Änderungsgenehmigung Strickmütze
Die Beschaffungsvorhaben in der Welt des Militärs und der Rüstung sind ein kompliziert Ding. Die Wehrverwaltung hat vor kurzem ein Schriftstück abgezeichnet, das bei einem Beschaffungsvorhaben mit nur vier Seiten auskommt, einschließlich Deckblatt und Inhaltsverzeichnis: Die Änderungsgenehmigung (ÄG) mit Genehmigung zur Nutzung (GeNu) für die Strickmütze.
Den komplexen Prozess muss man sich im Detail angucken. Eines der Bezugsdokumente ist die Anforderung zur Änderung vom 18. Dezember 2008. Und dann machten sich die Beamten an die Arbeit, im System Ausstattung Soldat, Subsystem Austattung Soldat Allgemein in der Fähigkeitskategorie Unterstützung und Durchhaltefähigkeit den Ausrüstungsgegenstand – Die Strickmütze dient als Wechselmütze zur Feldmütze, Tarndruck, Winter. Sie soll als Kälteschutz für den Kopf dienen, wobei auch die Ohren abgedeckt werden sollen – genauer zu untersuchen. Denn: Die eingeführte Strickmütze hat die Anforderungen hinsichtlich der Form, Material und Farbe nicht erfüllt.
Die Änderungsliste ist relativ lang für ein – pardon – simples Produkt. Geringes Volumen (Gewicht), geringe Wasserspeicherkapazität, bessere Formbeständigkeit, schnellere Rücktrocknung, festerer Sitz durch Einführung von unterschiedlichen Größen, Verwendung von winddichtem Material im Bereich der Stirn und Ohren, Änderung der Farbe von schwarz auf helloliv und Tragbarkeit unter dem Gefechtshelm, auch in Verbindung mit Schutzbrillen, standen auf dem Wunschzettel. Knapp ausgedrückt: Die bisherige Mütze aus der Kleiderkammer taugt nix.
Pflichtgemäß untersuchte die Wehrverwaltung also die Lösungswege, dieses Problem anzugehen. An erster Stelle eine Produktverbesserung. Allerdings mit niederschmetterndem Ergebnis: Die eingeführte Strickmütze erfüllt keinen bzw. nur eingeschränkt Teilbereiche der funktionalen Forderungen. Und: Eine Produktverbesserung ist zeitaufwändig und unwirtschaftlich. Dieser Lösungsweg scheidet daher aus.
Zum Glück stehen handelsübliche Artikel zur Verfügung, die geeignet sind und die wesentlichen Forderungen erfüllen. Doch einfach ins Regal des nächsten Outdoor-Händlers greifen – das geht natürlich nicht: Es fand eine Eignungsprüfung mit einem ausgewählten marktverfügbaren Modell statt. Die Eignung des Materials der Strickmütze wurde im täglichen Gebrauch nachgewiesen. Die Schnittkonstruktion der erprobten Strickmütze wurde zur besseren Kompatibilität mit dem Gefechtshelm geringfügig angepasst.
Zur Auswertung der Einsatzprüfung gibt’s natürlich auch den Hinweis auf ein Bezugsdokument. Mit Datum: 14. Juli 2009.
Jetzt ist die Nutzungsgenehmigung erteilt, und die Truppe im Einsatz könnte eigentlich das neue Mützenmodell bekommen. Allerdings…. so schnell vielleicht auch wieder nicht: Die bislang eingeführte Strickmütze wird „obsolet“ gesetzt und die vorhandenen Bestände werden aufgebraucht. Neue Beschaffungen der Strickmütze erfolgen nach Erstellung des Modellblattes im Rahmen der Ersatzbeschaffung.
Tut mir Leid, Jungs. Diesen Winter wird das wohl nix mit der neuen Mütze. Aber das ganze Beschaffungswesen wird ja ohnehin neu organisiert. Vielleicht beschleunigt das etwas.
(Eine Kurzfassung meiner Meldung dazu ist im heutigen Spiegel erschienen.)
Schön geschrieben!
Wäre es nicht so traurig (weil wahr), man könnte sich weg schmeißen.
Jack Wolfskin färbt die Mützen bei einer Abnahme von 100k+ bestimmt auch hell oliv.
http://is.gd/iyVnCQ
Unbestätigten Gerüchten zufolge hat letztendlich ein Abwurftest aus 32 Metern Höhe (im Vergleich mit einem Gefechtshelm) ergeben, dass sich die neue Strickmütze nicht verformt und daher bedenkenlos in die Truppe eingeführt werden kann.
(Das ganze Thema um Laufzeiten von Beschaffungsvorgängen ist traurig genug.)
Da bin ich doch froh, dass ich mir meine Mütze selbst beschaffen durfte…noch dazu weil ich das schwarze Ding nichtmal empfangen hab…
Beschafft einfach die Mützen von Brynje und werdet glücklich, so wie ich. :-D [/schleichwerbung]
Ich fand die schwarze Strickmütze, die ich geliefert bekommen habe, eigentlich ziemlich geil.
Schön Warm, Windundurchlässig, sehr schnell trocknend, hat wenig Wasser aufgenommen.
Komplett ausgerollt ging sie mir bis zum Mund (!).
@ T. Wiegold
„…Aber das ganze Beschaffungswesen wird ja ohnehin neu organisiert. Vielleicht beschleunigt das etwas“.
Durch die Neustrukturierung sind die Damen und Herren Beschaffer ja erst einmal mit sich selbst beschäftigt, deshalb denke ich eher an eine Verzögerung. Aber, Gott sei Dank, es gibt ja Altbestände und, wie im Spiegel beschrieben, den „freien Markt“.
Aber bitte nicht vergessen: Diese Aktion hat über Jahre (08-11) die eine oder andere Person vor Nichtstun bewahrt.
Aber im Ernst, dass ist ein organisatorisches Trauerspiel und Geldverschwendung obendrein (ungeeignete Altbeschaffung und Neuprüfung /-beschaffung). Mich interessiert: Wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen ?
Vorteil gegenüber den alten Mützen: gering
Logistischer Mehraufwand durch individuelle Größen: hoch
Wer leitet endlich mal die Änderungsanweisung für „Schlafmützen“ ein ???
Und irgendwann stellt sich dann die unausweichliche Frage: Darf ich die alte, dienstlich gelieferte Mütze überhaupt noch tragen, oder ist das zu gefährlich?
Manchmal glaubt man es echt nicht …
Jetzt hat der Minister evtl. eine Idee mehr, warum unbedarfte und hochmotivierte junge Menschen davon absehen, in die Armee einzutreten und zu bleiben…
In Kürze wird man feststellen, das die flammhemmende Wirkung bei den neu angedachten olivfarbenen Mützen bei unter 6000°C liegt und die Beschaffung aus Fürsorgegründen sofort stoppen.
Trauriger ist allerdings doch, dass man sich damit Rühmt, dass jetzt die Vorgänge schneller ablaufen als Vorher.
Ich verweise auf die Designated Marksmen geschichte und dem „alten“ G3.
Da hatte man doch schön argumentiert, dass man innerhalb von 14 Monaten zwischen Vorschlag schon eine Ausschreibung gemacht habe….
Ich will ja nicht drauf rumreiten, sicherlich gibt es bei Beschaffungen viele Aspekte zu prüfen. Aber die Zeiträume sind defintiv zu lange, hier sind die gesamten Wege und Abstimmungsprinzip immer noch zu aufwändig.
Wir werden keien bessere und effizientere Truppe bekommen, indem wir die Streitkräfte reduzieren, sondern die Vorschriften und Wiesungen reduzieren.
Ein anderer Kamerad hatte das Beispiel mit den 100 Vorschriften und 10 Sachbeareitern genannt. Denn wenn ich 5 Leute entferne, dafür 1 Controller und 1 Chef einsetze, die auch noch alle 2-3 Jahre vesetze und in den Einsatz schicke, sind immer noch genausoviele Vorschriften zu beachten.
Leider dient die Ausbildung der Führungskräfte nicht dazu, Entscheidungsträger hervorzubringen, sondern Soldaten, die in Abstimmungsprozessen denken.
„Stell Dir vor es ist Krieg und die WV hat noch nicht mitgezeichnet!
Gruß
Das Beispiel zeigt exemplarisch, das die Reform zum scheitern verurteilt sein wird, weil die Probleme Systemisch sind und nicht durch Änderung einer Organisationsstruktur bzw. Personalausstattung gelöst werden können. Verwaltung und Bundeswehr haben sich in den letzten 50 Jahren weit voneinander entfernt, zuweit, um wieder zueinander zu finden. Verantwortlichkeiten dafür liegen beim Parlament.
Vor vier Jahren habe ich die Ausgabe von dieser „alten“ Strickmütze für meine Lehrgangsteilnehmer beantragt, da die Einheitlichkeit der Ausrüstung Priorität hatte und die Mütze weiterhin sowohl zum Gefechtsdienst als auch morgens beim Sport genutzt werden kann (es waren nicht alle Kameraden damit ausgestattet). Wurde anderthalb Monate nach Lehrgangsende (insgesamt drei Monate nach Antragseingang) mit Verweis auf den falschen Anforderungszweck (Kälteschutz beim Sport) vom Bundesamt für Wehrverwaltung abgelehnt.
Von daher wundert mich das hier nicht im Geringsten. Flexibel wie ein T-Träger.
Ich kann Geriatric nur zustimmen, dass die Probleme systemisch sind……und nicht BW-spezifisch. US, britische, u.a. Streitkraefte haben exakt die gleichen Probleme, auch wenn die US mit mehr Geld rum-aasen koennen…..die schmeissen dann halt mehr weg……bzw. die US Marines binden das nicht brauchbare Zeug der naechsten vorbei trottelnden Ziege auf den Ruecken
Vielleicht sollte die BW mal im Bereich periphaerer oder Sonder-Funktionsbekleidung/-ausstattung ueber ein Selbsteinkleider/-beschaffer-Modell nachdenken……
Wenn man es schon nicht vernünftig hinbekommt eine Wollmütze zu besorgen, kriegt man einen vernünftigen Eindruck, warum Hubschrauber und Panzer, also komplexere Beschaffungsgüter, solche Verzögerungen haben…Einer Armee im Einsatz wird das in keinsterweise Gerecht. Aber wie Geriatric schon vollkommen richtig gesagt hat, die Verantwortlichkeit liegt dabei beim Parlament!
Diese Geschichte wirft auf den Primat der Politik ein ganz neues Licht.
Denn so und nicht anders spielen sich Beschaffungsvorgänge in Deutschland seit der Kaiserzeit ab. Ob Krieg oder Frieden, mit oder ohne Wehrpflicht, ob Monarchie, Diktatur oder Demokratie. Jeder Versuch der Reform prallt an der Militärbürokratie ab.
Hmmm…
Die Änderungsforderung lag Ende Dezember 2008 vor.
Ab hier darf und muss der Beamte tätig werden.
Weil das System das geändert wird in der Nutzung ist, muss der Nutzungsleiter und dessen Kommando/Amt mit ins Boot geholt werden. Man stelle sich den Aufstand vor, wenn der Projektleiter des Bedarfsdeckers einfach beschaffen würde. NEIN, er muss Fachbeiträge vom zuständigen Kommando einholen und der militärische(!!!) Nutzungsleiter muss das haushaltsbegründende Phasendokument zeichnen. Leider ist das in diesem Fall 2 Wochen zu spät geschehen.
Zwischen Änderungsforderung und GeNu liegen nur 7 Monate. Das ist nicht allzuviel Zeit, wenn man bedenkt, dass verschiedene militärische und zivile Stellen ihren Senf zu der Thematik geben müssen und eine Eignungsprüfung stattgefunden hat.
Bis zum 30.6. des laufenden Jahres müssen alle Begründungsvorbehalte ausgeräumt sein, damit ein Projekt in die Jahresprogrammverhandlungen für den Haushalt des kommenden Jahres mit aufgenommen werden kann.
Das haushaltsbegründende Phasendokument lag leider leider leider erst Mitte Juli 2009 vor.
Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass der (militärische!) Nutzungsleiter (kein Beamter, sondern ein Soldat, hochrangig und gut bezahlt, um das nochmal ganz deutlich zu machen falls das jemandem nicht klar ist.) VOR dem 30.6. Aufgefordert worden ist, das Phasendokument schlusszuzeichnen.
Wenn dann der Nutzungsleiter die Frist verstreichen lässt, heisst das: 12 Monate Verspätung!
Das Geld für die Beschaffung muss übrigens ebenfalls die militärische Seite bewilligen. Der böse Beamte kann ja wohl kaum etwas beschaffen, was der Soldat nicht bezahlen will… Wenn das Geld im Haushalt ist, wird auch zügig beschafft, jedenfalls wenn es eine Mütze ist und nichts „politisches“.
Wenn der zuständige Soldat jedoch entscheidet, dass die alten Mützen erstmal aufzubrauchen sind, dann ist das seine Entscheidung und nicht die des Beamten.
Um das Ganze nochmal zusammenzufassen:
Der hier vielgescholtene Beamte hat seinen Job zügig erledigt, und zwar trotz Einsatzprüfung und Verzögerungen die der Nutzungsleiter innerhalb der Projektierung zu verantworten hat.
Wenn jemand wissen möchte, warum er noch immer keine neue Mütze auf dem Kopf hat, möge er bitte den zuständigen Nutzungsleiter, einen Soldaten, fragen.
Es steht doch wohl ausser Frage, das die Beschaffungszeit von über zwei Jahren für eine STRICKMÜTZE (!!!) inakzeptabel und nahe der Comedy ist. Und dabei ist es völlig egal, wer da an welcher Stelle verantwortlich ist, um Himmels willen – lieber Bauklo, bei ihrem Post schwillt mir der Kamm. Da können sie noch so doll erklären, wer im Mitzeichungsgang gepennt hat – würden sie das versuchen, in einem Btl zu erklären, wären die Antworten wohl eher nicht zitierfähig.
Und der o.a. Idee kann ich nur zustimmen:
Gebt mir einen Rahmen, Budget und Auflagen, dann kauf ich mir mein Zeug selbst.
Ich sag es immer wieder:
Der Kernauftrag der Bundeswehr wird durch die Streitkräfte erbracht,
aber gem. GG gibt es zwei gleichberechtigte Säulen
– Streitkräfte und Wehrverwaltung -.
Da das unterstützende Element Wehrverwaltung die gleiche Wertigkeit besitzt wie die Organisation zur Bewältigung des Kernauftrages kann es nicht funktionieren.
Wie meine Vorkommentatoren es schon richtig benannt haben, ein systemischer Fehler.
Insofern wird es mit der neuen Struktur auch nicht hinhauen und die Verantwortung dafür liegt beim Primat(en) der Politik.
@Bauklo
tja, wir Soldaten sind wirklich einfach zu bloede……
@all
Mit den verschiedenen Schuldzuweisungen, hier im Blog, weisen sie doch auf ein Kernproblem hin: Wer ist verantwortlich für die Beschaffung von Strickwollmützen?
Sie werden keinen finden.
Genauso wenig für MH 90, A400M, F125…. etc.
Es wird immer einen geben dem man für einen Teilprozess die Schuld in die Schuhe schieben kann. Da dieses von beiden Seiten geht, dürfen sie dann auch alle zufrieden sein.
Wir haben ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit geschaffen. Wenn nur das Personal gekürzt wird, bleibt das System erhalten. Es dauert dann nur etwas länger.
@BausC
Den Nagel auf den Kopf getroffen….!
CPM ist so wunderbar Grenzenlos ;)
@Voodoo:
Ja, die Zeiträume sind zu lang. Aber „Schlafmützen“ sind „die Herren Beschaffer“, wie in Vorposts geschrieben, deshalb nicht!
Wenn im Rahmen der Beschaffung jedoch an entscheidenden Stellen gepennt wird und Fristen verpasst werden, dann bedeutet das eben: 12 Monate!
Vom System „Haushalt“ werden wir auch so schnell nicht weg kommen. Für besonders dringende Fälle gibt es ja immerhin den einsatzbedingten Sofort-Bedarf, aber leider ist mittlerweile jeder Sch*** ESB, so dass der Topf Mitte des Jahres leer ist…
@BausC:
Volle Zustimmung. Es sind eben nicht dunkle Mächte bei 87b, sondern die organisierte Verantwortungslosigkeit im Gesamtsystem. Das System fördert das fortlaufende Verweisen auf andere (Mit-)Zuständige.
Dies zu ändern bedarf aus meiner Sicht keiner GG-Änderung, sondern einer klaren Zuweisung von Verantwortlichkeiten. Aber in der neuen Struktur wird ja auch schon wieder in der Nutzungsphase die Verantwortung aufgeteilt.
Es wird Zeit für Teil 4 von 08/15.
Nachtrag: ja, Beschaffung und Nutzung gehören unbedingt zusammen. Das neue Konzept auf dem Weg zur Neuausrichtung was letzten Mittwoch näher erläutert wurde wird wohl nicht der ganz große Wurf, da zwar nun Schnittstellen verringert und Militärs enger in die Beschaffung einbezogen werden, aber die Nutzung bleibt letztlich immer noch außen vor.
Finde ich sehr schade, dass man nicht noch mehr Mut zur Reform hatte.
Ich hätte mir gewünscht, dass man die Betreuung eines Projektes auch im Hinblick auf Instandhaltung in eine Hand legt, uns zwar „von der Wiege bis zur Bahre“.
@ Bauklo
@ all
Also wann wird der (damalige?) „…(militärische!) Nutzungsleiter (kein Beamter, sondern ein Soldat, hochrangig und gut bezahlt…“ mitsamt seinen aufzubrauchenden
Wollmützen an einen eiskalten, zugigen und feuchten Standort vesetzt, an dem ihm die Ohren solange anfrieren bis sie glühen?
Gibt es eigentlich eine Untersuchung, welche prozentualen Bruttokosten (Pers, Mat, Infrastruktur, Dienstreisen, Fremdstudien etc.)“ an den Projektgesamtkosten der Beschaffungsapparat pro Projekt verursacht? Ich vermute, dass dies ein gehöriger
Batzen Verteidigungsetat ist.
Wenn ich das so lese, freue ich mich auf mein baldiges Zivilleben…
@all
Es gab sogar wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, ob das Prinzip des Selbsteinkleiders bei vorgegebenem Budget auf auf Flecktarn umsetzbar ist.
Bei neuen Einstzgebieten, Einheiten mit erhöhtem Abnutzungsgrad etc. können einmalige Zuschläge bzw. erhöhte Abnutzungsentschädigungen gezahlt werden,das ganze lässt sich schön in SAP einstellen.
Somit entfallen dann auch die Zeitaufwände für den Ersatz von Feldmützen, Taschenmesser etc. und das schreiben von den schönen Verlustmeldungen.
Vom Aufwand her (KLR Daten sei dank) ist dieses Verfahren günstiger und Praktikabel.
Antwort Vorschlagswesen: Interessanter Vorschlag, leider nicht umsetzbar…. wir danken Ihnen….
Wir haben bei der Beschaffung und Planung doch 2 Probleme.
Die Wehrverwaltung, bei der es manchmal länger dauert und penibelst alles Mitgezeichnet wird und Militärs auf der anderen Seite, die aufgrund Ihrer „Verwendungsbreite“ möglichst alles mal gemacht haben sollen, im Einsatz und auf Lehrgängen sin d und dann nach 2+ Jahren wirder was anderes machen…–> also auch nie Ihre Entscheidungen ausbaden müssen.
Einseitige Schuldzuweisungen sind sicherlich kontraproduktiv, ich denke jeder „Experte“ hier kennt gute und schlechte Beispiele auf beiden Seiten.
@tom:
Leider nicht so einfach…
Wenn man mal im Einzelplan 14 kuckt, stellt man fest, dass für den gesamten zivilen Bereich ca. 4mrd € ausgegeben werden. Dabei hat das BWB ca 6000 Beamte und 4000 AN, die anderen Bereiche (Kommandobrhörden, Militärseelsorge, Uni-Bw etc.) etwa 21000 Beamte und 62000 AN.
In der Summe etwa 90000.
Das BWB müsste daher mit ca 500 Mio € zu Buche schlagen. Investive Ausgaben Bw sind ca. 5mrd €, d.h. Die Projektierung und Beschaffung müsste ganz grob überschlagen im Bereich 10% liegen.
@ bauklo
Dann wäre es doch sicher nützlich, vorrangig bei weniger komplexen Systemen, diese Kosten auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen und so weit wie möglich erprobte COTS – Produkte zu nutzen, bzw. verkürzte Mitzeichnungswege / Prüfverfahren zu definfieren – oder stelle ich mir das, als im Beschaffungsdschungel Unwissender, zu einfach vor?
Nach einer 12-jährigen Soldatenzeit bewarb ich mich beim BWB. Leider bekam ich trotz hervorragender Noten und Zusatzqualifikationen nur die Aussage, dass es einen Einstellungsstopp gibt. Nun bin ich bei einer Unternehmensberatung und berate das BMVg für fast das gleiche Geld am Tag wie ich als Beamter pro Monat gekostet hätte …
Da fällt einem nichts mehr ein.
Wer darf denn alles so mitzeichnen? In diesem Fall sehr wahrscheinlich der:
Amtschef Streitkräfteamt
Präsident Bundesamt für Wehrverwaltung
Amtschef Luftwaffenamt
Amtschef Marineamt
Amtschef Heeresamt
Die bekommen das aber nicht einfach so in ihre Unterschriftenmappe gelegt.
Immerhin beschäftigen diese hohen Vorgesetzten tausende von Mitarbeitern. Also werde hausintern erst einmal einige Mitzeichnungsschleifen gedreht.
Ich meine, wenn denn schon ein B9er mitzeichnen muss, was ich deutlich anzweifle, aber sei es drum, dann reicht ganz gewiss EINER.
Übrigens reden wir hier von dem ganz normalen Beschaffungsvorgang und nicht über etwas, was aussergewöhnlich lange gedauert hat.
Es gibt bei so einem komplexen Beschaffungsvorgang (Ankauf von Wollmützen) formelle Probleme und informelle Probleme.
Variante 1 : Ein Beamter auf der Ebene A11 / A12 kauft von den gängigen Outdoorherstellern jeweils ein Muster, legt es dem Nutzungsleiter zur Prüfung vor, die beste Mütze wird in der benötigten Stückzahl beschafft nachdem mindestens 1 Jahr vorher das Geld in den Haushalt eingestellt wurde.
Vorteil: Es geht schnell (1 – 1,5 Jahre)
Nachteil: Es schafft und sichert beim BwB und bei den Materialämtern keine gut dotierten Dienstposten
Variante 2: Der Bedarf für den komplexen Gegenstand wird erstmal beschrieben, anschließend wird ein Mengengerüst und ein Anforderungsprofil an den zu beschaffenden Gegenstand (Wollmütze) geschrieben. Dies nennt man wohl im Beschaffungsvorgang „Abschließende Funktionale Forderung“ an den Beschaffungsgegenstand. Wenn dies Papier alle Beteiligten so mitzeichnen (Beamte BWB, Nutzungsleiter LogABw) kann zügig die „Realisierungsgenehmigung“ für den Artikel erteilt werden. Jetzt geht man in die Phase der Marktsichtung. Nachdem die ersten Probeartikel geliefert und ausgiebig durch die Wehrtechnischen Dienststellen (Reiteralpe in Bad Reichenhall für die Winterkampfausrüstung) und die Truppe getestet wurden, Abschlusserprobungsberichte geschrieben wurden, geht es in die Phase der Ausschreibung. Jetzt hat hoffentlich der Nutzungsleiter schon vor 1 Jahr Geld im Haushalt beantragt. Nachdem die Org-Bereiche großen Wert auf die Bewirtschaftung der eigenen Haushaltsmittel legen, werden die zuständigen BVMat von Heer, Marine, Lw und San angeschrieben, ob sie bereit sind Mittel von ihren Org-Bereich zur Verfügung zu stellen, denn schließlich sollen ja nicht nur SKB-Soldaten, sondern auch Heeressoldaten, Lw-Soldaten und San-Soldaten im Einsatz diese Wollmütze tragen. Hoffentlich haben jetzt alle Org-Bereich noch etwas Geld übrig, sonst klappt die Beschaffung mit einem Vorlauf von einem Jahr nicht.
Gesetz dem Fall die anderen Org-Bereich ziehen bei der Bezahlung mit, kann das BwB jetzt eine Ausschreibung machen. Dummerweise ist jetzt das Angebot der Firma x etwas günstiger als das der Firma y. Die Qualität der Wollmütze ist zwar etwas schlechter aber das Lastenheft der Ausschreibung ist so geschrieben, das beide Modelle die Anforderungen erfüllen.
Wenn das ganze Projekt jetzt noch zufällig ins erste Halbjahr fällt, dann kann im darauffolgenden Jahr beschaft werden.
Die Truppe erhält zwar die minderwertigeren Mützen, aber dafür wurde bei der Beschaffung 10 % eingespart.
Wie man unschwer erkennt wurden in der Variante 2 jetzt in den 5 Org-Bereichen mindestens 5 Dezernate mit einem OTL A15 und mehreren Hauptleuten und Stabsfeldwebeln beschäftigt. Im BwB kann diese Koordination der querschnittlichen Beschaffung für alle Org-Bereiche auch kein A11/A12 mehr handhaben, dafür ist jetzt mindestens ein Bauoberrat A14 notwendig.
Jetzt mal ehrlich Leute, die Variante 2 bringt soviel an Mehrwert gegenüber Variante 1, Begründungen für hohe Dienstposten, LoNo-Datenverkehr, Arbeitsbesprechungen, Dienstreisen zur Wehrtechnischen Dienststelle auf die Reiteralpe nach Bad Reichenhall (im Winter – ein Traum !), Papierverbrauch und was weiß ich noch alles, dass man unmöglich nach Variante 1 diesen komplexen Gegenstand (Wollmütze) beschaffen kann !
Das krankt doch auch an Ausschreibungspflichten; ab Betrag X ist europaweit auszuschreiben usw.
Gottseidank war man in meinem letzten ISAF-Einsatz kulant, und ganz MES dank der Lw eh Flugbetriebsbereich und daher eigentlich „kopfbedeckungsbefreit, und ich konnte mir meine großartige Berghaus-Mütze aufziehen. Das Teil ist einfach nur großartig, zivil tragbar und um Längen besser als die dienstliche Wollmütze, die ja schon eine Verbesserung zur Feldmütze, Winter war.
Am Ende geht es aber immer besser und Soldaten neigen zur Selbstausrüstung, weil irgendwas praktischer, cooler oder sonst-was (späschl) ist.
Nein, das wird auch schon so gemacht, z.B. im vorliegenden Beispiel.
Wenn das Realisierungsrisiko sehr gering ist, dann kann während der Formulierung der Anforderungen an das Produkt schon nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden und direkt im Anschluss die Realisierungsgenehmigung und sogar schon die Genehmigung zur Nutzung erteilt werden.
D.h. die Projektierung und die Einführungsphase entfallen, es wird nur beschafft und sofort genutzt.
Da bietet das Beschaffungsberfahren dem Projektleiter sehr viel Flexibilität.
Trotzdem müssen immer die Fristen eingehalten werden: Ohne beschaffungsbegründendes Phasendokument geht das Projekt bzw. die Beschaffung nicht in die Programmverhandlung. Ohne Programmverhandlung kein Programmblatt, ohne Programmblatt nicht in den Haushalt und ohne Haushalt kein Geld.
Deshalb brennt im BWB ab Mitte Mai die Luft…
Bitter, wenn dann das Phasendokument nicht schlussgezeichnet ist, weil so viele andere Stellen mitzeichnen müssen. Wenn so etwas passiert sorgt das für ganz schön miese Stimmung.
Will sagen: Wenn alles klappt und alle an einem Strang ziehen, KANN eine Beachaffung auch mal schnell gehen.
Aber das echte Leben sieht leider so aus, dass alleine die abschließende funktionale Forderung Monate und Jahre braucht, bis alle Kommandos, Führungsstäbe und TSKs zufrieden sind! Hierbei sollte der zukünftige Projektleiter vorher schon festgelegt sein, dann kann schon mal ein bißchen nachgedacht werden…
Das eigentliche Projekt kann dann auch Jahre dauern wenn Fristen verpasst werden. Einsatzprüfung auch
Mitunter eine
Gefühlte Ewigkeit…
Bis das Material eingeführt ist und genutzt werden kann, weiß der Soldat schon nicht mehr, was er mal ursprünglich bestellt hatte…
Und im schlimmsten Fall hat sich bis dahin die Sicherheitslage geändert und kein Mensch braucht das Gerät noch…
@Georg
Danke für die lange Version. :-)
hm
@Bauklo
haben Sie schon mal daran gedacht einen Mediziner zu Rate zu ziehen ?
@Klabautermann:
Das soll sicherlich nicht beleidigen, sondern ist nur wohlgemeinte Sorge um meine geistige Gesundheit?
@Bauklo
na ja, gesunder Menschenverstand braucht manchmal fachliche Hilfe ;-)
War wirklich nicht beleidigend gemeint, sondern im Sinne von ‚ Hallo, merkst Du noch was?‘
Die Sache ist doch eigentlich ganz einfach:
Nehmen wir mal eine OMA, die am Tag eine Mütze strickt oder häkelt. Dann sind das schon 365 Mützen im Jahr. (Ein Batailon ausgestattet)
Nehmen wir nun hundert Omas, haben wir innerhalb eines Jahres mehr Mützen als Soldaten. Und wenn wir mit der Reduzierung ducrh sind, hat jeder verbliebene Soldat sogar zwei Mützen. Geil oder?
Was da abgeht, ist echt Comedy pur
Hört sich nach einem schönen Job für eine ConsultingFirma mit vielen Folgeaufträgen an, dazu müsste man diese Leute aber mit entsprechenden Vollmachten ausstatten, was mir eher unrealistisch erscheint.
Wie schon einmal gesagt, sollte man es unterlassen den Beamten oder Soldaten irgendwelche Schuld zuzuschieben, sondern nach Lösungen suchen, denn letzten Endes ist es der Soldat im Feld und Alltag, der der Leidtragende ist.
Ich fürchte, dass in Bauklos Erzählungen sehr viel Wahrheit steckt. Wenn der Nutzungsleiter am Freitag um 11 Uhr ins Wochenende fährt, hilft es den Soldaten im Einsatz mit ihrem gesperrten Gerät auch nicht, dass Lieferant und BWB bis um 17 Uhr ackern, damit das Gerät wieder genutzt werden kann. Dann dauert es eben halt noch ein Wochenende.
Und wenn ich darüber nachdenke, wie wenig Gedanken sich gerade die Operateure über Nutzung, Logistik und Instandhaltung machen, bin ich als mittlerweile Zivilist und Steuerzahler heilfroh, dass nicht alles nach den gerade mal zufällig aktuellen Wünschen des militärischen Teils übers Knie gebrochen wird.
Und kleine Ergänzung: ich fand die alte Feld/-Bordmütze Winter toll. Bei Erkältung oder mehreren Stunden im Freien auf der Nordsee im Winter traumhaft. Für Kampftruppen mag das allerdings anders aussehen.
In Anbetracht meines ehemaligen Arbeitsvertrags und den daraus resultierenden Verschwiegenheitspflichten – und auch im Hinblick auf kommenden (nun vermutlich utopische) Vorhaben mich als Reservist der Bundeswehr zu engagieren äußere ich mich kurz, knapp und loyal (suchen Sie sich aus, wem gegenüber):
Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahahhhhhhhhhhhhahahahahahahahhaahahhahahahaahahahha
Mit aller gebotenen Zurückhaltung,
freundlichst
/DL
Was alle hier zu vergessen scheinen ist das der Gesetzgeber die Vorgaben macht wie die Wehrbeschaffung abzulaufen hat.
Also bitte nicht über die Beamten oder die involvierten Soldaten meckern die sich an die gesetzlichen Regelungen halten, sondern über diejenigen die bei den Wahlen die Stimmen der Bürger erhalten.
@ b
Mit Verlaub: das Beschaffungswesen der Bw ist seit Jahren eine Zumuntung in Punkto Ensatzausrüstung und Versorgung der Soldaten. Verantwortlich sind diejenigen, die aus Rücksicht auf die eigene Karriere „Klarstand“ melden, wo „Land unter“ ist.
An welcher Stelle werden ALLE Prozesse der Bundeswehr UNABHÄNGIG und SACHKUNDIG beurteilt und regelmäßig geprüft?
Jetzt ohne gebotene Zurückhaltung
/DL
Empfehle das Buch “ Das Peter-Prinzip oder Die Hierarchie Der Unfähigen“ von Laurence J. Peter und Raymond Hull .
Dort läßt sich das oben beschriebene sehr schön nachlesen (anhand anderer Beispiele). Vielleicht nicht hoch wissenschaftlich aber zutreffend.
@ b
Na ja, das mit dem Gesetzgeber stimmt nur zum Teil. Die Masse der Vorschriften hat sich die Bundeswehr über den Verordnungsweg selber gegeben und die erhalten in erster Linie Planstellen.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Beschaffungsvorgänge komplett für die Katz sind.
b ueberschaetzen sie die Handlungsfaehigkeit der Parlamentarier nicht? Wenn wirklich einer mal die Nase da reinsteckt, wird doch bis zum gehtnichtmehr gemauert. Die Vorschlaege wie so ein Beschaffungswesen reformiert werden kann ziehen sich die Politiker ja auch nicht aus den Fingern. Da wird bestenfalls eine externe Komission beauftragt deren Vorschlaege dann von einem Staatsekraeter mit der Behoerde angepasst wird, sonst ist es ja nicht durchfuehrbar.
Am Ende hat das Parlament auch nur die Wahl: entweder passiert garnichts oder ein Paar oberflaechliche Aenderungen werden durchgesetzt um wenigstens die Hoffnung auf Besserung zu bewahren.
Ich vermute die Ursache viel mehr in den Beharrungskraeften in Behoerde und Militaer selbst. Vieleicht ist auch eine weitere Sache daran beteiligt: Jedesmal wenn ich hier Kommentare zu Beschaffung, Material etc. lese kommt es mir so vor, als waere das Verhaeltnis zwischen Truppe, Fuehrung und Wehrverwaltung nachhaltig vergiftet.
@klabautermann
Sprechen Sie doch bitte bei denen vor, die diese Verfahrensweisen ausser Kraft setzen könnten, anstatt jemanden, der über die Abhängigkeiten sehr informativ berichtet, unterschwellig zu beleidigen!