Irre, ein Spionageboot!

Wer heute in die Bild am Sonntag schaut, wähnt Deutschland in vorderster Front eines heißen Krieges gegen das Assad-Regime in Syrien. Ein deutsches Spionageboot, weiß das Blatt zu vermelden, kreuze vor Syriens Küste, liefere seine Erkenntnisse an NATO-Verbündete und unterstütze damit die syrischen Rebellen.

Flottendienstboot „Oker“ auf der Elbe bei Wedel (Archivbild vom Mai 2009, Foto Gunnar Ries via flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz)

Nun ja. Lokalzeitung lesen hilft: am 8. August um 15:20 Uhr meldeten die Kieler Nachrichten, dass das Flottendienstboot Oker unter Kommando von Korvettenkapitän Omar de Stefano am gleichen Tag um 10:00 seinen Liegeplatz im Heimathafen Eckernförde in Richtung Mittelmeer verlassen habe. Und dort nicht genauer bezeichnete Aufgaben wahrnehmen solle – an der Küste war so ziemlich jedem klar, dass die Oker künftig vor Syrien kreuzen würde, schön außerhalb der Hoheitsgewässer, und mit ihrer Elektronik bis weit ins syrische Landesinnere lauschen würde.

(Nachtrag mit Dank für den Leserhinweis: Laut marinetraffic.com zeigt das AIS-Signal die Oker derzeit (19. August 14.30 MESZ) im Hafen von Cagliari auf Sardinien (nach OKER/ DE military ops bei den Schiffsnamen suchen). Ist also derzeit nicht mit Spionage beschäftigt.)

Was übrigens kein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr ist – das Flottendienstboot ist unbewaffnet. Ob die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich direkt bei den syrischen Rebellen landen, ist eine nur scheinbar interessante Frage: von jeder deutschen nachrichtendienstlichen Erkenntnis lässt sich ja behaupten, dass sie gegebenenfalls mit Verbündeten in NATO und EU geteilt wird und damit auch Dritten zugute kommt. Die künstliche Aufregung wirkt eher so, als habe da jemand mit gezielter Indiskretion eigenständige deutsche Nachrichtengewinnung diskreditieren wollen. Ist ja ok, sollte man aber nicht so plump machen.

(Links zu den Artikeln gibt es aus den bekannten Gründen nicht.)

Nachtrag: Interessanterweise war wohl im Juni und im Juli kein deutsches Flottendienstboot vor der syrischen Küste im Einsatz. Jedenfalls wird in der Auflistung (Bundestagsdrucksache 17/10404, um jeglichen Exklusiv-Versuchen mal gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen), die der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey auf eine entsprechende Parlamenterierfrage vorlegte, kein solches Boot erwähnt:

Abgeordnete Inge Höger (DIE LINKE.)
Mit welchen Schiffen (Flottendienstboote,
Fregatten, U-Boote etc.) war beziehungsweise
ist die Bundeswehr im Juni und Juli 2012 im
östlichen Mittelmeer präsent, und zu welchem
Zweck?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey vom 23. Juli 2012
Die Bundeswehr hatte beziehungsweise hat im angefragten Zeitraum die Fregatte BAYERN, das Minenjagdboot SULZBACH-ROSENBERG, die Schnellboote GEPARD und HERMELIN, den Tender RHEIN sowie die Minensuchboote ENSDORF und AUERBACH im östlichen Mittelmeer im Einsatz.
Die Fregatte BAYERN ist als Teil der Standing NATO Maritime Group 2 seit dem 11. Juni 2012 im gesamten Mittelmeer gemäß den Vorgaben des Befehlshabers Allied Maritime Command (COM MC) Naples eingesetzt. Anfang Juli 2012 hat die Fregatte BAYERN an der internationalen Übung Sea Breeze 2012, die seit 15 Jahren jährlich unter ukrainischer Führung im Schwarzen Meer durchgeführt wird, teilgenommen. Zurzeit befindet sich die Fregatte BAYERN im Seegebiet nordwestlich Alexandrias (Ägypten).
Das Minenjagdboot SULZBACH-ROSENBERG befindet sich seit dem 3. April 2012 als Teil der Standing NATO Mine Countermeasures Group 2 im Mittelmeer. Die Einheit hat im Juni 2012 an der spanischen Minenwehrübung Spanish Minex 2012 im westlichen Mittelmeer teilgenommen und wird sich im Zeitraum vom 22. bis zum 30. Juli 2012 an der rumänischen Minenabwehrübung Poseidon im Schwarzen Meer beteiligen. Im Rahmen der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) sind die beiden Schnellboote GEPARD und HERMELIN seit dem 10. Juni 2012 bis voraussichtlich März 2013 sowie der Tender RHEIN seit dem 6. April 2012 bis zum 23. Juli 2012 im Seegebiet zwischen Zypern und dem Libanon eingesetzt. Die beiden Minensuchboote ENSDORF und AUERBACH haben den Einsatz UNIFIL am 13. Juni 2012 beendet und das Mittelmeer am 20. Juni 2012 verlassen.