Die Deutschen und die Killer-Drohnen in Afghanistan

An einem Sonntagmorgen kann man sehr schön verfolgen, wie in Deutschland Nachrichten gemacht werden – wenn es sich um ein Aufreger-Thema wie Killer-Drohnen handelt, wird da gerne mal jenseits der Fakten zugespitzt. Eigentlich könnte ich auch drüber schreiben: Eine Meldung und ihre Geschichte. Am Beispiel einer Spiegel-Meldung (die nicht von mir kommt; deshalb kann ich da auch ganz unbeeinflusst drüber schreiben):

Der Spiegel berichtet also vorab:

Die Bundeswehr hat im Afghanistan-Einsatz laut SPIEGEL-Informationen Aufständische mit bewaffneten Drohnen töten lassen. Das geht aus einer vertraulichen Stellungnahme von Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey auf eine Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans- Peter Bartels hervor.
Demnach kam es am 11. November 2010 „auf Anforderung deutscher Isaf-Kräfte“ zum Einsatz einer Kampf-Drohne der US-Streitkräfte im Distrikt Chahar Darreh. Im Rahmen eines „Close Air Support“, der Unterstützung von Bodentruppen aus der Luft, „wurden vermutlich vier Angehörige der regierungsfeindlichen Kräfte getötet“, schreibt Kossendey.

Schauen wir mal auf die zu Grunde liegenden Fakten. Am 11. November 2010 kam es im damals heftig umkämpften Distrikt Char Darrah bei Kundus zu einer Aktion gegen Bombenleger, wie ich damals auch auf Augen geradeaus! berichtet hatte. Der Link zur damaligen Bundeswehr-Meldung geht (wie meist) inzwischen ins Leere, aber es gibt die ISAF-Meldung dazu:

International Security Assistance Forces targeted numerous armed insurgents emplacing improvised explosive devices along a road utilized by Afghan National Security and ISAF, during an air strike in Chahar Darah district, Kunduz province, Thursday.
Intelligence sources discovered numerous armed insurgents digging holes in the road utilized by coalition forces, with large objects being emplaced in them. Analysts judged the objects to be IEDs. After ensuring no civilians were nearby, ISAF conducted an air strike and destroyed the IEDs.
Four insurgents were assessed to be killed and one insurgent wounded as a result of the air strike.
“We will continue to destroy IEDs and anyone who emplaces them,” said U.S. Army Col. Rafael Torres, International Security Assistance Force Joint Command Combined Joint Operations Center director. “They are not only a threat to ANSF and ISAF, but to anyone who uses the roads where they are emplaced, including local Afghans.”

Da gibt es übrigens schon einen kleinen Unterschied zwischen der ISAF-Darstellung und der Behauptung des Staatssekretärs: Von Close Air Support, also der so genannten Luftnahunterstützung, ist in der ISAF-Meldung nicht die Rede. Sondern von einem air strike, einem Luftangriff. Und auch in der damaligen Bundeswehrmeldung heißt es Luftunterstützung, nicht Luftnahunterstützung.

Das mag kleinkrämerisch klingen, hat aber schon Bedeutung: Close Air Support wird von Truppen angefordert, die bedroht sind, zum Beispiel in einem Gefecht. In der damaligen Situation ging es aber offensichtlich nicht darum, gefährdeten Soldaten in einer bedrohlichen Situation zu helfen, sondern um die längerfristige Gefahr durch eine Sprengfalle.

Also haben deutsche Soldaten einen Luftschlag angefordert – um die Bombe und die Bombenbauer auszuschalten. (Woher auch immer die Truppe davon Kenntnis hatte, der Begriff intelligence sources lässt vom Anruf eines Informanten bis zur Aufklärung durch eigene Beobachtungsdrohnen so ziemlich jede Deutung zu.) Wie immer in diesen Fällen dürften sie wenig Einfluss darauf gehabt haben, ob nun ein Kampfjet, ein Kampfhubschrauber oder eine Drohne vorbeikommt – die Entscheidung wird bei denen getroffen, die die vorhandenen Mittel am Himmel koordinieren und entscheiden, welches Luftfahrzeug gerade am nächsten ist. Mit dem Luftangriff wurde die Sprengfalle zerstört, dabei kamen – vermutlich – vier Aufständische ums Leben.

So weit die öffentlich bekannten Informationen. Da wir aber derzeit in Deutschland eine Debatte über die Anschaffung bewaffneter Drohnen haben, wäre das vermutlich für die meisten Medien zu wenig spektakulär. Da muss doch eine Verbindung zu den – völkerrechtlich umstrittenen – gezielten Tötungen von (vermuteten) Al-Qaida-Kämpfern oder Taliban-Führern durch die CIA mit Drohnen hergestellt werden.

Das geht, wie es AFP (gefunden bei Welt Online; Link aus bekannten Gründen nicht) gleich im Einstiegssatz schafft:

Die Bundeswehr hat in Afghanistan einem Bericht zufolge Aufständische gezielt durch eine US-Drohne töten lassen.

Das geht auch noch einen Tacken schärfer – gefunden beim Neuen Deutschland (auch da der Link aus bekannten Gründen nicht):

Bundeswehr schickte Drohne zum Töten – Offenbar schon 2010 vier Afghanen »auf Anforderung deutscher Isaf-Kräfte« getötet

Tja. Hätte das zuständige ISAF-Kommando damals keine Drohne, sondern einen F-15-Kampfjet vorbei geschickt, wäre es vermutlich keine Story…

Jenseits dieser Meldung und ihrer Geschichte stellt sich mir übrigens auch noch die Frage an den – von mir sonst sehr geschätzten – SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels. Der wird vom Spiegel mit den Worten zitiert: Der Einsatz von US-Drohnen im Auftrag der Bundeswehr zeige, „dass es keine Fähigkeitslücke der Nato bei der bewaffneten Luftunterstützung gibt“. Eine „eilige Anschaffung von bewaffneten Drohnen ist damit nicht mehr notwendig“. Hm. Nun hätte man die Sprengfalle auch vom belgischen EOD-Team räumen lassen können, das damals in Kundus eingesetzt war. Hätte der Einsatz belgischer Spezialisten dann auch bewiesen, dass die Bundeswehr keine eigenen Minenräumer mehr braucht? Gibt’s doch schon im Bündnis.

(Foto: Eine Drohne vom Typ MQ-9 Reaper, betrieben von der britischen Luftwaffe und ausgerüstet mit Hellfire-Raketen und GBU-12-Bomben auf dem Flugplatz Kandahar in Afghanistan –  Crown Copyright/defenceimages.mod.uk/Cpl Steve Bain ABIPP via flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)