youtu.be/gclUUE6JHxw ) (Direktlink: http://youtu.be/M6_lDvHEOEw) Russland hat die OSZE aufgerufen, darauf hinzuwirken, dass die ukrainische Regierung ihre Strafaktion bei Sloviansk beendet, berichtet die russische Agentur ITAR-TASS. Inzwischen sollen mehrere ausländische Journalisten von pro-russischen Separatisten verschleppt worden sein – und möglicherweise als Geiseln dienen:

 

Update: Die entführten Journalisten wurden inzwischen wieder freigelassen:

 

… und der Kampf um die Deutungshoheit hat längst begonnen, wie dieser Tweet der Russia-Today-Reporterin Paula Slier zeigt:

 

 

Trotz der Militäroperation bei Sloviansk seien die entführten Militärbeobachter – vier deutsche, ein Däne, ein Tscheche und ein Pole – in Sicherheit, sagt ein Sprecher des dänischen Verteidigungsministeriums (Google-Übersetzung hier)

Unterdessen sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, es gebe Kontakt zu den Entführten Militärbeobachtern (berichtet unter anderem die Süddeutsche Zeitung, Link aus bekannten Gründen nicht)

 

Ein Appell des Bürgermeisters von Sloviansk, Wjatscheslaw Ponomarjow – mit dem Aufruf an Frauen und Kinder, das Haus nicht zu verlassen:

(Übersetzung von Al Jazeera: Good day [to you] dear residents of Slov’yansk. I’d like to address you with a statement. Our town has been attacked. Our town is being stormed. There are losses. I am asking children, women and pensioners do not to leave homes, and men who have weapons, to help however they can. Well, I think we will to defend our town. Thank you for your attention. Thank you for your help. We’ll win.)

Eine Stellungnahme von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, BMVg um 13.50 Uhr:

Die jüngste Entwicklung in der Region Slawjansk ist sehr bedenklich. Ich bin in großer Sorge um die in Slawjansk festgehaltenen OSZE-Inspekteure. Dasselbe gilt für meine Kollegen, die Verteidigungsminster aus Polen, Dänemark und Tschechien, die ebenfalls für festgesetzte Mitarbeiter in der Ukraine Verantwortung tragen. Wir stehen seit einer Woche im engen telefonischen Kontakt und tauschen untereinander täglich Informationen aus. Der Zustand der festgehaltenen Inspekteure war nach dem, was man aktuell weiß, heute Morgen noch den Umständen entsprechend gut. Doch die Lage ist durch die jüngste Eskalation nicht einfacher geworden. Der Krisenstab beim Auswärtigen Amt und die von deutscher Seite unterstützte Mission der OSZE vor Ort leisten eine gute Arbeit. Wir hoffen, dass diese intensiven Bemühungen jetzt keinen Rückschlag erleiden. Alle Beteiligten sollten jetzt zu einer Situation beitragen, in der Gespräche über eine baldige Freilassung Erfolg haben können.

 

 

 

(Hinweis: Zu den Infos über die entführten Militärbeobachter habe ich, der Übersichtlichkeit halber, einen neuen Thread aufgemacht)

 

 

Die russische Lesart der ukrainischen Operation:

 

Eine weitere Zusammenfassung der Ereignisse, von Reuters:

 

Während alles auf die Ost-Ukraine schaut, ein Blick nach Odessa:

(Mehr zu Odessa bereits in den Kommentaren.)

 

Russland hat eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats verlangt, die noch am Freitag stattfinden wird.

Die Abendzusammenfassung von AP: Ukraine: ‚Many‘ insurgents killed in Slovyansk

(Zur Einordnung der Quellen: Paul Ronzheimer ist Reporter der Bild-Zeitung; CJ Chivers ist Korrespondent der New York Times, Paul Gypteau RV-Korrespondent für AFP in Russland; Nataliya Vasilyeva ist AP-Korrespondentin in Moskau; Graham Phillips ist ein Brite, der für Russia Today arbeitet; Marc Burleigh arbeitet für AFP; Boran Pancevski ist Korrespondent der Sunday Times)