ORF-Bataillon zurück ins Kosovo: Kritik vom Wehrbeauftragten

Das deutsch-österreichische Operational Reserve Forces (ORF)-Bataillon im KFOR-Einsatz wird in diesen Tagen wieder in den Kosovo verlegt – nachdem die Rückkehr noch nicht mal abgeschlossen ist. Vergangene Woche hatte das Einsatzführungskommando diesen erneuten Einsatz angekündigt, und nicht zuletzt aus der Truppe regte sich Kritik: Kaum zu Hause, schon wieder unterwegs – für manche Soldaten eine Rein-Raus-Rein-Dauermission. Das sieht auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus so: Was jetzt die Angehörigen des ORF-Bataillons … zu ertragen haben, wäre zu vermeiden gewesen, ja hätte vermieden werden müssen, schrieb er in seiner Kolumne für die Mai-Ausgabe von Kompass, der Zeitschrift des katholischen Militärbischofs.

Mit freundlicher Genehmigung der Kompass-Redaktion hier die Kritik des Wehrbeauftragten im Wortlaut:

Unsere Soldatinnen und Soldaten müssen vielfältige Belastungen durch Auslandseinsätze hinnehmen – und mit ihnen ihre Familien. Dies ist in der Regel leider nicht zu vermeiden. Doch was jetzt die Angehörigen des ORF-Bataillons sowie ihre Partnerinnen und Partner, Kinder, Eltern und Freunde zu ertragen haben, wäre zu vermeiden gewesen, ja, hätte vermieden werden müssen.
Viele der Soldatinnen und Soldaten wurden unmittelbar im Anschluss an einen 6-monatigen Afghanistan-Einsatz für das ORF-Bataillon eingeplant, wohl in der Annahme, dass „es ja sowieso nicht mehr zum Einsatz kommen wird“. Das war ein vermeidbarer, den Fürsorgeanspruch verletzender Irrtum. Denn wozu gibt es Eingreifkräfte, wenn man nicht vor hat, sie einzusetzen. So kam, was kommen musste: Die Frauen und Männer der Reserve mussten 2011 in den Kosovo, weil sich die Lage dort zuspitzte. Diese Verschärfung konnte niemanden wirklich überraschen. Noch schlimmer ist nun, dass dieselben Frauen und Männer jetzt erneut in den Einsatz müssen, nachdem sie gerade erst nach rund vier Monaten im Kosovo nach Hause zurückgekehrt waren. Was das an Enttäuschungen bei den Soldatinnen und Soldaten und ihren Angehörigen auslöste, mag man sich gar nicht ausmalen.
Da stellt sich die Frage: Wie ist so eine „Planung“ nur möglich? Die Antwort lautet: Das ist nicht einfach nur ein „Planungsfehler“, nicht nur Gedankenlosigkeit, das ist ganz offenbar das Ergebnis von Desinteresse am Wohl und Wehe der den Planern anvertrauten Soldaten. Das Wort „anvertrauen“ hat etwas mit Vertrauen zu tun, die Soldaten sollen also ihrer militärischen Führung trauen können. Dieses Vertrauen war schon vor dem neuerlichen Rückruf nachhaltig beschädigt, wie ich kürzlich bei meinem Besuch im Kosovo feststellen musste. Nun dürfte es dahin sein.
Ich will nicht diejenigen tadeln, die die Eingreifkräfte zurück in den Einsatz riefen. Es gab und gibt dazu keine Alternative, wenn sich die Lage verschärft. Wir haben keine anderen Reserven. Es können auch keine anderen Kameraden kurzfristig einspringen, weil sie darauf nicht vorbereitet sind. Aber noch einmal: Was ist das für eine „Planung“, dass Rückkehrer aus dem Afghanistan-Einsatz praktisch nahtlos in einen Kosovo-Einsatz geschickt werden? Für manche summiert sich das nun auf mehr als ein Jahr Einsatz – praktisch ohne Pause, ohne Erholung. Und für die Angehörigen gilt dies ja ebenso.
Ich selbst habe noch am 20. April die letzten Teile des ORF-Bataillons in Prizren die Heimreise antreten sehen, voller Freude, Zuversicht, Hoffnung. Und nun dies.
Dabei ist der Einsatz im Kosovo alles andere als „leicht“. Er ist einer jener „vergessenen“ Einsätze, die vor dem Hintergrund der Berichte aus Afghanistan nicht besonders spektakulär und nicht übermäßig belastend erscheinen. Das ist aber ein trügerisches Bild. Gerade der kurzfristige Rückruf der Eingreifkräfte zeigt, wie unkalkulierbar die Situation dort wieder einmal ist. Und auch die Bedingungen sind alles andere als angenehm.
Erst vor wenigen Tagen konnte ich mir davon selbst ein Bild machen. Im Feldlager Novo Selo ist die Situation leidlich, wenngleich keineswegs zufriedenstellend. Aber am neuen Außenposten, am sogenannten Gate 1, muss dringend etwas zur Verbesserung der Unterbringung und der Betreuung getan werden. Dort sichert eine Einsatzkompanie den Übergang vom serbisch dominierten Nord-Kosovo nach Serbien, wo es in der Vergangenheit zu heftigen Unruhen und bedrohlichen Angriffen kam. Die Frauen und Männer leben dort unter – vorsichtig formuliert – einfachen Bedingungen. Sie wohnen in 12-Mann-Zelten und haben kaum Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Internetkommunikation, Skype, Telefonate in die Heimat: Fehlanzeige. Jüngst wurde wenigstens ein zweiter Sanitärcontainer geliefert – jetzt gibt es immerhin sechs Toiletten für rund 100 Soldatinnen und Soldaten. Das kann nur ein erster Schritt zur Verbesserungen der Bedingungen am Gate 1 sein. Viele weitere müssen folgen.