Es gilt das Struck’sche Gesetz: Beweislastumkehr bei PTBS und 30 Prozent

Das Gesetz mit dem sperrigen Namen Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz war hier schon mehrfach Thema – zur Erinnerung: fast alle Fraktionen im Bundestag hatten für im Auslandseinsatz verwundete Soldatenbereits vor einem Jahr bessere Versorgungsleistungen gefordert, und das Verteidigungsministerium hatte vor paar Wochen einen Gesetzentwurf dazu durch Kabinett gebracht. Doch im Vergleich zu den Fraktionsforderungen fehlten ein paar wesentliche Dinge: zum Beispiel eine Beweislastumkehr für Soldaten mit einer Post-Traumatischen Belastungsstörung (PTBS) und eine Senkung der Schädigungsgrenze, ab der Zeitsoldaten Anrecht auf eine Weiterbeschäftigung haben – auch das vor allem für PTBS-Erkrankte von Bedeutung.

Das Verteidigungsinisterium hatte vor allem wegen rechtlicher Bedenken des (für das Beamtenrecht zuständigen) Innenministeriums diese Forderungen nicht aufgegriffen. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs im Parlament zeigte sich allerdings einmal mehr die Gültigkeit des so genannten Struck’schen Gesetzes, benannt nach dem früheren SPD-Fraktionschef und Verteidigungsminister Peter Struck: Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag raus, wie es reingegangen ist.

Inzwischen gibt es einen Änderungsantrag der beiden Koalitionsfraktionen, der die ursprünglichen Parlamentsforderungen wieder ins Gesetz reinschreibt. Dieser Antrag wurde auch so schon im Verteidigungsausschuss gebilligt, jetzt steht die endgültige Abstimmung am 28. Oktober im Bundestagsplenum noch aus – aber die Verteidiger sind sehr zuversichtlich, dafür die Zustimmung zu bekommen.

Die wesentlichen Punkte des Änderungsantrags – neu soll in das Gesetz:

Das Bundesministerium der Verteidigung bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter Beachtung des Stands der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft durch Rechtsverordnung, unter welchen Voraussetzungen vermutet wird, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung oder eine andere in der Rechtsverordnung zu bezeichnende psychische Störung durch einen Einsatzunfall verursacht worden ist. Es kann bestimmen, dass die Verursachung durch einen Einsatzunfall nur dann vermutet wird, wenn der Soldat an einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland teilgenommen hat und dabei von einem bewaffneten Konflikt betroffen war oder an einem solchen Konflikt teilgenommen hat.

Die Begründung dafür:

Soldatinnen und Soldaten sind in den Einsatzgebieten durch die Art ihrer Tätigkeit und Aufgabe grundsätzlich einer wesentlich höheren Gefährdung ausgesetzt als andere Personengruppen. Sie werden gerade dort tätig, wo es zu besonders belastenden Situationen kommen kann, die sich durch Intensität und Bedrohungslage nachhaltig von nicht militärischen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Inland unterscheiden. Somit besteht aufgrund ihrer spezifischen Tätigkeit ein ungleich höheres Risiko, im Rahmen bewaffneter Konflikte Situationen zu erleben, die für Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ursächlich sein können. Während körperliche Verwundungen klar erkennbar und einem Einsatz zuzuordnen sind, verhält sich dies bei seelischen Verwundungen wie PTBS anders. Laut ersten Ergebnissen der sogenannten „PTBS-Dunkelziffer-Studie“, einem Forschungsprogramm zu den Folgen von Auslandseinsätzen der deutschen Bundeswehr, die Professor Hans-Ulrich Wittchen und Dr. Sabine Schönfeld vom Institut für Klinische Psychologie und dem „Center of Clinical Epidemiology and Longitudinal Studies (CELOS)“ der TU Dresden im Auftrag der Bundeswehr durchgeführt haben,,, besteht beispielsweise bei Soldaten in den Afghanistan- Einsätzen der Bundeswehr ein 6- bis 10-fach höheres Risiko, an Posttraumatischen Belastungsstörungen zu erkranken als bei Soldaten ohne Auslandseinsatz. 50 Prozent der untersuchten Soldatinnen und Soldaten erlebten im Auslandseinsatz mindestens ein traumatisches Ereignis. 14 Prozent erlebten multiple (drei oder mehr) solcher Ereignisse. Die zeitliche Dichte und die Intensität dieser Erlebnisse, verbunden mit der eigenen Lebensbedrohung sowie hohen physischen, psychischen und sozialen Belastungen sind nicht mit den Belastungen vergleichbar, denen Einsatzkräfte im Inland ausgesetzt sind. Da die Erkrankung teilweise erst verzögert auftritt und nach bisheriger Rechtslage eine Einsatzentschädigung bzw. Wehrdienstbeschädigung nur anerkannt wird, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen wehrdienstbedingten Umständen und erlittener Schädigung zumindest wahrscheinlich ist, führt dies immer wieder zu erheblichen Verfahrensverzögerungen bzw. zur Versagung von Entschädigungs- und Versorgungsleistungen.

Mit der Aufnahme einer dem §9 Absatz 1 SGB VII vergleichbaren Regelung in das Soldatenversorgungsgesetz wird eine flexible, die Verwaltung und die Gerichte bindende Regelung erreicht. Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Verordnung zu bestimmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen widerleglich vermutet wird, dass eine auftretende PTBS oder andere psychische Erkrankungen während einer besonderen Auslandsverwendung in Ausübung oder infolge eines militärischen Dienstes erlitten worden sind, weil Soldaten, die bei bestimmten Einsatzarten an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligt oder von solchen Auseinandersetzungen betroffen sind, in erheblich höherem Maße als bei einer Verwendung im Inland besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die erfahrungsgemäß häufig gravierende psychische Störungen verursachen. Diese Regelung lässt dem Bundesministerium der Verteidigung die Möglichkeit, die Vermutung durch Vollbeweis zu widerlegen, bringt aber angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Ergebnisse für die betroffenen Soldatinnen und Soldaten eine erhebliche Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren. Diese Regelung fügt sich darüber hinaus nahtlos in das bestehende System von Vollbeweis und Glaubhaftmachung ein.

Die bisherige Grenze von 50 Prozent Schädigung beziehungsweise Minderung der Erwerbsfähigkeit wird auf 30 Prozent gesenkt – dazu die Begründung:

Bereits bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent soll grundsätzlich ein bedarfs- und leistungsunabhängiger Anspruch auf die Ernennung zur Berufssoldatin oder zum Berufssoldaten bestehen.
Nach zwei Jahren soll geprüft werden, ob diese Absenkung zu einer übermäßigen Belastung der Bundeswehr führt. In diesem Falle wäre zu prüfen, ob die Bindung der Weiterverwendung an bestimmte Geschäftsbereiche so geändert werden muss, dass sich der Weiterverwendungsanspruch gegen den Bund richtet und eine Verteilung auf andere Ressorts ermöglicht wird.

Und zu guter Letzt wird die bisherige Ein-Jahres-Voraussetzung halbiert:

Zeiten einer besonderen Auslandsverwendung von 180 Tagen (entspricht einem halben Jahr) sollen bereits für eine Doppelanrechnung als ruhegehaltfähige Dienstzeit ausreichend sein. Diese Gesamtzeit muss nicht ununterbrochen abgeleistet worden sein, sondern mehrere ununterbrochene Zeiten von jeweils mindestens 30 Tagen können zusammengerechnet werden.