Afghanen übernehmen Kundus, Taliban sehen keine Möglichkeit für militärischen Sieg

In weiten Teilen der Provinz Kundus in Nordafghanistan haben am (heutigen) Dienstag die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung für die Sicherheit der Region übernommen. Und in einem aufsehenerregenden – obwohl bislang nur in Teilen veröffentlichten – Interview räumt ein Taliban-Führer ein, dass die Aufständischen nicht mit einem militärischen Sieg am Hindukusch rechnen.

In Kundus bleiben die ISAF-Truppen, dort vor allem die Bundeswehr mit ihrem Provincial Reconstruction Team (PRT), zwar in der Provinz präsent, haben aber – zumindest formal – nur noch eine unterstützende Rolle für die afghanische Armee (ANA) und Polizei. Übergeben wurde die Sicherheitsverantwortung für die Stadt Kundus und alle Distrikte bis auf Khanabad.

„Today we saw another historic moment here in Kunduz as Afghan army and police officially took full control of security in Kunduz province from international forces,“ Afghan Interior Minister Bismullah Mohammadi told a ceremony in provincial capital Kunduz city.“Afghan government’s goal to assume leading security duties across Afghanistan by the end of 2014 has been proceeding smoothly and is on track,“ Mohammadi added.

berichtet die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Die ARD zitiert den ISAF-Kommandeur in Nordafghanistan, den deutschen Generalmajor Erich Pfeffer, mit den Worten: Die afghanischen Sicherheitskräfte sind jetzt in der Lage, eigenständig die Sicherheit in der Provinz Kundus zu garantieren.

Meldung zur Paradeaufstellung für Innenminister Bismullah Mohammadi (Foto: Bundeswehr)

 

Die deutsche Flagge wird zurückgegeben (Foto: niederländisches Ministerie van Defensie)

ISAF-Regionalkommandeur Pfeffer (r.) mit dem Kommandeur des 209. ANA-Korps, General Wesa (Foto: Bundeswehr)

Pfeffer hatte bereits vor einigen Tagen eine positive Bilanz der Sicherheitslage im Norden gezogen: Es gibt weniger Sprengfallen und auch keine koordinierten Angriffe mehr. Die sicherheitsrelevanten Zwischenfälle haben abgenommen. sagte der deutsche General in einem N-TV-Interview. (Allerdings wurde dieses Interview wohl vor dem Angriff auf eine deutsche Patrouille am 4. Juli geführt; die Umstände dieses nächtlichen Hinterhalts deuten auf einen koordinierten Angriff hin – unklar ist bislang, ob das eine Ausnahme war und bleibt.)

Für eine gewisse Aufregung sorgt unterdessen ein Interview, dass das britische Magazin New Statesman mit einem hochrangigen Taliban-Vertreter geführt hat. Der Mann, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt wird, sagte nach Angaben des Blattes unter anderem:

It is in the nature of war that both sides dream of victory. But the balance of power in the Afghan conflict is obvious. It would take some kind of divine intervention for the Taliban to win this war. The Taliban capturing Kabul is a very distant prospect. Any Taliban leader expecting to be able to capture Kabul is making a grave mistake. Nevertheless, the leadership also knows that it cannot afford to acknowledge this weakness. To do so would undermine the morale of Taliban personnel. The leadership knows the truth – that they cannot prevail over the power they confront.

Ob angesichts dieser Informationslage Schlagzeilen wie Taliban: ‚We cannot win war in Afghanistan gerechtfertigt ist, vermag ich (noch?) nicht zu bewerten. Andererseits werden sich auch Aufständische, egal welcher Gruppierung, nicht den Weg zu einer politischen Lösung mit zu harten Ansagen von vornherein verbauen wollen. Interessant ist deshalb auch die deutliche Ablehnung des Terror-Netzwerks al-Qaida:

At least 70 per cent of the Taliban are angry at al-Qaeda. Our people consider al-Qaeda to be a plague that was sent down to us by the heavens. Some even concluded that al-Qaeda are actually the spies of America. Originally, the Taliban were naive and ignorant of politics and welcomed al-Qaeda into their homes. But al-Qaeda abused our hospitality. It was in Guantanamo that I realised how disloyal the al-Qaeda people were… To tell the truth, I was  relieved at the death of Osama. Through his policies, he destroyed Afghanistan. If he really believed in jihad he should have gone to Saudi Arabia and done jihad there, rather than wrecking our country.

Und, überraschend (und dann vielleicht auch wieder nicht): The one thing I dare not talk about is the relationship with Pakistan.