EuroHawk: Dokumentation Bundespressekonferenz 22. Mai

Foto: Northrop Grumman Pressefoto)

Die Antworten zum Thema EuroHawk in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Mittwoch lassen noch einige Fragen offen… Zur Dokumentation hier Fragen und Antworten vom Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris, und dem stellvertretenden Regierungssprecher Georg Streiter (von dem kommt die Aussage „Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in Bundesminister de Maizière“):

Frage: Herr Paris, die „WELT“ schreibt heute, der Vertrag über die Drohne mit dem Hersteller Northrop Grumman sei noch gar nicht gekündigt worden. Stimmt das? Vielleicht können Sie ein bisschen erläutern, wie die Vertragssituation aussieht.

Paris: Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen, weil Sie wissen, dass wir – mit dem Ziel, den Verteidigungsausschuss am 5. Juni insgesamt über das Projekt „Euro Hawk“ zu unterrichten – derzeit dabei sind, diese Historie in einer Arbeitsgruppe im Ministerium und auch im nachgeordneten Bereich umfassend aufzuarbeiten. Das geht ja weit zurück. Es ist jetzt mehr als zehn Jahre her – es war ca. 2001 -, dass grundlegende Entscheidungen zum Erwerb dieses „Euro Hawk“ getroffen worden sind. Ich bitte schlicht um Nachsicht dafür, Ihnen Detailfragen im Moment einfach nicht beantworten zu können, weil diese Arbeiten gemacht werden.

Fest steht, dass wir aus dem Entwicklungsvertrag zum „Euro Hawk“ aussteigen werden. Inwieweit das dann letztendlich auch schon Kündigungen oder Ähnliches wie Kontaktaufnahme mit der Herstellerfirma, die Sie gerade nannten, zur Folge gehabt hat, kann ich nicht bestätigen und auch nicht dementieren. Klar ist aber, dass wir die Entwicklungsphase letztendlich beendet haben.

Vielleicht muss man hier zur Klarstellung noch einmal sagen, dass man bei solchen Projekten, die ja nicht marktverfügbar sind – man kann ja nicht losgehen und sagen „Ich erwerbe jetzt frei auf dem Markt eine Aufklärungsdrohne wie so einen ‚Euro Hawk’“ -, immer zwischen zwei Vertragsgestaltungen unterscheiden muss:

Man muss zum einen die grundsätzliche Entscheidung treffen, ob man so etwas entwickeln möchte. Wenn man diese Entscheidung getroffen hat, und so ist sie in der weiten Vergangenheit auch getroffen worden, dann muss man in einen sogenannten Entwicklungsvertrag eintreten. Ein solcher Vertrag hat im Allgemeinen zum Inhalt, dass mit einer Firma ein Vertrag geschlossen wird, der zum Ziel hat, ein Produkt, das es noch nicht gibt, das aber bestimmte Fähigkeiten haben soll, zu entwickeln. Deshalb heißt das Entwicklungsvertrag. Dieser Vertrag ist quasi dann als erfolgreich zu Ende gebracht anzusehen, wenn im Ergebnis dieses Entwicklungsvertrags auch ein Produkt steht, das dann die Marktreife oder Serienreife erreicht hat. Wenn man dieses Ziel im Rahmen des Entwicklungsvertrags erreicht, dann ist dieser Vertrag für beide Seiten erfolgreich beendet.

Dann geht man in der Regel zum sogenannten zweiten Schritt über, nämlich zum Beschaffungsvertrag. Man sagt: Okay, ich habe jetzt ein getestetes Gerät, das meinen Anforderungen auch gerecht wird, und jetzt ist es an der Zeit – weil ich mich davon habe überzeugen können, dass es auch funktioniert -, in die Beschaffungsvertragsphase überzugehen, sodass ich dann mehrere Stücke eben dieses Musters erwerbe.

Ich hatte hier auch schon einmal etwas breiter dargelegt, dass dieser Erfolg, den wir aus dem Entwicklungsvertrag ziehen wollten oder den wir uns aus dieser Entwicklungsphase erhofft haben, nicht eingetreten ist und wahrscheinlich auch nicht eingetreten wäre, wenn man erhebliche Mittel investiert hätte, um diesen Entwicklungsvertrag noch zu verlängern. Deshalb haben wir die Entscheidung getroffen, diesen Entwicklungsvertrag nicht bis zu seinem Ende in Anspruch zu nehmen.

Inwieweit wir jetzt mit der Firma Kontakt aufgenommen haben, weiß ich schlichtweg nicht. Es mag sein, dass es Kontakte gibt. Sicherlich wird das alles auch einmal sein formales Ende finden. Fest steht aber, dass wir uns aus der Entwicklungsphase verabschiedet haben, weil wir keine Möglichkeit mehr gesehen haben, zu einem positiven Entwicklungsergebnis zu kommen. Das bezieht sich, noch einmal ausdrücklich gesagt, auf das unbemannte Flugobjekt „Euro Hawk“. Es bezieht sich, noch einmal ausdrücklich gesagt, nicht auf den Inhalt dieses Geräts, auf das sogenannte SIGINT-System, dieses technische Aufklärungssystem. Das ist im Moment der Stand der Dinge.

Wir sind jetzt dabei, historisch und chronologisch über einen doch recht weiten Zeitraum von mehr als zehn Jahren hinweg im Wege einer Arbeitsgruppe, die eigens dafür im Ministerium eingerichtet worden ist, eben all die Facetten (aufzuarbeiten), die mit dem Thema „Euro Hawk“ in Verbindung stehen, seien es die vertraglichen Fragen, sei es die Frage, wann das Parlament beteiligt worden ist, oder sei es die Frage, wann das Prüfbegehren des Bundesrechnungshofs einbezogen worden ist. In einem zweiten Bereich geht es um die Fragen der Zulassung von solchen unbemannten Fluggeräten im nationalen wie europäischen Luftraum. Drittens geht es insbesondere auch um die Frage, was wir daraus für die Zukunft ableiten. Dabei ist vielleicht auch noch einmal ein Segment zu sehen, nämlich dass man natürlich auch schauen muss, ob es in der Entwicklungsvertragsphase vielleicht auch noch Ansprüche gibt, die wir geltend machen können, möglicherweise in Form des Schadensersatzes oder Ähnlichem. Das läuft derzeit.

Insofern möchte ich das, was die „WELT“ vermeldet, nicht kommentieren und weder bestätigen noch dementieren. Fest steht aber, dass wir keine Möglichkeit mehr gesehen haben, der Entwicklungsvertrag erfolgreich zu Ende zu bringen.

Frage: Es werden jetzt nach wie vor und immer wieder auch neue Fragen aufgeworfen, was die Höhe des Betrags angeht, der abgeschrieben werden muss. Zu den Informationsabläufen, Herr Streiter: Welche Erwartungen hat die Bundeskanzlerin an die Information durch den Bundesverteidigungsminister, an die Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber der Regierung, gegenüber dem Kabinett und gegenüber Institutionen wie dem Bundesrechnungshof?

SRS Streiter: Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in Bundesminister de Maizière. Er hat heute auch im Bundeskabinett das, was Herr Paris jetzt lang vorgetragen hat, kurz vorgetragen, nämlich dass er zum nächstmöglichen Zeitpunkt Information darüber liefern wird, wie dieses ganze Beschaffungsprojekt verlaufen ist und wie das Entwicklungsprogramm dann beendet wurde.

Zusatzfrage: Ist es vom Kabinett und von der Kanzlerin als normal und akzeptabel hingenommen worden, dass der Vorgang offenbar erst vor Kurzem im Bundeskabinett als normaler Beschaffungsvorgang dargestellt wurde?

SRS Streiter: Das ist nicht diskutiert worden.

Zusatzfrage: Heißt das, dass wird damit also als normal und akzeptabel hingenommen?

SRS Streiter: Ich habe gesagt: Das ist nicht diskutiert worden.

Paris: Darf ich dazu etwas ergänzen? Sie sagten sinngemäß, es seien jetzt viele Fragen im Raum. Das ist zugegebenermaßen so. Die Vielzahl der Fragen haben wir natürlich auch alle auf dem Zettel, und wir versuchen, sie entsprechend abzuarbeiten und aufzuklären. Aber ich möchte die Gelegenheit hier vielleicht nutzen, weil manche Dinge so dargestellt worden sind oder auch noch zurzeit dargestellt werden, wie sie nicht wirklich gewesen sind.

Es wird gerne – ich halte sie einmal hoch – immer wieder diese eine Seite in die Kameras gehalten und gesagt: Genau hier ist der Betrug angelegt. – Das ist schlichtweg falsch. Wenn man nämlich eine Seite eines 70-seitigen Berichts in die Kamera hält, ihn liest oder sich darauf bezieht, dann sollte man sich zumindest die Mühe machen, vielleicht eine Seite oder zwei Seiten vorher zu lesen. Wenn man sich diese Mühe macht – ich tue es gerne für Sie -, dann sieht man nicht nur die Tabelle auf Seite 29, sondern man sieht, dass auf Seite 28 etwas dazu geschrieben worden ist. Dort heißt es: „Die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Zahlen geben die durch den Bundesminister der Verteidigung gebilligten Obergrenzen der strukturrelevanten Hauptwaffensysteme der Teilstreitkräfte vor.“

Es handelt sich hierbei um einen Bericht zum Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Es ist, glaube ich, allen bekannt, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr maßgeblich im Jahr 2011 entschieden worden ist. Im Jahr 2011 gab es Entscheidungen zu den verteidigungspolitischen Richtlinien. Es gab Entscheidungen zur Neuausrichtung der Bundeswehr. Es gab Entscheidungen zu Standortfragen. Das liegt alles im Bereich der Monate Mai bis September. Es ging um Organisationsfragen etc. pp.

In diesem Zeitraum, also 2011, hat der Minister auch eine Entscheidung über eben diese Obergrenzen der strukturrelevanten Hauptwaffensysteme getroffen. In diesem Zeitraum, also 2011, ist Mitte des Jahres in diese Tabelle auch der „Euro Hawk“, – Planung 5, Obergrenzen 5 – eingepflegt worden. Jetzt wird gerne der Eindruck erweckt, das sei am 7. Mai 2013 dort hineingeschrieben worden. Das ist falsch, und das möchte ich hier noch einmal ganz deutlich klarstellen. Ich bitte also, hierbei auch darauf zu achten, dass man nicht nur eine Seite zeigt und liest, sondern letztendlich ein Stück weit auch das Prozesshafte einer Neuausrichtung – die Entscheidungen liegen logischerweise weiter zurück, stammen nämlich aus dem Jahr 2011 – darstellt.

Der zweite Punkt, den ich anmerken möchte, bezieht sich auf den Bundesrechnungshof: Ja, der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren seinem Auftrag gemäß auch Untersuchungen in Bezug auf das Projekt „Euro Hawk“ durchgeführt und vorgenommen. Dem Bundesrechnungshof ist in diesem Zusammenhang auch eine Vielzahl von Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung gestellt worden. Es hat bei einem Teil der Unterlagen Schwärzungen gegeben. Das liegt daran, dass hinsichtlich der Konstruktion insbesondere amerikanische Rechte sehr strikt gewahrt werden sollten. Das liegt daran, dass die Vereinigten Staaten den Bundesrechnungshof als deutsche Institution, als unabhängige Institution hier in Deutschland, als Dritten ansehen. Das amerikanische Recht sieht bei solchen technischen Transferleistungen vor, dass bestimmte Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen. Dementsprechend haben die Amerikaner auch dafür gesorgt, dass bestimmte Informationen nicht offen an den Rechnungshof weitergegeben wurden.

Wir haben jetzt entschieden, dass diese Interessenkollision aufgelöst werden muss und dass der Bundesrechnungshof volle Einsicht in die Unterlagen bekommen soll, indem die Unterlagen, die dem Rechnungshof bisher nicht in voller Breite und Tiefe zur Verfügung gestellt werden konnten – eben aufgrund dieser rechtlichen Problematik -, in der Einstufungsform „Geheim“ zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet, dass der Rechnungshof seine Arbeit tun kann. Das bedeutet, dass die amerikanischen Rechte insoweit zunächst einmal gewahrt sind. Wir stehen aber weiterhin in Kontakt mit den Amerikanern darüber, wie man das vielleicht noch klären kann.

Dieser Prozess über die Streitigkeit hinsichtlich der Einsicht in die Unterlagen hat im letzten Jahr, im Jahr 2012, eine Rolle gespielt. Er ist zu Beginn dieses Jahres auch noch einmal mit dem Rechnungshof diskutiert worden, und zwar mit der Zielrichtung, diesen Weg zu gehen, die Einstufung „Geheim“ vorzunehmen und dadurch auch dem Rechnungshof die Möglichkeit zu geben, in Gänze in die Unterlagen hineinzuschauen. Das sind die zwei Punkte, die ich gerne noch anmerken wollte.

Frage: Ich habe noch eine Frage, auch wenn Sie gesagt haben, dass die Arbeitsgruppe jetzt alles aufarbeiten werde: Was können Sie nach heutigem Stand zum Stand des Nato-Aufklärungsprojekts AGS sagen? Wie viel Geld ist da schon hineingeflossen? Es gibt ja jetzt Forderungen nach einem sofortigen Ausstieg und einem Zahlungsstopp. Ist das erfolgt? Wie konkret wird das diskutiert?

Paris: Diskutieren werden wir das sicherlich in Zukunft. Im Moment ist der Stand, dass wir diese Arbeitsgruppe eingerichtet haben. Diese Arbeitsgruppe deckt im Kern – ich möchte es noch einmal kurz darstellen – drei Aufgabenbereiche ab. Ich umschreibe sie einmal so:

Der eine Bereich betrifft die Frage nach Verantwortung. Dahinter verbirgt sich letztendlich die historische Aufarbeitung seit dem Jahr 2001 und die Darstellung dessen, welchen Sinn und Zweck die Vertragskonstruktionen sowie auch die vertraglichen Regelungen hatten, die in Bezug auf den „Euro Hawk“ geschaffen worden sind. Es geht um die Darstellung der Fragen, welche Leistungsverpflichtungen bestanden haben und welche Leistungserbringungen erfolgt sind. Dann wird dargestellt werden, welcher Mittelabfluss stattgefunden hat, welcher Mittelbedarf dem im Voraus gegenübergestanden hat, wie die Entscheidungsprozesse verlaufen sind, wie das Parlament eingebunden worden ist, wie das Parlament informiert worden ist und wie auch der Rechnungshof informiert worden ist. Das ist der erste Komplex.

Den zweiten Komplex würde ich als die Zulassungs- und Flugbetriebsebene umschreiben. Dabei geht es im Kern um die Fragen, wie es eigentlich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung von solchen unbemannten Fluggeräten, also von diesen Drohnen, aussieht, wie die flugbetrieblichen, operationellen und technischen Details aussehen, worauf zu achten ist und welche Papiere dafür erforderlich sind. Dabei ist es natürlich auch wichtig, Schlussfolgerungen in Bezug darauf zu ziehen, wie wir jetzt mit der Durchführung weiter vorgehen. Das ist letztendlich die Frage, die Frau Marschall eben gestellt hat.

Der dritte Komplex wird sich mit der Frage beschäftigen müssen: Welche Auswirkungen und Konsequenzen hat das in Bezug auf das „Euro Hawk“-Projekt, sprich, wie können wir das, was sich technisch im „Euro Hawk“ befindet – das Aufklärungselement SIGINT -, weiter nutzen und was müssen wir tun, um dieses Gerät mittels eines anderen Trägers in den Himmel zu bringen? Des Weiteren wird es um die Frage gehen: Welche Auswirkungen mag das auch auf andere Drohnenprojekte – seien sie bewaffnet beziehungsweise bewaffnungsfähig, seien sie unbewaffnet – haben? Letztendlich werden wir uns natürlich auch mit der Frage beschäftigen, die Sie jetzt angesprochen haben: Was heißt das für die deutsche Beteiligung an „Global Hawk“ beziehungsweise AGS – „Alliance Ground Surveillance“? Diesbezüglich werden wir sicherlich Vorschläge machen, wie wir damit verfahren.

Hinsichtlich Ihrer Frage „Wie viel Geld ist bisher in den Bereich AGS geflossen?“ möchte ich Ihnen die Antwort schuldig bleiben. Ich kann sagen: Ja, es ist Geld geflossen. Ich möchte heute aber nicht eine Zahl nennen, die ich vielleicht morgen nach oben oder auch nach unten korrigieren muss, um mich dann dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen: Da hat jemand die Öffentlichkeit falsch unterrichtet. Deshalb bitte ich um Geduld, dass auch das im Zuge der Arbeitsgruppen-Aufarbeitung des gesamten Prozesses stattfinden. Dann können wir Sie sicherlich mit entsprechenden Zahlen über den bisher erfolgten Mittelabfluss, über die Mittelplanung, insbesondere aber auch über unsere Vorschläge in Bezug auf die Frage „Wir unterrichten wir unsere Nato-Partner, wie unterrichten wir die Stellen, die damit befasst sind, und wie teilen wir das, was wir beim Projekt „Euro Hawk“ an Erfahrungen gesammelt haben, mit den zuständigen Stellen im Bereich des Nato-Bündnisses?“ informieren. Das ist eine Aufgabenstellung, das blenden wir auf keinen Fall aus; denn die Dinge sind nicht unbedingt eins zu eins vergleichbar, aber sie hängen schon miteinander zusammen.

Frage: Herr Paris, Sie haben eben geschildert, wie Sie den Interessenkonflikt gelöst haben, dass einerseits der Bundesrechnungshof die kompletten Unterlagen haben wollte, andererseits die Amerikaner diese Unterlagen aber nicht freigeben wollten. Die Lösung, die Sie uns dann präsentiert haben, dass man das einfach „geheim“ stempelt, ist ja eigentlich recht einleuchtend – fast hätte ich gesagt, banal. Deswegen meine Frage: Warum ist man darauf erst jetzt gekommen? Dieser Konflikt währt ja schon recht lange, wenn ich das richtig beurteile.

Paris: So lange währt er noch nicht, wenn man einmal die Gesamtprojektlaufzeit sieht. Wir sprechen hier über ein Problem, das sich insbesondere im Bereich des letzten Jahres noch einmal verdeutlicht hat. Vielleicht muss ich es noch einmal ein bisschen deutlicher machen: Es geht darum, dass das amerikanische Recht sagt, dass solche Informationen an Dritte nicht weitergegeben werden können. Wenn Sie es trotzdem tun, machen Sie sich nach amerikanischem Recht strafbar. Dieses Phänomen haben wir auch mit der amerikanischen Seite zu lösen versucht, damit man eben nicht diese hilfsweise Geheimstempelung machen muss. Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass der Bundesrechnungshof einem sogenannten „Technical Assistance Agreement“ beitritt. Das tut der Rechnungshof aus guten Gründen nicht, weil er sich als unabhängige Institution sieht und keine Veranlassung sieht, so etwas zu tun. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, dass die Amerikaner hier vielleicht zurückgehen und sagen: Okay, wir machen hierbei eine Ausnahme. Das haben sie aber nicht getan; das liegt an dem mit Blick auf Exportgeheimnisse sehr strengen amerikanischen Recht. Deshalb haben wir mit dem Bundesrechnungshof sehr intensiv über dieses Problem gesprochen. Die Lösungen, so wie ich Sie ihnen dargestellt habe, sind Anfang des Jahres auch sehr intensiv zwischen einem Staatssekretär unseres Hauses, Herrn Wolf, und auch dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes erörtert worden, mit der Zielrichtung, dass man diesen Weg gehen möchte. Das haben wir letztendlich auch als sinnvolle Problemlösung angesehen, und das wird der amerikanischen Seite auch so gesagt.

Der Rechnungshof hat – darauf kommt es mir an – jetzt die Möglichkeit, in die Unterlagen komplett Einblick zu nehmen. Ich bitte auch noch einmal um Verständnis: Er hatte eine sehr breite Möglichkeit, eine Vielzahl von Dokumenten zu prüfen. Es geht hierbei um einen gewissen Teil von Dokumenten, die von amerikanischer Seite geschwärzt worden sind. Das haben wir jetzt auf. Damit wird der Rechnungshof umgehen. Sie müssen nur an eines denken: Wenn gewisse Teile von solchen Unterlagen offen sind und andere Teile als „vertraulich“, „NfD“ oder „geheim“ eingestuft sind, dann ist das natürlich in Bezug auf die Berichte, die der Rechnungshof später erstellt, und auch in Bezug auf die parlamentarische Debatte dazu immer mit einer gewissen Schwierigkeit versehen. Wir erleben es hier ja regelmäßig, dass Sie Fragen stellen und dann gesagt wird: Darüber können wir nichts sagen. Weil wir aber einen sehr transparenten Ansatz verfolgen, möchten wir gerne auch dazu kommen, dass wir die vertraglichen Verbindungen und die einzelnen Bestandteile dieses Projekts so gut wie möglich offenlegen können – zunächst einmal, um die Arbeit auf diesem Weg weiter voranschreiten zu lassen.

Wie sich das en détail klären wird, wird die Zukunft zeigen. Zunächst einmal ist mir wichtig zu sagen: Der Bundesrechnungshof hat jetzt hundertprozentig Einsicht. Ich würde sagen, bisher hatte er nur ungefähr 80-prozentig Einsicht.

Zusatzfrage: Inwiefern ist eigentlich der Minister selbst mit diesem ganzen Projekt befasst gewesen und inwiefern – Sie haben ja geschildert, der Staatssekretär habe mit dem Bundesrechnungshof verhandelt – ist das alles Sache von Staatssekretären oder Abteilungsleitern? Denn Ihr Minister wird ja stets persönlich dafür verantwortlich gemacht. Insofern meine Frage: Inwiefern ist er als Minister – abgesehen von der Verantwortung, die er als Minister logischerweise hat – überhaupt in diese Dinge eingebunden?

Paris: Ein Minister, der im Amt ist, ist ein Minister im Amt, das ist völlig klar. Ich möchte hier auch gar nicht die Stimmen kommentieren, die den Minister oder auch andere handelnde Personen diesbezüglich jetzt auf die eine oder andere Art und Weise oder mit dem einen oder anderen Argument persönlich die Verantwortung nehmen. Fest steht, dass diese Entscheidung insgesamt durch das Verteidigungsministerium getroffen worden ist. Dazu gehören alle Personen, die dem Verteidigungsministerium angehören und auch mit dieser Sache befasst gewesen sind. Wie genau wer zu welcher Zeit unterrichtet wurde und wer wann welche Entscheidungen getroffen oder eben auch nicht getroffen hat, das sind Fragen, die jetzt in einer chronologischen Aufarbeitung weit zurückreichend in die Jahre ab 2001 gehen. Dieser Zeitraum muss aufgearbeitet werden, er muss chronologisch aufgearbeitet werden, er muss sorgfältig aufgearbeitet werden – insbesondere mit Blick auf die Zeitschiene und insbesondere auch mit dem Ziel, dass das Ergebnis, das am 5 Juni zur Befassung des Verteidigungsausschusses vorgelegt werden wird, all diese Fragen, die jetzt vielleicht von Ihnen und auch von Parlamentariern gestellt werden, beantworten können wird. Ich kann diese Fragen im Moment nicht beantworten, und zwar schlicht und ergreifend auch deshalb, weil die Arbeitsgruppe derzeit tagt und mir ein Bericht oder ein Entwurf des Berichtes noch nicht vorliegt. Das ist aber auch normal, denn die Damen und Herren haben viel zu tun.

Frage: Es kann sein, dass das früher schon einmal gefragt wurde, aber ich frage es trotzdem noch einmal: Ist es richtig, dass das Verteidigungsministerium eingestanden hat, dass der Minister seit November 2011 wusste, dass diese Drohne im europäischen Luftraum ohne eine zusätzliche Ausrüstung, ohne eine zusätzliche Investition nicht zulassungsfähig ist?

Paris: Auch da möchte ich darum bitten, dass wir abwarten, was der Bericht dazu aussagen wird. Ich habe solche Behauptungen oder Tatsachenbehauptungen auch gelesen. Ich möchte Sie vor dem Hintergrund dessen, dass wir gegenüber dem Parlament berichtspflichtig sind und derzeit dabei sind, das akribisch und chronologisch aufzuarbeiten, um Verständnis bitten, dass wir das nicht kommentieren.

Mir ist vielleicht noch eines wichtig – weil Sie die Zulassungsprobleme insgesamt ansprechen, ohne auf bestimmte Zeitpunkte abzustellen -: Es wird häufig behauptet, dass es ein Kernzulassungsproblem gegeben habe, nämlich das Kollisionsvermeidungssystem. Das ist so nicht richtig. Die Kernprobleme bei der Zulassung bestehen darin, dass wir nach unserem nationalen Recht der zuständigen Zulassungsstelle die Möglichkeit geben müssen, ein Fluggerät anhand einer Papierlage zu überprüfen. Es reicht nicht aus, dass Sie ein Fluggerät wie den „Euro Hawk“ nach Manching stellen, die Truppe der Prüfer dann darum stellen und sagen: „So bitte, hier sind Schraubenzieher, guckt euch das alles einmal an.“ Die gucken zwar einmal, aber sie brauchen für das, was sie sehen – insbesondere die Teile, in die man nicht hineingucken kann, weil sie technisch so verbaut sind, und vor allem auch, weil sie zusammenwirken -, auch eine Papierlage. Das ist schlicht und ergreifend deshalb so, damit man – ich sage das einmal ein bisschen flapsig – dem deutschen Prüfwesen nachkommen und sagen kann: Das ist das Papier, das ist technisch nachvollziehbar, das garantiert ganz bestimmte technische Dinge, und deshalb bekommt das einen Stempel, dass es so in Ordnung ist. Eine Vielzahl dieser Papiere – das hängt nicht mit dem Kollisionsvermeidungssystem zusammen, sondern das hängt letztendlich mit sämtlichen Teilen, die darin verbaut sind, zusammen – sind von der Herstellerseite aber nicht in der ausreichenden Form zur Verfügung gestellt worden. Das wiederum liegt an genau dem, was ich eben im Zusammenhang mit der Prüfung durch den Bundesrechnungshof dargelegt habe, nämlich dass solche Produkte – auch, wenn sie nur in der Entwicklung sind – aufgrund der amerikanischen Exportbestimmungen einem hohen Geheimhaltungsgrad unterliegen.

Insofern gilt: Wenn Sie diese Voraussetzungen nicht bekommen, dann tun Sie sich hier mit der Zulassung naturgemäß sehr, sehr schwer. Dann kommen Sie irgendwann zu einem Punkt, an dem Sie sagen: „Was müsste ich denn jetzt tun, um auf einem anderen Wege zu dieser Erkenntnis zu gelangen?“. Das würde bedeuten, dass Sie letztendlich alles, was dort steht und was Sie vom Hersteller nicht bekommen, eigenproduzieren. Sie müssten die Teile ausbauen, Sie müssten die selbst überprüfen – Sie müssten quasi das fehlende Papier selbst erstellen. Das wäre so aufwändig und mit so hohen Kosten verbunden gewesen – und insbesondere auch nicht wirklich erfolgversprechend gewesen -, dass man gesagt hat: Bevor wir jetzt noch so viel Geld investieren, um es zu erreichen, dieses Fluggerät zulassungsfähig zu machen, verzichten wir auf dieses Trägersystem „Euro Hawk“; wir nutzen weiter das, was sich darin befindet, nämlich das SIGINT-System, geben aber nicht noch mehr Geld für die Zulassung aus; insbesondere gehen wir nicht von der Erprobung in eine Beschaffungsphase über, denn die Erprobung hat uns ja gezeigt: Das werden wir mit Zuverlässigkeit nicht in den deutschen Luftraum bekommen. Das war der Grund.

Wann wer darüber unterrichtet worden ist und wann was entschieden worden ist, wird Gegenstand der chronologischen Aufarbeitung sein. Ich kann es schlichtweg im Moment nicht beantworten.

Zusatzfrage: Ich habe die Frage auch deshalb gestellt, weil das zum Beispiel in dpa-Texten so vorkam. Da hieß es: Der Minister wusste das seit Ende 2011, und das hätte das Verteidigungsministerium auch schon eingestanden.

Paris: Ich persönlich habe es nicht eingestanden. Ich behaupte einmal, dass auch der Minister das nicht eingestanden hat, so wie Sie es formulieren; denn der Minister hat sich zu diesem Thema bereits im Deutschen Bundestag geäußert und gesagt: Hier komme ich dem Begehren des Parlamentes sehr gerne und auch in einem eigenen Interesse nach. Das wird nun chronologisch – und zwar nicht beginnend im Jahr 2011, sondern beginnend im Jahr 2001 und über die Jahre 2004, 2007 etc., also über alle Projektschritte hinweg – aufgearbeitet.

Frage: Habe ich Sie richtig verstanden: Wenn die Amerikaner alle Papiere auf den Tisch gelegt hätten, hätten Sie mutmaßlich auch eine Zulassung?

Paris: Ich würde das jetzt nicht wie ein deutscher Prüfer mit dem Prüfsiegel „Ja, Herr Petersen, Sie haben Recht“ versehen. Ich würde aber sagen: Wenn wir diese Schwierigkeiten nicht gehabt hätten, dann wäre das Zulassungsproblem durchaus ein deutlich, deutlich kleineres gewesen.

Frage: Herr Paris, wer leitet die Arbeitsgruppe im Bundesverteidigungsministerium und an wen berichtet die Leitung der Arbeitsgruppe?

Paris: Die Arbeitsgruppe wird letztendlich an den Bundesminister berichten, weil der Bundesminister dann ja auch im Verteidigungsausschuss Auskunft geben wird. Diese Arbeitsgruppe setzt sich nicht aus einer einzigen Abteilung oder gar einer einzige Person zusammen. Sie ist in ihrem Kern in der Abteilung AIN – das war vor der Reform die sogenannte Rüstungsabteilung; heute heißt diese Abteilung „Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung“ – aufgehängt. Dort ist ein Sekretariat eingerichtet worden. Stellen Sie sich darunter aber nicht das klassische Sekretariat vor; vielmehr ist das eine Gruppe, die über den drei Arbeitssträngen, die ich Ihnen eben genannt habe, eingerichtet worden ist. In diesen verschiedenen Arbeitssträngen sind sicherlich Mitarbeiter der zuständigen Abteilung AIN, aber auch Vertreter aus den Bereichen Haushalt, Führung Streitkräfte und Politik vertreten; denn das Thema, das beackert werden muss, bezieht sich ja nicht nur auf den „Euro Hawk“ selbst, sondern insbesondere auch auf die Frage – ich sagte es eben -: Was für Konsequenzen hat das möglicherweise für andere Beschaffungsobjekte im Bereich der unbemannten Fluggeräte, was für Auswirkungen hat das möglicherweise auf „Global Hawk“/AGS? Letztendlich sind dem Ganzen auch noch Mitarbeiter aus dem Bereich Organisation und Revision beigestellt.

Das hat man einfach so gemacht, damit jetzt nicht allein diejenigen, die vielleicht schon seit langer Zeit mit dem Thema befasst sind, diesen Bericht erstellen. Vielmehr ist das eine Gesamtaufgabe aus verschiedenen Bereichen des Hauses, die das insgesamt zu einem Bericht verdichten, der über die ministeriellen Hierarchien – über die Abteilungsleitung und die Staatssekretäre hin zum Minister – vorbereitet wird, um dann als Produkt des Verteidigungsministeriums dem Deutschen Bundestag in Gestalt des Verteidigungsausschusses und wahrscheinlich auch des Haushaltsausschusses übergeben, vorgetragen und dann auch entsprechend parlamentarisch beraten zu werden.

Zusatzfrage: Gibt es eine Leiterin oder einen Leiter dieser Arbeitsgruppe?

Paris: Da wird es sicherlich jemanden geben, aber ich wüsste im Moment noch nicht einmal, wer es ist. Es gibt das Sekretariat. Dieses Sekretariat wird jemanden an der Spitze haben. Ich kann es Ihnen aber nicht sagen, ich weiß es einfach nicht. Ich reiche das gerne nach.

Vorsitzende Sirleschtov: Das interessiert sicherlich auch andere, deshalb verbreiten wir das gerne, Herr Paris.