EuroHawk: Hat die NSA geschlampt?

EuroHawk-Tasse

Es sind zwei der politischen Top-Themen dieses Sommers: Die Spähaffäre um den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) und die gescheiterte Riesendrohne EuroHawk. Da wäre man als Journalist doch glücklich, könnte man beide Themen zusammen in einer Story unterbringen…

Genau das schien am (gestrigen) Mittwoch nach einer Zeugenanhörung im EuroHawk-Untersuchungsausschuss des Bundestages möglich. Hatte doch Detlef Selhausen, Leiter der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN) bei seiner Anhörung nicht beantworten können (oder wollen), warum Verzögerungen von Lieferungen der NSA für den EuroHawk zu Verzögerungen beim Gesamtprojekt geführt hatten.

Also NSA-Technik für die deutsche Riesendrohne? Hat die Bundeswehr die Abhörleitung für die amerikanischen Freunde gleich mitbestellt? US-Geheimdienst an Drohnenprojekt offenbar beteiligt, schrieb der Pressedienst des Bundestages; und die Reuters-Meldung NSA war auch an Euro-Hawk-Projekt beteiligt machte das Ganze so richtig publik.

Bei einer passenden Tasse Kaffee und einer Zigarette (Foto oben) habe ich mal drüber nachgedacht, warum mir dieser journalistische Kracher durchgegangen ist.

Vielleicht, weil ich die so genannte 25- Millionen-Vorlage, also sozusagen den Bestellzettel für den Haushaltsausschuss des Bundestages vom 27. Dezember 2006 noch vor Augen hatte. Das Papier war für die Abgeordneten die Grundlage, über das – damals noch mit vergleichsweise günstigen rund 460 Millionen Euro veranschlagte – Projekt zu entscheiden. In dieser Vorlage schrieb der Finanz-Staatssekretär Werner Gatzer, der nächste Woche auch als Zeuge im Ausschuss auftreten soll, unter anderem:

Die von der US Air Force im Luftfahrzeug GLOBAL HAWK eingerüstete Nutzlast der Aufklärungssensorik steht für Deutschland nicht zur Verfügung. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren nicht bereit, die Ergebnisse ihrer Entwicklung in eine deutsch-amerikanische Kooperation einzubringen. Daher muss die signalerfassende Missionsausstattung im Rahmen des EURO HAWK-Projekts in Deutschland entwickelt und in die EURO HAWK Plattform integriert werden. (…) Neben dem vorliegenden Vertrag mit der Firma EURO HAWK Gmbh sind weitere Leistungen aus ergänzenden „Foreign Military Sales“ (FMS) – Verträgen sowie Unterstützungsleistungen im Rahmen der Vorbereitung des Anfangsflugbetriebs des EURO HAWK Prototypen notwendig.

Ah, die berühmten Foreign Military Sales, die von den USA gebilligt werden müssen. Und mit wem in diesem Fall? Das kann man schon etwas länger auf der Webseite des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nachlesen:

Daher wurde am 31. Januar 2007 zwischen dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und der in Friedrichshafen ansässigen EuroHawk GmbH ein Vertrag zur Lieferung eines sogenannten Full Scale Demonstrator, dem Prototypen des EURO HAWK, der europäischen Variante des GLOBAL HAWK, geschlossen. Die EuroHawk GmbH ist eine Kooperation der Firmen EADS und Northrop Grumman. Zusätzlich wurden zwei ergänzende Foreign Military Sales Verträge mit der U.S. Air Force und der National Security Agency geschlossen.

Also doch die Abhörleitung per Vertrag mit der NSA mitbestellt und teuer bezahlt? (Für die Foreign Military Sales-Verträge waren in der Vorlage 2006 schon 18,5 Millionen Euro veranschlagt.)

Die Realität ist etwas weniger Aufsehen erregend. Das versuchte das Verteidigungsministerium in einer Sprechererklärung zu der oben verlinkten Reuters-Meldung zu erklären:

Als Lieferumfang wurden selektive Einzelkomponenten der Trägerplattform (z.B. Kommunikations-/Kryptogeräte) und selektive Unterstützungsleistungen, wie Beistellung von Erprobungseinrichtungen und -personal, vereinbart.

Weil, nämlich: Die Kommunikation mit der Drohne, insbesondere die Flugsteuerung, läuft über eine verschlüsselte Funkstrecke. Damit, zumindest ist das so geplant, nicht jeder die Fernsteuerung des Riesenvogels übernehmen kann. Und die so genannten Kryptoschlüssel dafür verwaltet – die NSA. In den USA jedenfalls.

Das hätte Selhausen doch wirklich erklären können. (Dass er’s nicht getan hat, sagt vielleicht auch was über den Aufklärungswillen des Verteidigungsministeriums.)

Aber auch so hätten das die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss, nun, zumindest ahnen können. Denn genau diese Verschlüsselung machte beim Überführungsflug Probleme, wie der Projektleiter EuroHawk am vergangenen Dienstag bei seiner Zeugenanhörung erklärt hatte: Die USA hätten, so schilderte Rüdiger Knöpfel, bei Überführungsflug der Drohne einen falschen Schlüssel für die Funkverbindung übergeben. Deshalb konnte die deutsche Bodenstation zunächst die Steuerung nicht übernehmen – eine potenziel ziemlich ungesunde Situation, die dann über Zugriff auf eine Ausweichfrequenz bereinigt wurde.

Die Geschichte wäre damit aus meiner Sicht eher: Hat die NSA, die Verwalterin der Kryptoschlüssel, geschlampt und damit das deutsche EuroHawk-Projekt schon vor Ankunft des Fliegers in Deutschland in Gefahr gebracht? Aber das ist natürlich längst nicht so sexy wie die Vermutung, das unbemannte Spionageflugzeug sollte seine Daten gleich auch an die NSA funken.