Modell Irak für Afghanistan – alles muss raus?
U.S. Marines bei der Gepäckverladung (U.S. Marine Corps photo by Cpl. Alejandro Pena via ISAFmedia auf Flickr unter CC-BY-Lizenz)
Die Spanne, die in den USA für ein Verbleiben der Truppen nach dem Ende der ISAF-Mission 2014 diskutiert wird, ist gewaltig. Nachdem von militärischer Seite zwischen 15.000 und 20.000 amerikanische Soldaten vorgeschlagen wurden, ist seit vergangener Nacht eine ganz neue Version in der Debatte: Der Komplettabzug. Ein Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama schloss bei einem Briefing für Reporter nicht aus, dass nach 2014 kein US-Soldat am Hindukusch bleibt, wie unter anderem Reuters berichtet:
The Obama administration does not rule out a complete withdrawal of U.S. troops from Afghanistan after 2014, the White House said on Tuesday, just days before President Barack Obama is due to meet Afghan President Hamid Karzai.
The comments by U.S. Deputy National Security Adviser Ben Rhodes were the clearest signal yet that, despite initial recommendations by the top military commander in Afghanistan to keep as many as 15,000 troops in the country, Obama could opt to remove everyone, as happened in Iraq in 2011.
Nun ist das möglicherweise, wie auch in den Agenturberichten erwähnt wird, eine Drohgebärde gegenüber den Afghanen, um amerikanische Interessen in einem Abkommen über den Status der ausländischen Soldaten auch nach 2014 durchzusetzen. Denn mit ISAF endet auch das Military-Technical Agreement (MTA) von 2001, das unter anderem Immunität gegenüber der afghanischen Rechtssprechung vorsieht – eine Regelung, die die Regierung in Kabul gerne durch eine eigene rechtliche Hoheit auch gegenüber den ausländischen Truppen ersetzt sehen möchte.
Darauf werden sich die USA (wie auch andere Nationen) kaum einlassen – welcher westliche Staat will schon seine Soldaten einem islamischen Rechtssystem unterstellen. Im Irak hatte das Scheitern eines entsprechenden Abkommens zum Totalabzug der Amerikaner geführt.
Auch wenn ein solcher Totalabzug angesichts der US-Interessen am Hindukusch vorerst recht unwahrscheinlich erscheint: Die US-Regierung droht zumindest damit, diese Extremlösung auch durchziehen zu können. Ein solcher Schritt hätte natürlich erhebliche Auswirkungen auf alle anderen Staaten, die derzeit in der ISAF-Mission engagiert sind.
Zum einen könnten auch sie nicht auf ein Abkommen mit Afghanistan hoffen, dass ihren Soldaten die rechtliche Immunität garantiert und eine Strafverfolgung in ihrer eigenen nationalen Hoheit hält. Zum anderen wären, ganz praktisch, die anderen Truppensteller ohne Unterstützung der USA am Hindukusch deutlich eingeschränkter handlungsfähig. Die (auch deutschen) Planungen für die Zeit nach 2014 macht das nicht einfacher.
Nachtrag: Die Null-Option aus Washington war natürlich heute auch Thema in der Bundespressekonferenz – nach Ansicht von Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt ist das aber rein hypothetisch, sagten AA-Sprecher Andreas Peschke und Verteidigungssprecher Stefan Paris:
Frage: Herr Paris und Herr Peschke, wie bewerten Sie die Ankündigung oder die Überlegungen aus Washington, eventuell nach 2014 komplett das Militär aus Afghanistan abzuziehen? Würde das nicht sämtliche deutschen Planungen über den Haufen werfen?
Peschke: Ich kann gerne anfangen. – Die ganz kurze Antwort auf Ihre Frage lautet, ehrlich gesagt: Gar nicht. Denn was da geäußert wurde, sind ja Optionen fern jeder Realisierung. Wir und auch die Amerikaner wissen, dass, was auch immer nach 2014 geplant wird, der Gegenstand der internationalen Beratungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch innerhalb der zuständigen Organisationen und Gremien ist. Das ist ein großes Thema, das in der Nato jetzt zu besprechen sein wird. Da ist der Stand unverändert.
Es gibt eine große Übereinstimmung innerhalb der Nato- und der ISAF-Partner, Afghanistan auch nach Abzug der internationalen Kampftruppen zu Ende 2014 nicht allein zu lassen. Das betrifft im militärischen Ausbildungsbereich insbesondere das anvisierte Engagement im Rahmen der Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Streitkräfte. Dazu gab es bereits finanzielle Vorüberlegungen und dazu gab es bereits strukturelle Vorüberlegungen – strukturelle Vorüberlegungen im Sinne davon, dass man eine internationale Mission aufsetzt, die sich um die weitere Ausbildung und Ertüchtigung der afghanischen Streitkräfte kümmert.
Das ist bis hierher der Stand. Weitere Konkretisierungen und Unterlegungen im Sinne von Zahlen oder Mitteln gibt es derzeit nicht. Das ist genau das, worüber jetzt innerhalb der Nato und innerhalb von ISAF mit den internationalen Partnern zu sprechen sein wird. Dieser Stand, den ich geschildert habe, also dass es diese grundsätzlichen Überlegungen gibt, dass es den Plan gibt, und dass es auch das gemeinsame Bekenntnis der Staatengemeinschaft gibt, Afghanistan auch nach 2014 zu begleiten, wird von unseren amerikanischen Partnern mitgetragen. Das wurde von amerikanischen Vertretern bei internationalen Sitzungen – öffentlichen und nichtöffentlichen – auch geäußert, und das ist das, was für uns zählt.
Paris: Ich kann das absolut nur unterstreichen. Wir sollten einfach auf die Beschlusslagen gucken, die es dazu auch gibt. Ich nenne noch einmal den Nato-Gipfel in Chicago, auf dem sehr, sehr klar der Weg gezeigt worden ist, was nach 2014 passieren wird. Es gab danach die Sitzungen in Tokio, wo es um Gelder ging. Es gibt regelmäßige Sitzungen in Brüssel – einschließlich der Amerikaner -, die sich mit diesem Thema befassen.
Ein Punkt ist ganz entscheidend wichtig: Man fängt bei militärischen Planungen nicht mit der Zahl an. Deshalb sollten Sie bei diesen Zahlenspielen, die sich jetzt seit drei, vier, fünf Tagen wieder durch das eine oder andere Blatt nahezu schon quälen, Abstand nehmen. Bei der militärischen Planung kommt es vielmehr darauf an, welche notwendigen Fähigkeiten man braucht, um den Auftrag zu erfüllen. Erst wenn man das entschieden hat, kann man ableiten, welche Zahlen man dafür braucht. Wenn man es anders herum macht, dann ist das unlogisch und dann ist das falsch. Dementsprechend habe ich das auch nicht weiter zu kommentieren. Der Weg ist beschrieben, und er wird konsequent so fortgegangen, wie er seit seinem Ursprung in Chicago begonnen wurde.
Zusatzfrage: Sie sagen, es gehe darum, den Auftrag zu erfüllen. Ließe sich der Auftrag erfüllen, wenn die Amerikaner diese Option ziehen würden? Ginge es ohne die USA?
Paris: Diese Frage ist mir nach dem, was ich gerade gesagt habe, zu hypothetisch, und setzt wieder voraus, mit der Zahl anzufangen. Ich fange aber nicht mit der Zahl an, sondern ich fange mit dem Auftrag an; ich fange damit an, was die notwendigen Fähigkeiten sind. Daraus leitet sich dann eine Zahl ab. Da spielen in diesem Moment eine optionale Äußerung aus den USA oder sonstige Zahlenspiele überhaupt keine Rolle. Die sind im Moment nicht von Relevanz.
Kurze Fragen:
– Wie steht denn die Bundesregierung zum Thema, deutsche Soldaten unter islamischer Rechtsprechung? Gibt es da eine Position bzw. schon Aktivitäten, wie die Änderung des Rechtsstatus umgangen werden könnte?
– Wie sieht es eigentlich bei den weltweiten Sicherheitsunternehmen/-dienstleistern aus? Gibt es dort Interesse, im Auftrag ausländischer Regierungen (USA), die Sicherheit post Abzug sicherzustellen? Oder gar konkrete Planungen?
@MD. Frage 2:
Beantworten mit link oder Quelle kann ich konkret nicht, aber nach einer Studie des
US-Verteidigungsministeriums befinden sich seit
– Januar 2012 ca. 90.000 reguläre US-Soldaten gegenüber 110.000 PMC (Contractors)
in AFG
– starben bereits 2011 mehr PMC als US Soldaten (ca. 430 vs. 410 KIA)
– Zahlenverhältnis kehrt sich weiter um, aktuelle Zahlen aus 2013 aber noch keine…
Persönlich denke ich, das die zivilen „Sicherheitsdienstleister“ weiter ihr ökonomisches Gewinnmaximierungsding fahren, soll heißen auch nach Abzug westlicher Truppensteller wird geblieben so lange der Rubel rollt und nicht zu
viele Kontraktoren in „Bevölkerungsexplosionen verschwinden“.
Horrido!
@Gladius:
Habe ein sehr großes persönliches Interesse an dem Thema PMC,
wäre für ein paar „NetzQuellen“ sehr dankbar.
Vor allem würde ich gern wissen wo diese Zahlen herkommen und in wieweit die BRD mit PMC zusammenarbeitet, bzw als direkter oder indirekter Arbeitgeber fungiert.
@#47
Es kommt darauf an was sie persönlich unter PMC´s verstehen.
DB Schencker, Reinmetal, KMW und Mitarbeiter anderer Firmen wie EADS/ D-Connect erledigen in AFG im Status „Contractor“ ihren Auftrag für die Bundeswehr.
Zahlen sind schwer zu nennen, das es sich hier auch um temporäre Jobs mit Laufzeiten von manchmal nur 2 Wochen bis hin zu 6 monatiger Laufzeit handelt. Derzeit beläuft sich die Anzahl in MeS und KDZ auf ca. 80 Personen.
Die Reduzierung auf Null scheint auch mir lediglich eine Drohkulisse für den Washington-Besuch von Karzai zu sein. Hinter den Kulissen gab es jedoch offenbar wirklich ein grundlegendes Umdenken in Washington zum Afghanistaneinsatz nach 2014. War die Planungsgrundlage noch vor 12 Monaten eine recht umfangreiche Unterstützung der ANSF (train, advise assist), soll der Einsatz im Wesentlichen auf „Counter-Terrorism“ begrenzt werden.
Die Diskussionen die bereits vor dem „surge“ in der US-Administration geführt wurden (COIN vs. CT+) – werden nun nochmals geführt.
Nun jedoch mit umgekehrten Vorzeichen: Die „COINistas“ sind jetzt deutlich in der Defensive bzw. gar nicht mehr präsent (Petraeus, Nagl, etc.).
Die Geduld mit Karzai ist wohl aufgebraucht, die Innentäter haben den innenpolit. Druck nochmals spürbar erhöht, andere Regionen der Welt scheinen relevanter (siehe Bengashi).
Prominente Skepiker des „surge“ kommen nun – ganz bewußt – an die Schaltstellen (Kerry, Hagel), VP Biden hat somit nun mächtige Fürsprecher. Der Präsident scheint diesen Weg wohl nun mitgehen zu wollen – oder gar selbst voranzutreiben:
http://www.huffingtonpost.com/jon-soltz/hagel-and-kerry-mean-obam_b_2440346.html
Die Europäer schwenken ja ebenfalls auf diese Linie ein (andere Wahl haben sie ja nicht).
Und was heißt das für Deutschland?
Substantielle Beteiligung am „Anti-Terror-Einsatz“?
Erinnert SEHR an den Beginn des Einsatzes (….wie am Anfang so am Ende…)
Die Antworten der Sprecher sind mal wieder ein Selbstzeugnis unserer Sicherheitspolitik… den gerade über den Auftrag nach 2015 gibt es offenbar keinen Konsens, aber das will man nicht einmal wahr haben.
@#47: Stichwort Quellen / Zahlen = aiaiai… woher hab ich diesen Kram gesaugt… Mistmistmist… Ick prüfee abba det dauert…
Stichwort „indirekter Arbeitgeber“: für Soldaten, die nicht übernommen werden gibt’s ruckizucki n Angebot. Der eine bildet in Kunduz Polizei aus, n anderer is Personenschützer von nem Balina Promi jeworden und auf dem ein oder anderen Schiff vor Somalia fahren intakte Trupps Ehemaliger mit. Bw bildet aus, Firmen übernehmen und setzen ein. (Bsp. aus meinem direkten Umfeld. Nix hörensagen!)
GLADIUS | 09. Januar 2013 – 23:21
Und „prekäre Arbeitsverhältnisse“ werden es wohl sein, oder?
Schon der „normale SaZ 12er“ hat ja nicht kapiert, das er die Abfindung in die Rentenversicherung einzahlen sollte, statt einen Neuwagen zu finanzieren.
Die gleiche Problematik sehe ich auch bei den ehemaligen Soldaten, die sich für diese „Arbeitgeber“ anheuern lassen.
„(Bsp. aus meinem direkten Umfeld. Nix hörensagen!)“ Machen Sie doch mal eine ehrliche Brutto/Netto-Rechnung auf, damit das Ganze mal wirkliche Zahlen bekommt (also mit den entspr. Versicherungen oder eben auch ohne Versicherung, falls man nicht aufgenommen wird; müssen ja Kosten als Rücklagen gespart werden!) …
Bin mal gespannt ….
SORRY, mein Post ist OT für diesen threat … habe mich hinreissen lassen.
Ebenfalls im Kontext von Afghanistan nach 2015 interessant ein sehr gutes Interview mit McChrystal im Rahmen der Promo-Tour seines Buches:
http://www.charlierose.com/view/interview/12725
Wenn GEZ-finanzierte Journalisten in Deutschland solche Fragen stellen würden.
Im Kern dreht es sich wieder darum:
Was ist das politische Ziel bzw. die Absicht?
Ein stabiles Afghanistan ODER keine Al-Qaida-Präsenz in Afghanistan?
Man sollte sich eben klar sein was man will.
Zu unseren westlichen demokratischen Werten gehört Gleichbehandlung und Rechtsstaatlichkeit, wonach allein das geltende Recht am Tatort und zur Tatzeit maßgeblich ist. Und das ist nun einmal in Afghanistan das islamische afghanische Recht und nicht westeuropäisches oder US-Recht. Stehen wir zu unseren allseits verkündeten demokratischen Werten. Zeigen wir dies mit Taten und akzeptieren wir die afghanischen Forderungen. Beweisen wir unsere Glaubwürdigkeit. Und wer sich an geltendes Recht hält benötigt auch keine Immunität.
@Stefan
Und da fängts ja an wie lange soll der Lehrgang „islamisches Recht in der Auslegung von XYZ“ den dauern ?
@Stefan: Da machen Sie es sich ein wenig einfach.
Es dürfte etliche Punkte geben, in denen die Sharia mit den deutschen Werten und dem Grundgesetzt kollidiert. Was soll dann gelten?
Für einen deutschen Soldaten doch wohl hoffentlich die deutsche Gesetzgebung (und ich meine nicht die Nord-Neuköllner islamischen Schiedsgerichte).
Fängt ja schon bei der Prüfung eines Befehls an.
In welchem Land muss der Befehl dann eine Straftat sein damit der Untergebene ihn nicht ausführen darf?
fred1911 | 10. Januar 2013 – 10:08
Tja Fred, das ist einfach … besteht zwischen Entsendestaat und Einsatzstaat keine Vereinbahrung über den rechtlichen Schutz der entsandten Soldaten, gilt das Recht des Einsatzlandes! Da kann man dann nur jedem Soldaten raten, sich mit der Rechtsprechung des Einsatzlandes auseinander zu setzen. Zusätzlich gilt natürlich auch das Recht des Entsendestaates.
Tja und wenn diese Widersprüchlich sind?
Ich denke es liegt nicht am Soldat sich mit der Rechtsprechung auseinander zusetzen, damit haben einfache Soldaten ja schon in D Probleme, sondern ist Aufgabe des Dienstherren, Fürsorge und so.
Der Dienstherr kann schlecht verlangen das der Soldat sich im Timbukitschen Recht auskennt, daher muss er es ausbilden.
Zum Befehl, also muss es nun in beiden oder nur in einem ne Straftat sein?
Und gilt dann das UzwgBw auch in Timbuktu?
@ fred1911 | 10. Januar 2013 – 11:07
„Tja und wenn diese Widersprüchlich sind?“ Dann muss der Soldat prüfen und abwägen … gem. Soldatengesetz ist der Soldat zur Prüfung verpflichtet (wenn ich mich da recht erinnere!)
Naja, lassen wir das … ohne Vereinbahrung über den Rechtsstatus, wird der Bundestag wohl keine Soldaten entsenden. Und sollte es für AFG zukünftig keine Einigung geben, werden die Truppen komplett aus dem Land abgezogen.
„Und gilt dann das UzwgBw auch in Timbuktu?“ Natürlich; zumindest wenn ein Feldjäger der Bundeswehr einen anderen Soldaten der Bundeswehr dort festsetzt ;-))
Genau um die Prüfung geht es ja, er kann ja aber nur gegen die Straftaten prüfen die er kennt. In der „westlichen“ Welt sollte das einigermaßen gut gehen mit, ich darf es in D also wird auch hier keine Straftat sein.
In Ländern mit islamischen Recht könnte das schnell nach hinten losgehen.
Heiko Kamann | 10. Januar 2013 – 11:30
„Naja, lassen wir das … ohne Vereinbahrung über den Rechtsstatus, wird der Bundestag wohl keine Soldaten entsenden. “
Stimmt, so wie das derzeit für die Türkei (Patriot) auch geregelt wurde:
„7. Status und Rechte
Beim Aufenthalt in anderen NATO-Staaten richten sich Status und Rechte
der eingesetzten deutschen Soldatinnen und Soldaten nach …. NATO-Truppenstatut.“ (BT-Drs 17/11783)
Und dann „Bei allen sonstigen strafbaren Handlungen haben die Behörden des Aufnahmestaates das Vorrecht auf Ausübung der Gerichtsbarkeit.“ (Art. VII Abs. 3 (b) NATO-Truppenstatut).
@T.W.: leider etwas OT
@ #47: Hab meine Quellen gefunden, linkmäßig bitte einfach selbst suchen/ googlen.
Stichworte:
NY Times, 430 US-hired PMC killed vs. 418 dead US service members
und
US Department of Defense statistics:
113,491 PMC vs. 90,000 US TROOPS in AFG (jan 2012)
@ Heiko Kamann | 09. Januar 2013 – 23:48
Zu Ihrem 1. Absatz: d´accord!
Zu Ihrem 2. Absatz: ehrliche Brutto/ Netto-Rechnung
Das muss schon jeder selber machen, denn solchen „Werten“ wie Abenteuer, Freiheit des (evtl. sogar missbräuchlichen) eigenen Handelns oder Adrenalinkicks durch Lebensgefahr gibt jeder eine unterschiedliche Gewichtung…
Kann nur sagen es gibt weniger deutsche Kontraktoren (relativ teure Arbeitnehmer)
als bspw. afrikanische oder osteuropäische Vertreter. Und die Verdienstschere ist
breit, von 150 $ am Tag (ok, dann auch meist für Pipifax) über 500 $ bis hin zu 1000$
an der Spitze, für entsprechend wertige Mitglieder oder richtig bek….te Aufträge.
Versicherungsschutz ist i.d.R. sehr sehr teuer oder sehr sehr gar nicht vorhanden.
Achso, bin übrigens kein Befürworter der PMC-Entwicklung, kenn´ halt nur einige Kontraktoren aus gemeinsamen „alten“ Tagen… mehr nicht.
@Heiko & Tom
Es ging mir ja eher darum Stefan zu vermitteln warum das nicht so einfach ist was er sich da vorstellt.
Deutsches Personal und deutsche Firmen spielen auf dem internationalen Markt keine Rolle, weil ihnen die notwendigen Beziehungen und Erfahrung fehlen und deutsche Soldaten und Polizisten ein vergleichsweise schlechtes Preisleistungsverhältnis aufweisen. Chilenische Spezialkräfte haben mit einer firmeninternen Weiterbildung die gleichen Fähigkeiten, können aber wesentlich schlechter bezahlt werden… Es gibt vermutlich nicht mehr als 40-50 bewaffnete deutsche PMCs.
Die Masse des Personals sind ohnehin Locals oder Third Country Nationals (TNCs) und die Mehrheit der Verträge logistische Unterstützung u.ä. Und diese Masse verdient oft wesentlich weniger als die angesprochenen 150US$/Tag. Die mehreren hundert US$/Tag gab es nur zu Beginn des Irakkrieges, als Geld keine Rolle spielte und kein Wettbewerb stattfand…
Und was ist „Kontraktor“ denn bitte für ein Begriff? Entweder der englische Fachbegriff PMC / PSC oder „(militärische) Dienstleister“ oder eben (diffamierend) „Söldner“.
Es wird kein SOFA mit Afghanistan geben. Die ausländischen Truppen werden daher bis Ende 2014 abziehen.
Sich dem Gesetz Gottes zu unterwerfen ist im Islam ein zentraler Punkt. Das für ausländische Truppen ein anderes, angeblich überlegenes Gesetz gelten soll, ist in einer streng islamischen Gesellschaft nicht duldbar. (Ausnahmen sind z.B. die Diktaturen am Golf eben weil sie Diktaturen sind.)
Wenn man in Afghanistan eine Gesellschaft haben will in der sich die Politik wenigstens halbwegs nach dem Willen des Volkes richtet dann muss man das akzeptieren. Oder eben abziehen …
@TomTom | 10. Januar 2013 – 9:00
Zitat: „@Stefan: Da machen Sie es sich ein wenig einfach.
Es dürfte etliche Punkte geben, in denen die Sharia mit den deutschen Werten und dem Grundgesetzt kollidiert. Was soll dann gelten?“
Es ist einfach. Dies regelt das Völkerrecht und ist in der UN-Charta nachzulesen. Natürlich gelten dort die Landesgesetze. Das deutsche GG hat in Afghanistan keine Gültigkeit. Wir sind doch dort als Freunde und nicht als Besatzer oder Aggressoren. Aggressionen verbietet uns unser GG. Darum müssen wir auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker in diesem Land respektieren. Am deutschen Wesen wird die Welt sicher nicht genesen.
Soldaten sind keine Diplomaten. Darum gibt es im Völkerrecht für diese auch keine Immunität.
@Stefan
sehen Sie, ich als Soldat sehe mich aber ans Grundgesetz gebunden, das erwartet und verlangt man von mir und das ist auch gut so, daher kann man mich auch nicht unter eine dem GG gegenlaufende, andere Gerichtsbarkeit stellen. Weder ich noch mein Dienstherr dürfen sich raus suchen wann das GG gilt und wann nicht.
Deutsche Gesetze gelten für Deutsche Staatsbürger teilweise auch im Ausland, speziell im Strafrecht. Da gilt nicht nur das Recht zur Tatzeit am Tatort.
@fred1911 | 10. Januar 2013 – 20:09
Das GG gilt nur in Deutschland und nicht im Ausland. Dort gelten einzig die Gesetze dieses Staates. Lt. Völkerecht sind die entsprechenden Landesgesetze durch Ausländer, also auch durch ausländische Soldaten einzuhalten.
Zitat: „Weder ich noch mein Dienstherr dürfen sich raus suchen wann das GG gilt und wann nicht.“
Richtig! Das GG sagt selbst wo es gilt. In der BRD bzw. in deren Bundesländern. Also nicht (auch nicht teilweise) im Ausland. Das GG verlangt sogar bei Verstößen gegen das GG Widerstand zu leisten. Darum sollte man das GG öfter mal selbst nachlesen.
„GG Art 87a
(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“
Und wofür die Streitkräfte, außer zur Landesverteidigung, eingesetzt werden dürfen bestimmen die Absätze 3 und 4.
„GG Art 87a
(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.
(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.“
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdf
Von Auslandseinsätzen kann ich hier kein Wort lesen.
Oja, da macht sich aber Stefan öffentlich zum Ahnungslosem:
http://en.wikipedia.org/wiki/Status_of_forces_agreement
Vereinfacht gesagt, durch de fakto, UN-Auftrag oder nationale Abkommen werden Streitkräfte grundsätzlich immunisiert. Alles andere wäre ja auch albern, da müßte ja die Verkehrspolizei ausländische Truppen wegen Besitz von Kriegsgerät und tragen ausländischer Hoheitszeichen festnehmen…
Zumal ja aus Sicht stationierter Truppen nie klar ist wessen Recht eigentlich gilt… das von Karzai, das vom afghanischem Parlament, das Recht vom örtlichem Warlord, von der Taliban-Schattenregierung oder einem Möchtegern der im Rausch eine Fatwa ausspricht.
Vieleicht noch ein Nachtrag, SOFA ist natürlich irrelevant solange es sich um akkreditiertes ausländisches Hoheitsgebiet auf fremden Land handelt, z.B. diplomatische oder militärische Einrichtungen, dann greifen nicht mehr nationale Abkommen sondern internationales Recht.
Das gilt sogar für raumgreifende Verteidigung dieses Hoheitsgebietes, d.h. würde z.B. ein Stützpunkt aus dem Umfeld beschossen darf die Guestnation zur Selbstsicherung nach eigenem Recht auf dem Gebiet der Hostnation tätig werden.
Ob dieses internationale Recht jetzt im Einzelfall grundsätzlich ausgereizt wird steht auf einem anderem Blatt.
@Crass Spektakel:
Ein SOFA muss man aber beidseitig aushandeln. Einige Punkte sind unkritisch verhandelbar, andere können zu unüberwindlichen Hindernissen führen. Und die Immunität der Truppe+Gefolge zählt zu letzterem.
Ebenso kann die Hostnation das Tragen von Uniform, Waffen und Co außerhalb der Stützpunkte verbieten.
Man muss das alles schon feinsäuberlich verhandeln. Alles was dabei nicht zugunsten der Gastnation geregelt wird, richtet sich nach dem Willen (und Recht) der Hostnation.
Und wenn ein deutscher Soldat nun in der Türkei Drogen kauft, wandert er dort in den Bau [gemäß BT-Mandat kein rechtliches SOFA, sondern nur Truppenstatut]; macht er es in Afghanistan, muss er sich nur vorm deutschen Richter verantworten.
Die in den USA diskutierte Null-Option für 2014 ergibt sich ja zu allererst aus dem Konflikt über den Rechtsstatus der Soldaten in Afghanistan. Die in der Bundespressekonferenz gestellte Frage bezieht dieses Thema nicht ausdrücklich ein – trotzdem finde ich es bezeichnend, dass die beiden Sprecher das ebenso komplett unter den Tisch fallen lassen und offenbar nur eine Frage nach Zahlen gehört haben. Das klingt ein bißchen nach Pawlowschem Reflex: „Welchen Status hat denn die Planung?“ – „Zahlen kann man zur Zeit noch nicht nennen.“
OT: Im Übrige finde ich, dass die Nutzung der Phrase „darüber wird jetzt zu sprechen sein“ unter Strafe gestellt gehört.
@Stefan
Sehe ich anders das GG gilt für das Volk, egal wo es sich aufhält. Klar mit denn rechten wird das schwer aber die Pflichten sind da.
Was sie nun aber mit §87 wollen erschließt sich mir nicht, sieht eher nach rumtrollerei aus.
@ all
Wie bestellt steht in „Die Bundeswehr“ 01/2013, Seite 68 unter dem Titel: Deutscher Soldat in Frankreich strafrechtlich verurteilt – Bindungswirkung im Disziplinarverfahren, ein Artikel zum Rechtsthema.
Viel Spaß bei der Lektüre.
Ein Versuch zu ursprünglichen Thema zurückzukehren.
Laut Economist hat COMISAF im neuen Jahr einen nochmals reduzierten Kräfteansatz von 3000-9000 Mann vorgeschlagen. Also eine „residual force“.
Quelle: http://www.economist.com/news/asia/21569425-it-ponders-what-kind-force-leave-afghanistan-after-2014-white-house-has-started
Mal sehen wann entschieden wird.