Für eine attraktivere Bundeswehr: Debatte mit erster Ministerinnen-Rede im Bundestag
Im Bundestag beginnt jetzt die Debatte über den Bericht des Wehrbeauftragten für das Jahr 2012 – dieser Bericht liegt zwar schon seit etwa einem Jahr vor, ist aber 2013 im Parlament nicht debattiert werden. Da wird dann Ursula von der Leyen ihre erste Bundestagsrede als Verteidigungsministerin halten, und es dürfte das von ihr am vergangenen Wochenende prominent in die öffentliche Debatte eingebrachte Thema familienfreundlichere Bundeswehr und Erhöhung der Attraktivität eine große Rolle spielen.
Der Bericht selbst steht hier.
Ich versuche ein wenig, diesen Eintrag aktuell aus der laufenden Debatte zu ergänzen (wer Zeit hat und Zugang zu TV oder Internet, kann die Diskussion im Parlament ja live verfolgen).
Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus eröffnet die Debatte – es ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen er in dieser Funktion vor dem Plenum reden kann. Königshaus eröffnet seinen Beitrag mit Dank an den früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Wünscht der neuen Ministerin viel Erfolg: „Sie können auf meine Unterstützung bauen, und ich hoffe auch auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
Königshaus berichtet über die Neuausrichtung der Bundeswehr im Jahr 2012 (!): Die Unklarheit der Soldaten über ihre persönliche Zukunft habe die Stimmung getrübt, „und das war auch im Folgejahr nicht besser“. Auch aus heutiger Sicht gelte: „Nachhaltig sind die Strukturen aus meiner Sicht immer noch nicht.“
Entlastungen bei den Einsätzen seien nicht zu erwarten, im Gegenteil. Bundeswehr wird den Bedarf gerade bei Spezialverwendungen anpassen müssen – oder den Umfang der Einsätze begrenzen. Das fast schon routinemäßige Angebot von Lufttransport berücksichtige nicht, wie gering die Reserven seien.
Zentrale Frage sei die Attraktivität der Streitkräfte. Vereinbarkeit von Familie und Dienst sei der Schlüssel für die Attraktivität – und das ist eine Schlüsselfrage: Ohne Attraktivität gibt’s keinen Nachwuchs.
Die gesellschaftliche Entwicklung im sozialen Bereich in der Gesellschaft müsse auch in der Truppe nachgeholt werden.
Als nächste Rednerin ist Verteidigungsministerin von der Leyen an der Reihe.
An Königshaus: „Sie haben nicht nur Verbesserungsvorschläge, wofür ich danke, sondern Sie erkennen auch an, wenn es Verbesserungen gegeben hat.“ Diesen „Klaren Ansatz begrüße ich ausdrücklich“.
Vorgänger de Maizière habe der Neuausrichtung Ordnung und Struktur gegeben. An den grundlegenden Entscheidungen halte sie fest: „Sie ist gut, die Reform.“ Aber „selbstverständlich wollen wir eine lernende Organisation bleiben“, die Lage der Bundeswehr in NATO und EU verändere sich. „Wir müssen uns ehrlich machen“, wie wir Fähigkeiten erhalten bei sinkenden Verteidigungsbudgets.
Internationale Einsätze: Nach Auslaufen von ISAF werde der Einsatz daran gemessen, wie es gelinge, aus dem Land herauszugehen.
„Unser Kernauftrag ist die Verteidigung“, das werden inzwischen global verstanden, „aber das Bedarf immer wieder der Begründung“. Die Antwort auf die Sinnfrage sei für Soldaten mindestens ebenso wichtig wie eine gute Ausrüstung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Alle drei Punkte seien gleich wichtig.
Gerade weil Soldaten eine besondere Aufgabe haben, „müssen die Rahmenbedingungen besser sein“. Gilt zum Beispiel für angepasste Kinderbetreuung, eine moderne Arbeitszeitregelung – „das muss nicht unbedingt mit mehr Kosten verbunden sein“. Die häufigen Versetzungen, „wenn nicht eine steile Karriere dahinter steht“, auf Notwendigkeit überprüfen.
„Das sind Fragen ganz moderner Unternehmensführung“. Die Bundeswehr ist „auch ein global agierender Konzern“, mit Auslandsstandorten, Luftfahrtunternehmen, Reederei, Krankenhausverbund, Logistikunternehmen, Schulen und Hochschulen. „Wir verlangen viel, deshalb brauchen wir auch den besten Nachwuchs, und wir brauchen die besten Bedingungen für die, die schon bei uns sind.“
In dieser Woche beginnt eine systematische Bestandanalyse: Was gibt es schon, wo ist der Bedarf am größten?
„Man wird Geld in die Hand nehmen müssen“, zum Beispiel bei Kinderbetreuung. Aber die Frage der Versetzungen ist nicht von vornherein eine Frage von mehr Geld.
Auf die Ministerin reagiert die Opposition – Christine Buchholz, friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion:
Von der Leyen mache einen unlösbaren Widerspruch auf: „Eine Armee im Einsatz und Familienfreundlichkeit sind unvereinbar.“ Die Ministerin habe im Interview gesagt, dass auf vier Monate Einsatz 20 Monate Regeneration folgten – das entspreche nicht der Wirklichkeit, wie auch der Wehrbeauftragte belege.
„Die Armee im Einsatz zerstört Familien – in Einsatzgebieten wie in Afghanistan, aber auch in Deutschland.“
Die Ministerin solle nicht so tun, als habe die Versetzungswelle nicht mit dem Umbau der Bundeswehr zur Einsatzarmee zu tun. Alles werde dem Einsatz untergeordnet.
„Je mehr Einsätze die Bundeswehr durchführt, desto mehr junge Menschen kommen seelisch versehrt zurück.“ Es gehe nicht um den Menschen, sondern um seine psychische Fitness für den Einsatz – „und das ist zynisch“. Sie zitiert den Veteranen (und Blogger) Daniel Lücking: Die Kosten dafür trügen die Sozialkassen.
Die Lage in Afghanistan entspanne sich nicht – im Gegenteil. Der Einsatz fordere immer mehr Tote unter den Afghanen, und die NATO werde angesichts des Vorgehens unter anderem amerikaner Soldaten immer mehr als Gegner angesehen, und damit auch die Bundeswehr.
Buchholz bringt Drohnen in die Debatte ein: Der Einsatz von „Spionagedrohnen“ und von „Kampfdrohnen“ im Kampf gegen den Terror sei nicht voneinander zu trennen.
Abschließend: „Wir brauchen keine Armee im Einsatz.“
Nächster Redner: Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold:
Wer den Bericht des Wehrbeauftragten lese oder die Medienberichte, könnte zu dem Eindruck kommen, in der Bundeswehr gehe es drunter und drüber – „dem ist nicht so“. Die meisten arbeiteten gut.
Der Wehrbeauftragte habe übrigens den Auftrag, Sensor zu sein – nicht so sehr, Hinweise auf neue Waffensysteme zu geben, sagt Arnold, während Königshaus gequält grinst.Arnold sichert der Ministerin die Unterstützung der SPD zu. Verweist aber auch darauf, dass zum Thema Attraktivität oder Vereinbarkeit von Dienst und Familie schon etliches Material im Verteidigungsministerium vorliegen: „Es ist alles schon aufgeschrieben und wird eigentlich von den Soldaten erwartet.“
Es gehe dabei nicht nur um Nachwuchswerbung, „es geht um das innere Gefüge in den Streitkräften.“ Nur wenn sie ihr Privatleben planen könnten, könnten sie auch Staatsbürger in Uniform sein.
„Sie sind unbefangen als neue Ministerin, so habe ich das empfunden, an die Themen herangegangen.“ Sie sollten die Chance nutzen, die Reform zu evaluieren: Mängel bei der Personalausstattung, Versetzungen, Standortschließungen, die kein Geld sparen und am Ende noch mehr Kosten generieren. Wo es neue Erkenntnisse gebe, sollten wir alle die Kraft haben, die Reform auch nachzusteuern. Nötig seien z.B. regionale Personalplanungsmodelle.
Soldat ist kein Beruf wie jeder andere – der entscheidende Unterschied: Dass er ins Ausland kommandiert werden kann, im deutschen Interesse. Da wird eine hohe persönliche Verantwortung erwartet. „Die Qualität der Streikträfte hängt nicht in erster Linie an neuen und teuren Waffensystemen“… sondern es hängt daran, dass wir „die klugen und guten Menschen“ für diesen Beruf interessieren.
Agniezska Brugger, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen:
Vereinbarkeit von Familie und Dienst, Kinderbetreuung etc wurde als Thema zu lange belächelt. Angesichts des demographischen Wandels müssen wir besonders darauf achten, wer sich mit welcher Motiviation für die Bundeswehr entscheidet. Bei der Entscheidung für oder gegen die Streitkräfte ist die Vereinbarkeit mit der Familie „ein unheimlich wichtiges Kriterium“.
„Aber mit dem Anstoß einer Debatte ist es natürlich noch lange nicht getan.“ Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen, denn die Vereinbarkeit gibt es nicht umsonst – dazu haben wir noch nichts gehört. Das wird Geld kosten, und die Ministerin muss offen legen, an welchen anderen Stellen des Haushalts dafür gespart werden soll.
Von der Leyen hat in früheren Ämtern schon Erwartungen geweckt, die dann schnell wieder einkassiert wurden.
Und sehr überrascht, dass die neue Ministerin bislang nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen hat. Es gibt auch andere verteidigungspolitische Fragen: Zukunft der Einsätze, Entwicklung in Afghanistan, Entwicklungen in Afrika, wie weiter mit der Rüstungspolitik? „All das sind Baustellen, die Sie jetzt schnell anpacken müssen.“
Für die Unionsfraktion: Anita Schäfer von der CDU
Der Koalitionsvertrag steht für Kontinuität bei der Reform der Bundeswehr.
Besonders froh über den Einsatz der Jugendoffiziere; halte es für selbstverständlich, dass sie auch weiterhin ihre Arbeit an Schulen und Hochschulen leisten.
Wichtig für die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft ist auch die Präsenz in der Fläche und die Beibehaltung einer Truppenstärke von 185.000 Mann.
Attraktivitätsprogramm der früheren Bundesregierung für die Bundeswehr – Einführung von Teilzeit- und Telearbeit, Kinderbetreung an Standorten etc. – hat gute Vorarbeiten geleistet. Das Problem der Versetzungen haben wir Parlamentarier schon vor drei Jahren erörtert; der Ministerin dankbar, dass sie das aufgegriffen hat. „Ich würde mich freuen, wenn noch weitere Themen aufgegriffen würden“, die wir in einer Arbeitsgruppe damals behandelt haben.
„Auftrag der Bundeswehr ist die Gewährleistung der Sicherheit unseres Landes im Bündnis“, Attraktivität und Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist kein Selbstzweck. Im Koalitionsvertrag steht Beratung über Kampfdrohnen – die Debatte muss zu einer klaren Entscheidung führen: Dürfen wir unseren Soldaten das Mehr an Sicherheit verweigern?
Aber die entscheidenden Schlachten werden im Haushaltsausschuss geschlagen, wenn es um die Finanzierung geht.
Nach dieser ersten Debattenrunde beende ich mein Liveblogging von dieser Diskussion im Parlament. Wenn das Bundestags-Protokoll der Debatte vorliegt, verlinke ich es hier.
Herr Arnold liest wohl mit :-)
OK. Bis jetzt viel Gerede. So wie es immer schon war. Ich bin gespannt was sich wirklich in den nächsten Monaten/Jahren so tut.
Wie schön, dass wieder einmal die Jugendoffiziere in einer Ansprache erwähnt wurden – das freut doch ungemein.
Und auch die gelbe Schleife setzt sich immer mehr durch bei den Abgeordneten. Finde ich gut.
Da fragt man sich ob es Absicht ist, grade heute die „Studie zu Dienstzeit- und Dienstzeitausgleichsmodellen für Soldaten“ ins Intranet einzustellen. Dazu ncoh auf prominenter Seite.
Interessant auch, dass dort die damalige Entscheidung des damaligen Staatssekretärs Wichert, die EU- Arbeitszeitrichtlinie für Soldaten nicht gelten zu lassen (aufgrund deren besonderen Status) als recjtlich sehr fragwürdig dargestellt wird.
Die Umsetzung der Studie wäre ja mal ein guter Schritt in die richtige Richtung – auch zur Rechtssicherheit der Soldaten.
Persönlich frage ich mich, warum diese Studie, wie so viele Andere, nicht in der versenkung verschwunden ist…..
@Bear
Die Studie wurde mit Sicherheit deshalb gestern(!) am späten Vormittag eingestellt, weil die große deutsche Tageszeitung mit vier Buchstaben eben gestern darüber berichtet hat, das die Misere eine Studie (genau die) zur zeitlichen Belastung der Soldaten zurückgehalten hat! Die Studie wurde nämlich schon vor mehr als einem halben Jahr ans BMVg übergeben.
vdL: “selbstverständlich wollen wir eine lernende Organisation bleiben”
Bleiben? Da hab ich wohl bisher was verpasst.
Man lege einfach mal Erfahrungsberichte der letzten 5 Jahre nebeneinander.
@ Memoria
Der war gut !
„Wer glaubt etwas zu sein, hört auf etwas zu werden“
@Memoria
Ständiges Versagen ist auch eine Form der Konstanz.
Im Ernst:
Seit Jahren werden immer wieder die selben Probleme im Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Bundestages behandelt. Für das Parlament bleibt er dennoch ein Grüß-Onkel der Sicherheitspolitik.
Innerhalb der Bw zuckt sicher noch der Kdr, wenn ein Schreiben des Herr WBdBT aufschlägt, aber nicht weil etwa ein Mißstand zu Tage getreten ist, sondern ausschließlich weil unter Umständen die eigene Karriere auf dem Spiel steht.
Bestes Beispiel für die parlamentarische Irrelevanz ist die „Klarheit“ für Soldaten bzgl. deren weiterer Verwendung.
Im Juni 2012 [sic!] sprach de Maizere von „Klarheit für alle Soldaten“. Über EINEINHALB JAHRE SPÄTER wissen immer noch nicht alle wie es mit Ihnen weitergeht. die durch die SPD in den Raum geworfenen Überlegungen ob einer möglichen „Öffnung des Sacks“ für einzelne StO macht die Situation kein Deut besser.
Der WEhrbeauftragte berichtete auch brav jedes Jahr. Man könnte sagen der IBUK hat seine Soldaten belogen. Gab es IRGENDEINE Reaktion des Parlaments darauf?
Zitat Bear58: „Interessant auch, dass dort die damalige Entscheidung des damaligen Staatssekretärs Wichert, die EU- Arbeitszeitrichtlinie für Soldaten nicht gelten zu lassen (aufgrund deren besonderen Status) als recjtlich sehr fragwürdig dargestellt wird.“
Hat sich das Ministerium eigentlich schon um die Sache mit der Arbeitszeitrichtlinie für zivil besetzte Marineschiffe gekümmert?
http://augengeradeaus.net/2012/01/demnachst-wieder-marine-tanker-nach-somalia/
In der ARD-Mediathek findet sich noch immer ein Bericht von Panorama 3 („Marine: Einsätze scheitern an Arbeitszeitregelung“) vom März 2013…
T.W. : Vielen Dank für die Schnell-Info – leider habe ich den Auftrtitt und die Debatte nicht verfolgen können, es hätte mich sehr interessiert.
Verwunderlich ist für mich, dass 2012 (!) zitiert und vorgetragen wurde – der aktuelle Bericht scheint mir weit interessanter zu werden. Vielleicht kennt Herr Königshaus den aber auch nicht.
Zu begrüßen ist, dass jetzt endlich „Vereinbarkeit von FuB“ ein Thema im Parlament und damit auch ein Thema in der Öffentlichkeit wird. Ob Kindergärten und DiMiDo-ArbZeitModelle dazu führen, familienfreundlichere Verteidigungspolitik zu betreiben, bleibt zu bezweifeln. (Ich stelle mir gerade die Kita in AFG vor…….. oder den Wochenendheimflugbetrieb bei Einsatz, wenn es nur die DIMIDO – ArbZeit gibt….) Es ist und wird ein schwieriges Thema bleiben. Die derzeit so angepriesene neue Studie, die wohl derzeit an einige Wenige ging, würde zum Erfolg führen, wenn jeder Angehörige (alle! vom Küchenhilfspersonal bis zum 6-Sterne-General) das Papier ausfüllen. Ansonsten habe ich den Beigeschmack. dass gezielt „unschuldig glücklichem Personal“, „zufällig“ ausgewählt, die Möglichkeit der Teilnahme gegeben wird.
Auf geht’s: attraktiver kaempfen, toeten und sterben . . .
Und weil der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Auftrag, duerfen auch keine Drohnen genutzt werden. Ist doch alles viel persoenlicher . . .
Ich habe mir die Studie heute im Intranet mal angeschaut und bin eigentlich positiv überrascht. Es wird deutlich zwischen Einsatz, Einsatzvorbereitung und Grundbetrieb unterschieden. Ebenso wird die Marine mit ihren Schiffen ebenfalls gesondert betrachtet. Hier hat sich die Firma wirklich Mühe gegeben und sehr detailliert ausgewertet. Daraus resultieren einige gute Ideen wie z.B. die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten ( die es in anderen Armeen auch gibt)
Krass finde ich, das die Bundeswehr in der Woche 270000 Überstunden produziert, wobei hier die Mannschaften deutlich mehr leisten als Offiziere. Ich dachte das wäre etwas anders. Auch wenn manche hier den Untergang des Abendlandes befürchten, es wird genau darauf geachtet das eben der Einsatz nicht beeinträchtigt wird.
Dem Kameraden Wichert wird sehr gründlich und ausführlich begründet, warum seine pauschale Ausnahme von der AZR rechtlich auf äußerst dünnem Eis steht. Insgesamt ein sehr interessantes Papier.
Ich habe heute mit zwei Kameraden darüber gesprochen das wir alle im Erhebungszeitraum Dienst in Dienststellen geleistet haben, die befragt wurden und keiner von uns hat davon etwas mitbekommen. Finde ich schon ungewöhnlich. Das dieses Dokument unter TdM nicht veröffentlicht wurde passt in mein Bild von unserem alten IBUK.
Der Mensch steht im Mittelpunkt und somit allen im Weg.
Oder
Das Ziel steht im Weg.
Die ständigen Vergleiche der Bundeswehr mit einem Unternehmen sind ein Schlag ins Gesicht für alle Soldaten und zeugen von der gefährlichen Horizontverengung der Politik, die offenbar die Dinge nur noch in einer ökonomischen Dimension wahrnehmen kann. Dieses verengte Denken ist auch Kern der ganzen Attraktivitätsdiskussion, in der die Vorstellung, das jemand Soldat wird weil er dienen will und nicht weil er bei der Bw einen laueren Job machen oder ein paar Euros mehr verdienen kann als anderswo, offenbar gar nicht mehr vorkommt. Dieses Denken ist eine gefährliche Weiterentwicklung des in den späten 60ern aufgekommenen „Job-wie-jeder-andere“-Denkens. So macht man eine Armee kaputt bzw. für jene, die in erster Linie dienen und nicht nur irgendeinen „Job“ machen wollen, gerade unattraktiv. Und niemand ist mehr da im sogenannten Parlament, der hier Widerspruch einlegen würde; statt dessen Gleichklang wie in der Volkskammer. Das ist eine Schande.
Die Frage sei erlaubt: Was erwartet man jetzt eigentlich? Natürlich muss jetzt der Ankündigung die Planung und Umsetzung inkl. Finanzierung folgen. Andererseits werden kaum die Maßnahmen „über Nacht“ umgesetzt sein können.
Frau von der Leyen muss man nicht mögen, um klar zu erkennen, dass der demographische Faktor zu beachten ist, dass die Bw attraktiv sein muss, damit der Personalersatz sicher gestellt ist. Das war in den 1960ern mit den Unteroffizierprogammen so, das war in den 1970ern mit Einführung des Studiums für Offiziere so und das war mit allen „Prämien- und Qualifizierungsprogrammen“ so. Ein aktueller Blick, z.B. in die US-Streitkräfte, wo zig Cockpits aus Nachwuchsmangel unbesetzt beiben, in die Russischen Streitkräfte, wo man schon seit guten 10 Jahren darüber nachdenkt, wie der Rekrutierungskreis die neuerdings modernen, überwiegend kopflastigeren Waffensysteme bedienen soll, außerdem sinkt der rekrutierungsfähige Personenkreis seit Jahren. Die Probleme sindseit Jahren sichtbar.
Das Vermögen einer Gesellschaft seine Streitkräfte personell zu regenerieren, ist ein Machtfaktor gewesen und bleibt es solange, bis denn mal der Weltfrieden Realität ist. Das dauert aber wohl leider noch etwas.
Es ist also eine Problematik, welcher sich eine Ministerin widmen darf und sollte. Natürlich muss sie auch die sicherheitspolitische Debatte bedienen, Ziele definieren und haushälterisch wie materiell unterlegen, letzteres aber eben auch personell.
Aber wie soll sie dies alles gleichzeitig tun? Zumindest, wenn es Substanz haben soll…
@Frau Brugger: Das sind nette Allgemeinplätze in Ihrer Rede, aber kein Debattenbeitrag. Wenigstens ist das Gesagte von etwas weniger Borniertheit und Intoleranz, als Ihr Statement zu den Kindergärten in den Kasernen, in der Sie sich nicht entblösten Ihre Meinung „Kasernenumfeld tut der frühkindlichen Pädagogik nicht gut“ als erziehungswissenschaftliche Tatsache hinzustellen. Dazu gibt es aber kein Forschungsergebnis.
@Sachlicher: Der rein rhetorische und semantische Beitrag von Frau Brugger in der Bundestagsdebatte zum Allgemeinen und der Linken zum Thema Drohnen erschien mir etwa so, als ob man eine Klo-Papierrolle falschrum in den Rollenhalter einlegt. Schade um Herrn Nouripour. Der Mann war in Vielem fundierter, sachlicher und vor allem weniger emotional, als Mancher in der Oppositionsvergangenheit und auch als ein Gitarrenspieler, der nur noch seine Akorde platzieren wollte. Hoffentlich fängt Lindner Brugger ein.
@K. Müller
Zustimmung.
Jedoch sollte man nicht vergessen, dass die Bw bis zur zweiten Reform relativ familienfreundlich war, zumindest für die SaZ 4+ und BS.
Spätestens mit den letzten Reformen und der Abschaffung der Wehrpflicht wars dann vorbei. In den letzten 20 Jahren kam dann noch die ganze Ausbildungsproblematik, Doppelverdiener, Scheidungen uem dazu.
@K. Müller +1
Wieder mal viel heiße Luft und nix neues, bestehende Versprechungen und Vorschriften werden ja tagtäglich durch die handelnden Vorgesetzten schlichtweg ignoriert (AU 1/500 oder auch die „Bibel“ der Führungskultur der Streitkräfte ZDV 10/1). Selbst offensichtliche Sachverhalte müssen auf dem Klageweg bis zum Ende durchgefochten werden, werden dann aber einfach nicht umgesetzt. Der Umgang des Dienstherrn mit der Dienstzeit von Soldaten, ist hierfür ein gutes Beispiel.
– Ungleichbehandlung automatisierte Zeiterfassung (Gleitzeit) und normale Rahmendienstzeit beim Ausgleich von Überstunden, könnte allerdings damit zusammenhängen das alle Kommando“behörden“ und auch das BMVg ja eh Gleitzeit haben, kann der Rest ruhig erst ab 46 Stunden Ausgleich bekommen ;-(
– die europ. Arbeitszeitrichtline gilt sehr wohl auch für Soldaten (Unterschied Einsatz-Grundbetrieb !!!), und dass mind. seit Dezember 2011 (BVerwG 2 C 41.10), – da braucht man keine teure KPMG Studie sondern nur ein paar Soldaten die dies bis zum bitteren Ende durchfechten, Umsetzung Fehlanzeige, Grund hierfür vermutl. wie bei Gleitzeit
– der neue Dienstzeiterlass ist, vor allem in Hinsicht auf die Regelungen im Schichtdienst, an Unverfrorenheit ja kaum noch zu überbieten, BMVg macht wohl keinen, dann wieder verständlich ;-(,
hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt dass besondere Regelungen, wie im zivilen Bereich, durch den Dienstherrn nicht vorgesehen sind, weil die betroffene Personengruppe zu klein ist, hab gar nicht gewusst (und auch nix in einer Vorschrift gefunden) dass man erst eine bestimmte Größe erreichen muss damit sich um die Belange gekümmert wird, dachte immer dass vor Recht und Gesetz alle gleich sind, wenn dieser, also der Dientzeiterlass, einer rechtlichen Betrachtung standhält, fress ich nen Besen
Diese Liste ließe sich fast unedlich fortführen
– Thema Beurteilungssystem (Stichwort Forced Distribution – siehe Spiegel Artikel, wie das sich das wohl mit der Pflicht zur Kameradschaft verträgt…)
– Thema Pendler besonders im Rahmen der Umstrukturierung (… du bist über 25, also raus aus der Kaserne, such dir halt ne Wohnung…wie war das nochmal mit den Pendlerwohnungen die der letzte Minister vollmundig verprochen hat ??)
– und und und…
Wenn also Worte und Taten nicht übereinsimmen, man sich um das innere Stimmungsbild der Truppe seit Jahren keine Gedanken macht (div. Umfragen DBWV) und selbst rechtliche Vorgaben nicht, oder nur sehr schleppend, umsetzt, braucht man sich über fehlenden Nachwuchs sowie die Unzufriedenheit nicht zu wundern.
Zur Ehrenrettung sei gesagt:
In meinen 22 Jahren als Soldat habe ich, und wahrscheinlich andere ebenso, auch Verbände, Kommandeure und Chefs kennenlernen dürfen, für die Fürsorge kein Fremdbegriff war und die Vorschriften und Regelungen im Sinne der Betroffenen prüfen und auslegen, DAS hat mir immer wieder Hoffnung gegeben. Diese stellen jedoch Ausnahmen dar, leider….
Also, wie gesagt nix neues, Wahrscheinlichkeit der Besserung negiert gegen NULL, es sei den man wechselt mal so 90% des BMVg aus….Soldaten und Beamte selbstredend….und liest dem Rest mals so richtig die Leviten….wer´s glaubt ?!?
Vorgänger de Maizière habe der Neuausrichtung Ordnung und Struktur gegeben. An den grundlegenden Entscheidungen halte sie fest: “Sie ist gut, die Reform.”
ABER
“selbstverständlich wollen wir eine lernende Organisation bleiben”, die Lage der Bundeswehr in NATO und EU verändere sich. “Wir müssen uns ehrlich machen”, wie wir Fähigkeiten erhalten bei sinkenden Verteidigungsbudgets.
Die Reform der Reform ist damit gesetzt, denn bei der Neuausrichtung hat man die EU und NATO nicht beachtet.
“Unser Kernauftrag ist die Verteidigung”, das werden inzwischen global verstanden, “aber das Bedarf immer wieder der Begründung”
Ob das noch alle so sehen? Viele der Generation Einsatz wollen den Einsatz und nicht
-nur- üben.
Hier die Stellungahme des BMVg zum Jahresbericht – jedesmal ein einzigartiger Einblick in die Problemverweigerungsmentalität des BMVg: http://tinyurl.com/p36cqs8
Hoffe das geht vor lauter Haar-, Bart- und Genderdebatte hier nicht gleich unter…
@Memoria
Danke für das Dokument – in der Tat, ich hoffe auch, dass es neben Haar/Bart/Tattoo/Piercing wieder andere Themen gibt ;-)
Keine Sorge TW, die Punkte finden sich auch dort wieder.