Willkommen im Klischee: Der Hauptgefreite von Köpenick

Bitte mal einen Moment über die Absurditäten, Vorurteile und Klischees nachdenken, die man über die Bundeswehr im Allgemeinen und den Afghanistan-Einsatz im Besonderen schon mal gehört, gelesen oder selbst erlebt hat: Im Kriegsgebiet wird Müll getrennt und auf der Deponie wieder zusammengekippt. Wegen fehlender Abgasuntersuchung gesperrte Einsatzfahrzeuge. Ein Nachsichtgerät für vier Mann, wenigstens werden nächste Woche die Batterien geliefert. Durchgeknallte Kompaniechefs, die mühsam vom Spieß auf dem Boden der Tatsachen und im Notfall durch einen ausgefuchsten Dienstvorgesetzten im Zaum gehalten werden. Frauen in Uniform sind Sanitäterinnen, mit denen man Pferde stehlen kann, wenn man ihnen nicht   gleich an die Wäsche  will – oder Kampfamazonen mit Rambo-Kopftuch und übersteigertem Formaldienstbewusstsein. Wo die Bundeswehr sich mit Klein-Klein rumschlägt, klotzt der amerikanische Verbündete. Symbolträchtige Projekte sind wichtiger als echte Hilfe für das betroffene Konflikt-Land. Und der Politik ist letztendlich völlig egal, ob so ein Auslandseinsatz etwas bringt, Hauptsache die Politiker können sich in Szene setzen.

Willkommen im Klischee. Alles, was da oben steht, hat der TV-Sender ProSieben in seine (vom Sender so bezeichnete) Anti-Kriegs-Komödie Willkommen im Krieg hineingepackt, die Ostern zur besten Sendezeit läuft. Wie eine Mischung aus dem braven Soldaten Schwejk und einem Hauptmann von Köpenick  stolpert der Fake-Hauptgefreite Martin Brand (Constantin von Jascheroff) durch den Einsatz in einem fiktiven Wüsten-Krisengebiet (das allerdings bis hin zum Patch sehr an ISAF erinnert). Dabei ist er gar kein Soldat, sondern hat – so viel darf man verraten, ohne die Spannung wegzunehmen – seinen Freund unter Alkohol gesetzt und ihm die Uniform weggenommen, damit der nicht in den Einsatz muss und die bevorstehende Geburt seines Kindes erleben kann.

Was der Nicht-Soldat auf dem Außenposten in der Wüste erlebt, ist nicht nur die Ansammlung der Klischees (siehe oben), sondern vor allem die in Bilder übersetzte Ratlosigkeit der deutschen Bevölkerung angesichts der Auslandseinsätze. Mit seiner Schlitzohrigkeit setzt Martin, natürlich gegen alle Vorschriften, lauter gute Ideen in die Tat um – logisch, um die Sanitäterin zu beeindrucken und endlich flachlegen zu können. Um dann mit ansehen zu müssen, wie er das Gegenteil erreicht. Oder doch nicht? Bringt der Einsatz was, macht er – mit seinen zu erwartenden Opfern – einen Sinn? Um diese Frage kreist der Film immer wieder, ohne das dem Zuschauer so deutlich zu sagen – schließlich ist es eine Komödie. Ob sich am Ende alles gelohnt hat, bleibt offen (bis auf die Frage, ob der Pseudo-Hauptgefreite das Mädel rumkriegt, aber das verrate ich jetzt natürlich nicht).

Sicherlich sind die rund 100 Minuten lustig bis zum Schenkelklopfer, natürlich gibt es auch tragische Momente (interessanterweise nach einem Filmzitat aus Apocalypse Now). Mir war nur hinterher nicht klar: Wird Deutschland nun doch in der Wüste verteidigt? Oder ist das alles Blödsinn? Oder, das wäre das Unbefriedigendste: Wir werden es nie wissen?

(Die Kenner werden beim Betrachten des Films paar lustige Fehler entdecken; zwar haben die Soldaten – vorbildlich! – den Finger lang am Abzugsbügel, aber fahren im – vorgeblich – geschützten Fahrzeug lässig mit runtergekurbelter Scheibe…Vielleicht hatte der militärfachliche Berater Teilzeit.)

Willkommen im Krieg läuft am Ostermontag, 9. April, um 20.15 Uhr auf ProSieben.

(Leicht verägerte Randbemerkung: Ein StratCom-Berater könnte ProSieben mal das mit der unity of effort erklären. Nützt ja nix, wenn mich deren Kommunikationsdirektor zur Filmvorführung heute abend einlädt, es aber am Empfang heißt: Presse? Dann kommen Sie in die Vorführung nicht rein. Nur für den Star-Auftrieb auf dem roten Teppich am Ku’Damm musste ich dann auch nicht da bleiben. Gut, dass ich zuvor den Film ansehen und meinen Text schreiben konnte. So können meine Leser den Text lesen, während die geladenen Gäste noch in der Vorführung sitzen.)