„Insgesamt ist die Stimmung nicht mehr so negativ“ – Das de Maizière-Interview (Transkript)

Thomas de Maiziere

Dank Unterstützung meiner Leser gibt’s jetzt ein Transkript des Interviews mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière – Lesen geht dann doch schneller als Anhören…

Ganz herzlichen Dank an die Beteiligten! Und wenn es noch kleine Fehler beim Verschriften gegeben haben sollte, was immer vorkommen kann, bitte einen Hinweis in den Kommentaren.

Zum Anhören steht das Interview hier; zum Nachlesen (ebenso ungeschnitten und unbearbeitet wie die Audio-Datei) hier unten. (Der Text in Kursiv sind meine Fragen, in normaler Schrift die Antworten des Ministers):

 

Willkommen bei Augen Geradeaus! Wir haben heute eine Premiere, nämlich erstmals ein Gespräch mit dem Verteidigungsminister Thomas de Mazière. Herr de Mazière, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Wir werden aus nachvollziehbaren Gründen nicht über das Thema EuroHawk reden können, weil der Untersuchungsausschuss ja noch nicht abgeschlossen ist. Aber als Folge – oder im Zusammenhang – mit dem EuroHawk, dieser Riesendrohne: Die Debatte über Drohnen, die Sie ja auch im vergangenen halben Jahr und davor mit befeuert haben, will ich mal sagen, ist im Moment etwas in den Hintergrund geraten, aber noch lange nicht abgeschlossen. Wann kommen den nun die Kampfdrohnen?

Befeuert nicht, aber begonnen habe ich diese Debatte; und sie ist deswegen nicht leicht zu führen, weil sie viel Sachkenntnis voraussetzt und Differenzierungsvermögen. Es gibt Debatten, die sagen ‚eigentlich bräuchten wir keine Drohnen’, dabei haben wir längst welche.

Aber keine Kampfdrohnen?

Ja. Deswegen glaube ich – will ich noch mal kurz sagen: Man muss unterscheiden, ich sage es mal etwas schlicht, zwischen denen, die niedrig fliegen, denen, die mittelhoch fliegen, das sind insbesondere die, die auch im allgemeinen Luftraum fliegen, und die, die ganz hoch fliegen. Und bei der Bewaffnung geht es vor allen Dingen um die, die mittelhoch fliegen. Und sowohl beim Thema EuroHawk wie auch beim Thema AGS, bei den ganz hoch fliegenden Drohnen geht es stets immer nur um Aufklärungsdrohnen, nicht um bewaffnungsfähige Drohnen. Die Entscheidung über die Beschaffung von mittelhoch fliegenden Drohnen und deren Bewaffnungsfähigkeit ist nicht gefallen; wir bereiten aber Entscheidungsgrundlagen vor, indem wir die Diskussion führen, indem wir mit denkbaren Lieferländern reden.

Entschuldigung an der Stelle: Stimmt das, dass Sie eine Zusage der USA haben, dass Predator – wenn gewünscht – gekauft werden kann?

Wir hatten eine Anfrage gemacht auf Predator, das ist eine dieser mittelhoch fliegenden Drohnen, die Anfrage richtete sich auf eine unbewaffnete Drohne. Es gibt auch Gespräche mit Israel. Beide Staaten wären bereit, uns entsprechende Drohnen zu liefern. Über die Bewaffnung ist nicht entscheiden, das wäre auch dann eine neue Anfrage, die zu stellen wäre. Dazu kommt – und das ist ein sehr wichtiger Punkt – die Frage, ob und in welcher Weise wir europäisch eine solche Drohne mittlerer Höhe, mit oder ohne Bewaffnung, entwickeln sollen; denn bisher haben wir dort diese Technologie nicht. Es gibt Ansätze in Frankreich und in Deutschland; und all diese Fragen werden jetzt nach und nach vorbereitet, und dann in der nächsten Legislaturperiode im Zusammenhang mit einer gründlichen Diskussion einer Entscheidung zugeführt. Vorher nicht.

Nun hat ja die Debatte über den EuroHawk gezeigt, dass es – unabhängig davon, ob es HALE- oder MALE-Drohnen sind – Probleme gibt, im zivilen Luftraum solche Fluggeräte zu betreiben. Mit anderen Worten, oder kurz gefasst: Wenn MALE, wie auch immer bewaffnet oder unbewaffnet, neu beschafft wird, haben Sie doch das gleiche Problem: In Europa oder in Deutschland wird es nicht fliegen können.

Man muss vorher wissen, was man will. Beim EuroHawk wollte man eine Teilnahme am allgemeinen Luftverkehr, darüber haben wir ja in den letzten Wochen intensiv diskutiert. Wir haben eine unbewaffnete Drohne von den Israelis geleast in Afghanistan, da mussten wir uns um die Zulassung über deutschem Luftraum nicht kümmern. Die Amerikaner haben bis heute keine Musterzulassung über amerikanischem Luftraum, und fliegen immer nur mit Einzelgenehmigung. Wir müssen das, was wir auch ja bitter gelernt haben am Thema EuroHawk an Konsequenzen für Drohnen aller Flughöhe beachten, und vorher wissen, was man will, und dann eine entsprechende Entscheidung treffen. Auf Dauer brauchen wir in Europa für den europäischen Luftraum – das habe ich gegenüber den europäischen Institutionen und auch mit meinen Kollegen angesprochen – auf Dauer brauchen wir eine europäische Lösung für militärische und zivil genutzte unbemannte Luftfahrzeuge über dem europäischen Luftraum; und es wird höchste Zeit, das daran genau intensiver als bisher gearbeitet wird.

Aber das ist Zukunftsmusik? Das heißt, wenn im kommenden Jahr eine Entscheidung anstehen sollte über neue MALE-Drohnen, gehen sie davon aus, über Deutschland werden die nie fliegen können, auch nicht zu Übungszwecken?

Das ist damit nicht gesagt. Sie könnten fliegen im Wege einer vorläufigen Verkehrszulassung, mit Ausnahmegenehmigung und Ähnlichem. Wir wollen sie ja auch nicht über Deutschland einsetzen, sondern in Einsatzgebieten. Gleichwohl muss gegebenenfalls über Deutschland geübt werden, es muss ein Rein und Raus geflogen werden. Also die Zulassungsthemen sind kompliziert. Sie müssen aber auch Hand in Hand gelöst werden. Wenn sie technische Zulassungvoraussetzungen verlangen, in einer Rechtsregelung, dann muss man wissen, ob man die technisch erfüllen kann. Ich will’s an einem, vielleicht an einer Analogie erklären. Wenn sie sagen würden, in Zukunft können nur Autos mit ABS Bremsen auf deutschen Straßen zugelassen werden, dann müssen sie wissen, was das technisch und kostenmäßig bedeutet, für die Industrie. Und deshalb kann man nicht Regelungen machen ohne zu wissen was technisch geht und nicht einfach technisch irgendwas in Gang setzen, ohne dass es genehmigungsfähig ist. Das muss Hand in Hand gehen. Das war bisher nicht der Fall. Deswegen müssen wir für die Zulassungsverfahren für, nochmal, zivilund militärisch nutzbare Drohnen solche gemeinsamen Zulassungsregeln haben. Drohnen sind sehr gut geeignet für die Überwachung von Verkehren, für Klima- und Wetterbeobachtungen, also es wird einen großen zivilen Anwendungsbereich geben und die Zulassungsregeln müssen dann aber über deutschem und europäischem Luftraum die gleichen sein.

Ganz kurz, wann rechnen Sie denn damit, dass sowas faktisch passiert? Es gibt ja Experten, die sagen, naja, sieben bis zehn Jahre wird’s noch dauern.

Es wird daran gearbeitet. Wir versuchen das jetzt zu beschleunigen. Die europäischen Gremien arbeiten daran. Ich will keine, kann keine zeitliche Vorgabe machen, oder keine Vorhersage treffen. Je schneller, je besser.

Hier würde ich gerne einen Schnitt machen, zum Thema Auslandseinsätze, vor allem Afganisten, kommen. Wie es in Afganistan nach 2014 weitergeht wird ja ganz stark davon abhängen, ob die Amerikaner – oder unter anderem davon abhängen, ob die Amerikaner ihr Bilateral Security Agreement bekommen. Wie schätzen Sie das aus Ihrer Sicht ein? Und ist aus Ihrer Sicht immer noch die Zero-Option, also alle raus, auf dem Tisch?

Es gibt nach dem, was wir hören, Fortschritte, aber es gibt noch keinen Durchbruch. Sowohl die amerikanische wie die afganische Seite wollen ein Ergebnis, aber verhandeln so, dass am Ende erst alle Fragen entschieden sein müssen. Es ist erst alles einig, wenn alles einig ist. Dabei geht es um die Anwendung afghanischen Rechts, es geht um die Scharia, es geht um Immunität und viele andere Dinge. Und dabei spielen natürlich auch die Zeitabläufe für ein neues Mandat in Afghanistan und die Präsidentenwahlen und all das eine Rolle. Wir brauchen ein solches Abkommen, weil wir uns als Deutsche und andere ISAF-Staaten daran orientieren werden. Es macht doch keinen Sinn, dass wir dort dreißig, vierzig verschiedene Truppenstatutabkommen hätten, sondern es muss in den Grundzügen das Gleiche sein. Eine Zero-Option erhoffe ich mir nicht. Die NATO-Verteidigungsminister haben mit amerikanischer Zustimmung die operationalen Grundlagen für ein neues Mandat gelegt. Die letzte Entscheidung über ein amerikanisches Engagement steht noch aus, sie ist die Grundlage auch für unsere Entscheidungen und dafür, ob unser Angebot, was wir ja frühzeitig gemacht haben, auch zum Tragen kommt.

Gibt es denn aus Ihrer Sicht eine Deadline, ab der man sagen kann, wir müssen unsere Planungen doch auf einen Komplettabzug einstellen, weil wir noch nicht wissen – also muss an irgendeinem Zeitpunkt entschieden sein, jetzt müssen wir doch ganz raus, planen?

Nicht nur wegen der Abzugsplanung auch wegen der Einsatzplanung. Wir haben die Einsatzvorbereitungen, die lange dauern. Das ist ein anderes Mandat. Man muss andere Soldaten, gegebenenfalls andere Fähigkeiten ausbilden und vorbereiten. Allerdings planen wir so, dass, was den Norden angeht, wir auch für den Fall, dass es keine Lösung kommt, rechtzeitig – und das heisst zum 31.12.2014 – ganz raus sein könnten, wenn nötig.

Ja, aber gibt’s da so eine Art Deadline? Sie sagen, wenn wir bis jetzt keine Klarheit haben, müssen wir uns auf den Komplettabzug einstellen. Oder kann man bis sozusagen November 2014 warten?

Ich habe ja gesagt, die jetzige Planung verläuft so, dass den Norden angeht, dass wir, wenn es sein muss, bis zum 31.12.2014 dort auf null sind. Von daher haben wir schon so sicher geplant, dass wir dann keine Veränderungen mehr bräuchten. Aber für die Einsatzplanung brauchen wir allerspätestens eine Entscheidung rund um die Mandatsverlängerung, die wir ohnehin dem deutschen Bundestag vorlegen werden, das heißt, im Januar, Februar 2014.

Nun gibt es immer wieder Verwirrungen um den Begriff Kampftruppen nach 2014. Die Aufgabe nach – wenn es eine Folgemission gibt, wird ja die Aufgabe sein, train, advise, assist. Allerdings wird auch immer drin stehen, in extremis Unterstützung von ANSF. Kampftruppen im Sinne von zum Kampf befähigte Truppen. Wieviel davon müssen Sie ungeachtet des Auftrags vorhalten?

Bin Ihnen dankbar für die Frage, weil das vielleicht zu der Aufklärung beiträgt, wenn bei unseren sachkundigen Zuhörern das nochmal klargestellt wird und sie das mal ein bisschen begleiten. Jeder Soldat kann kämpfen. Und der Angehörige der Panzertruppe ist ein Angehöriger einer Kampftruppe. Aber darauf kommt es nicht an, auf sozusagen die Gattung, aus der er kommt, sondern es kommt auf seinen Auftrag an. Hat er einen Kampfauftrag? Und die Regierungschefs haben in Chicago beschlossen, dass die neue Mission keine combat mission, also keine Kampfmission ist. In so weit wird es das, eine solche Kampfmission, einen Kampfauftrag, ab dem 1.1.2015 für Resolute Support, für das neue Mandat, nicht geben. Es gilt allerdings immer, dass dort, wo wir Soldaten hinschicken, wir Wert darauf legen, dass sie geschützt und beschützt sind. Und deswegen gehört, wie wir das nennen, Force Protection, also Schutz der eigenen Soldaten selbstverständlich auch zum Auftrag einer beratenden Mission und das kann auch den Einsatz von Waffengewalt bedeuten, das kann auch mal Kampf bedeuten, aber es ist keine Kampfmission, sondern der Schutz der eigenen Soldaten.

Über den Schutz der eigenen Soldaten hinaus, ich sagte gerade in extremis, auch Unterstützung ANSF. Das ist ja ein bisschen mehr als nur Force Protection.

Die Einzelheiten muss man da sehen. Dieser in extremis support bezieht sich gegebenenfalls auf Staatsbürger unserer Staaten, auf Entwicklungshelfer, auf all das, ob man die da raus holt.

Nicht auf die ANSF?

Ein Kampfauftrag an der Seite der ANSF ist nicht Teil der neuen Mission.

Herr Stavridis, der ehemalige SACEUR, hat nun gestern in Foreign Policy sich zu Wort gemeldet und gesagt: Regierung in Washington, entscheide schnell und entscheide am besten 15.000 insgesamt. Ist das auch so eine Größenordnung, wo Sie sagen, da hat er Recht?

Es gibt einen Beschluss der NATO-Verteidigungsminister, die gehen von einer Größenordnung von knapp 12.000 insgesamt aus, mit einem amerikanischen Anteil einer ‚large portion‘, wies heißt, also mit einer großen Portion. Das heißt nach Lage der Dinge etwas mehr als die Hälfte. Und wenn ein ehemaliger SACEUR es für richtig hält, seiner Regierung Ratschläge zu geben, mag es das tun. Ich möchte es über die Medien nicht tun.

Schade eigentlich.

Ja.

Auslandseinsätze – es wird ja vielleicht nicht nur diese Afghanistan-Folgemission geben, sondern es wird absehbar, wenn überhaupt, dann kleinere Einsätze geben, nicht die Größenordnung Afghanistan. Das führt mich zu einem konkreten Einsatz….

Da muss ich Ihnen widersprechen. Ich sage keine größeren Einsätze voraus. Aber ich widerspreche allen Experten, die versprechen, dass es in Zukunft nur noch solche oder solche Einsätze gibt. Unser Level of Ambition sagt, in den Verteidigungspolitischen Richtlinien, zwei größere und einige kleinere Einsätze. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Ich wünsche mir keine größeren Einsätze, damit das auch ganz klar ist. Aber die sicherheitspolitische Expertise, die Sie hier zitieren und die ich überall so lese, es gäbe jetzt nur noch Ertüchtigung, es gäbe nur noch kleine Mandate, es wäre alles nur in Afrika, nie wieder würde es Afghanistan geben: Ich kann die Zukunft nicht vorhersagen und deswegen kann ich nicht ausschließen, will aber auch nicht herbeireden, dass es auch wieder mal einen größeren Einsatz gibt. Die Neuausrichtung der Bundeswehr wäre darauf eingerichtet, wenn wir es politisch wollen.

Trotzdem frage ich mal nach einem kleineren Ertüchtigungseinsatz in Afrika.

Gerne.

Sie wissen, in Bihanga in Uganda bilden die Deutschen, im Rahmen der EUTM Somalia, somalische Soldaten aus. Nun hat die EU ja beschlossen, diese Ausbildungsmission nach Mogadischu zu verlegen. Die Deutschen haben bisher noch nicht erklärt oder noch nicht durchblicken lassen, ob sie in Mogadischu dabei sind. Konkret die Frage an Sie: Wird es in absehbarer Zeit, wahrscheinlich dann gegen Ende des Jahres, ein Mandat geben,
mit dem deutsche Soldaten nach Mogadischu geschickt werden?

Gegen Ende des Jahres werden wir diese Entscheidung zu treffen haben, das Mandat geht ja bis Ende 2013. Das ist ein nicht exekutives Mandat, ist bisher deswegen auch nicht mandatspflichtig, der Bundestag hat dem nicht zustimmen müssen, obwohl das Mandat große Zustimmung, auch in Reihen des Parlamentes findet. Es findet in Uganda statt und dort ist es nicht gefährlich.
Die Frage, ob es mandatspflichtig ist und ob wir das vorsetzen, hängt von einer Sicherheitsanalyse über Mogadischu ab und dort sind inzwischen Vorkommandos eingetroffen, die das im Einzelnen bewerten. Wir selbst spielen ja eine große Rolle bei diesem Mandat, alle wollen auch, dass wir dort mitmachen, auch die neue somalische Regierung. Aber, wenn es so bliebe, wie es jetzt ist, ist es ein mandatspflichtiger Einsatz, nicht wegen des exekutiven Mandats, sondern wegen der potentiellen Gefährdung durch die Shabaab Milizen und Andere in Mogadischu und dann wird das Ende des Jahres zu entscheiden sein. Und ähnlich abwartend wie wir verhalten sich unsere Verbündeten: Niederlande, Belgien, Schweden und Portugal. Wir sind da also in guter Gesellschaft. Die Verlagerung nach Mogadischu wird vorbereitet und ob wir uns daran beteiligen, entscheiden wir Ende des Jahres.

Ist denn vorstellbar, dass Deutschland als wichtiger Mitausbilder oder wichtiger Anteil an dieser Mission sich rauszieht, wenn die EU, die schon gesagt hat: wir wollen diese Verlagerung?

Ich will jetzt keine Prognose über diese Entscheidung geben. Es gibt Mandate, da machen wir mit und es gibt Mandate, da machen wir nicht mit. Dies ist ein erfolgreiches Mandat, an dem wir uns beteiligt haben und das werden wir dann in aller Ruhe Ende des Jahres entscheiden, da besteht auch kein Zeitdruck.

Sie wollen keine Aussage: Deutsche nach Mogadischu ja/nein?

Ich möchte kein Präjudiz in dieser Frage geben, außer, dass ich finde, dass dieses Mandat erfolgreich ist und, dass Deutschland dort erfolgreich mitarbeitet.

Ich würde gerne noch mal springen: Sie wissen, in meinem Blog, hat man ihnen bestimmt auch gezeigt, schlagen manchmal die Wogen der Empörung hoch, wenn sie Dinge, wie Burnout durch Unterforderung, Gier nach Anerkennung und so weiter, sagen.Was ich als Feedback bekomme, aus der Truppe weitgehend, zur Stimmung, was die Neuausrichtung angeht, ist ein bisschen: Der Minister agiert da vor sich hin und nimmt keine Rücksicht auf unsere Befindlichkeiten. Ist das so was, was bei ihnen auch ankommt?

Natürlich. Die Sommerreise, die ich jetzt durchführe, gibt mir auch Gelegenheit, mit vielen Soldatinnen und Soldaten zu sprechen. Natürlich ist das kein repräsentatives Bild, doch ein breiteres Bild, als sonst in meinem politischen Alltag. Meine Einschätzung ist so: Man kann nicht mehr von einer allgemeinen, durchgehen Stimmung in der Bundeswehr zur Neuausrichtung sprechen. Sie ist unterschiedlich. Und zwar hängt das ganz wesentlich davon ab: gibt es sozusagen Gewinnerstandorte und Verliererstandorte? Fühlen sich die Soldatinnen und Soldaten schon sicher in ihrer zukünftigen Verwendung, sind sie damit einverstanden oder nicht einverstanden oder wissen sie noch überhaupt nicht, wo sie hinkommen? Das prägt sehr stark die Stimmung. Ich bin an Standorten, da ist geradezu Aufbruchstimmung, man freut sich auf die neue Struktur, der Standort ist gesichert, jeder weiß, wo er hinkommt. Da ist die Stimmung bestens. Es gibt Standorte, da ist es das krasse Gegenteil: Der Standort wird aufgelöst, viele Soldaten wissen noch nicht, wo sie hinkommen. Wenn sie irgendwo hinkommen, müssen weit irgendwo hin pendeln oder umziehen. Dort ist die Stimmung ganz schlecht. Und es gibt alles dazwischen. Es gibt Standorte, da ist bei einer Einheit die Stimmung gut, bei der anderen Einheit die Stimmung schlecht. Das ist ein notwendiger Veränderungsprozess, der nur dadurch behoben werden kann, dass wir möglichst schnell – auch durch Orientierungsgespräche – personelle Klarheit für die Betroffenen schaffen und dann wird sich auch die Stimmung bei denen, die nicht so jetzt Klarheit haben, insgesamt verbessern. Ich höre auch sehr besorgte Fragen immer – das ist eigentlich die Hauptsorge: Wird es eine Reform der Reform geben? Bei aller Kritik, die es gibt, sagen doch die allermeisten, dass muss jetzt durchgezogen werden und wir wollen nicht von vorne anfangen. Bitte keine neue Weise-Kommission, bitte keine Veränderung – auch nicht nach der Bundestagswahl.
Was das Zitat mit dem Burn-out angeht, das ist grob verzerrt wiedergegeben worden und deswegen haben wir das auch richtig gestellt.

Aber den Begriff „Burn-out durch Unterforderung“ haben sie doch gebraucht?

Es kommt ja immer auf den Kontext einer Äußerung an. Eins ist allerdings richtig, ich sehe meine Aufgabe darin mit aller Kraft nach außen hin für die Wertschätzung der Soldaten zu werben. Das tue ich auch. Aber nach innen müssen wir die Kraft haben differentiert über Stärken und Schwächen und über Erfolge und Mängel zu reden und das muss auch ein Chef mal tun.

Nun haben sie ja was , die Sicherheit der Soldaten über ihre Zukunft angeht – wenn ich mich richtig erinnere – schon im vorvergangenen Jahr gesagt: ‚Bis Ende diesen Jahres weiß jeder wo er sein wird‘. Das hat sich immer weiter hingezogen, immer weiter hingezogen und es gibt dann Leute die sagen: ‚Das wurde uns schon vor anderthalb Jahren versprochen‘. Hat sich das alles einfach so verzögert?

Nein, die Realisierungsplanung zieht sich ja bis 2017 hin. Die Masse wird 2014/2015 umgruppiert und das Verfahren ist so, dass spätestens ein Jahr vor dem Vollzug der Umstrukturierung es sogenannte Orientierungen gibt, dass also die Masse weiß wo sie hinkommt und die eigentlichen Versetzungsverfügungen kommen dann einige Monate vor der Umstrukturierung. Überall wo ich jetzt hinkomme, finden diese Gespräche statt und es wird von Monat zu Monat mehr Klarheit über die neuen Dienstposten für die Soldatinnen und Soldaten und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben.

Trauen sie sich denn zu zu sagen, zu dem und dem Zeitpunkt werden alle Klarheit haben, was ihre Zukunft angeht?

Ich will jetzt nicht herbeireden eine Verzögerung, die es immer mal wieder geben kann, es gibt vielleicht auch eine Beschleunigung. Wir haben Fälle gehabt, da haben sogar Truppenführer gesagt: Wir sind im Stande schneller umzugruppieren. Auch das möchte ich nicht ausschließen. Wir sind zum Teil abhängig von der Zulieferung von Großgerät. Denken sie an Hubschrauber und ähnliches. Da haben wir schon hundertmal gesagt: dann und dann besteht Klarheit. Wenn sie an das Ausphasen der Transall, die Lieferung von A400M denken, da reden wir über das Jahr 2017/18/19. Ich bin außer Stande zu sagen, wann jetzt Hohn oder Penzing geschlossen werden.
Also ich kann deswegen, weil wir nicht alleine Herr des Verfahrens sind, nicht diese letzte Äußerung machen. Aber ich kann sagen und möchte auch ein ausdrückliches Lob an die Personalbetreuer in Köln sagen, die wirklich eine fantastische Arbeit leisten, unglaublich viel mehr als im Normalbetrieb leisten müssen: So klar, wie nur irgendwie möglich, so schnell wollen wir es schaffen, aber es dauert ein bisschen.

Und mit dieser negativen Stimmung – sie gehen davon aus, dies wird sich in absehbarer Zeit bessern? Bei denen die sich jetzt zu Wort melden?

Wie gesagt: Insgesamt ist die Stimmung nicht mehr so negativ, sie ist aber auch nicht positiv, sie ist differenziert und sie wird sich von Monat zu Monat verbessern, da bin ich ganz sicher.

Herzlichen Dank.

Gerne.

 

(Archivbild: de Maizière beim Kommando Heer in Strausberg am 24. Juli 2013 – ©photothek.net/Thomas Imo)