Die offizielle Drohnen-Absturzliste – und weitere Fragen

Das Verteidigungsministerium hat am (heutigen) Mittwoch die am vergangenen Montag angekündigte Liste der Drohnenabstürze der Bundeswehr vorgelegt. Daraus wird unter anderem klar, dass die Zahl von 124 verloren gegangenen unbemannten Flugsystemen, einem Siebtel des gesamten Bestandes, auch ältere und bereits ausgemusterte Drohnen erfasst: Auch die CL289, im Kosovo Ende der 1990-er Jahre eingesetzt, sind darin enthalten.

Die Liste:

Drohnenverlust_Liste20130625

und, da sie in der Größe schwer lesbar ist, hier noch mal als pdf-Datei: Uebersicht Drohnen

mit den Erläuterungen des Ministeriums:

• Absturz
Ein Unfall wird als Absturz bezeichnet, wenn durch einen unkontrollierbaren Flugzustand das Luftfahrzeug am Boden zerstört wurde.
• Zerstört
Ein Luftfahrzeug ist derart beschädigt, dass es ausgesondert wird. Absturz ist Teilmenge von zerstört.
• Vermisst
Ein Luftfahrzeug konnte nicht wieder aufgefunden werden.

Herrscht damit Klarheit? Nicht so ganz. Denn bei Betrachung dieser Liste ist mir eines aufgefallen: Vom Typ Heron, der in Afghanistan eingesetzt wird, listet das Ministerium zwei Exemplare als zerstört auf – einen Absturz dieses Typs hat es demnach nicht gegeben.

Nun ist das für eine Heron zweifelsfrei so: Die donnerte nämlich nach der Landung in Masar-i-Scharif auf dem Rollfeld in eine geparkte Transall. Ein echter Bedienerfehler. Und da am Boden, natürlich kein Absturz.

Bei der zweiten als zerstört gemeldeten Heron sieht das etwas anders aus. Die geriet nämlich am 19. Dezember 2010 knapp 70 Kilometer westlich von Kundus außer Kontrolle und ging zu Boden – in der damaligen Sofortmeldung des Kontingents heißt es auch wörtlich: UAV HERON verliert die Kontrolle und stürzt bei [Koordinaten] ab. Ursache war vermutlich ein Motorausfall durch Ölverlust.

Einen Tag später versuchten Bundeswehrspezialisten zusammen mit einem Chinook-Hubschrauber der U.S. Army, diese abgestürzte Drohne zu bergen (dabei entstand auch das Foto über diesem Eintrag). Das ging gründlich schief – die Heron wurde zwar als Außenlast unter den Hubschrauber gehängt, verursachte aber so viel Auftrieb, dass der Helikopter selbst in Gefahr geriet.

Aus der Kontingent-Meldung:

Das UAV konnte nicht  zurückgeführt werden, da bei dem Versuch es als Außenlast zu transportieren, es erneut zu einem Absturz kam, da das UAV zuviel  Auftrieb produzierte, obwohl die äußeren Flügelflächen schon abgenommen waren. Aus diesem Grund konnte nur noch der nun mittlerweile sehr stark beschädigte Motor geborgen werden. Die Reste des UAV wurden dann noch mit LFK und Bordkanone (BMK) einer AH 64 zerstört.

Mit anderen Worten: Letztendlich wurde diese Drohne zwar zerstört – vorher war sie allerdings schon zwei Mal abgestürzt. (Öffentlich wurde das so nie gemeldet, die Leser von Augen geradeaus! kannten aber schon damals die Hinweise darauf.)

Und doch steht in der offiziellen Liste kein Heron-Absturz verzeichnet? So ganz kann an dieser Liste was nicht stimmen.

Nachtrag: Zu dieser Diskrepanz habe ich in der Bundespressekonferenz den Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris, gefragt:

Paris_BPK_26jun2013.mp3     

 

Nachtrag: Die Bundeswehr hat die Zahl der Drohnenverluste nach oben korrigiert, auf 137.

(Foto: Alexander E., a German military servicemember, scans the horizon while pulling security for a 4th Combat Aviation Brigade, 4th Infantry Division, CH-47 Chinook during an unmanned aerial vehicle recovery operation Dec. 20, 2010 – Photo by U.S. Army Sgt. Sean Harriman, 4th CAB Public Affairs Office via ISAFmedia auf Flickr unter CC-BY-Lizenz)