Neue Regeln für den Rüstungsexport?

Die Meldung des Spiegels vom Wochenende, dass die Bundesregierung grundsätzlich grünes Licht für den Export von Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien gebilligt hat, hat für entsprechende Aufregung gesorgt. Vor einem Blick auf die Bedeutung kurz eine Reuters-Meldung von heute mittag, die interessante weitere Details liefert:

RIYADH, July 4 (Reuters) – Saudi Arabia has bought 44 Leopard tanks from Germany in the first phase of a multi-billion euro deal to acquire a total of 200 tanks in coming months, Saudi security sources told Reuters.

The purchase comes in the wake of Saudi King Abdullah’s $93 billion handout package in March that included boosting support for police and security forces. The handouts were a response to unrest sweeping through the Arab world.

„So far, Saudi has bought 44 tanks from Germany and … in total want to buy 200 tanks from Germany,“ said one security source, speaking on condition of anonymity.

Ob das mit den 44 bereits gelieferten Kampfpanzern stimmt, werden wir vermutlich in nächster Zeit ebenso wenig erfahren (Update: bislang habe ich dafür noch nicht mal einen inoffiziellen Hinweis bekommen können) wie es eine offizielle deutsche Bestätigung der Billigung im Bundessicherheitsrat geben wird. In der heutigen Bundespressekonferenz jedenfalls zogen sich der Regierungssprecher und der Sprecher des Auswärtigen Amtes immer wieder auf die Geheimhaltung zurück, die für alle Beschlüsse des Gremiums gilt. (Protokoll der Bundespressekonferenz folgt, wenn es vorliegt.)

Unabhängig von der Bestätigung oder Nicht-Bestätigung (ein Dementi gibt es, wohlgemerkt, nicht) von Details: Es deutet vieles darauf hin, dass sich die Haltung der deutschen Regierung zu Rüstungsexporten in den arabischen Raum sehr grundlegend geändert hat. Die Meldung über Einzelheiten eines Zehn-Milliarden-Euro-Pakets für Algerien ist da nur ein weiterer Baustein.

Die grundlegende Änderung ist deshalb so bemerkenswert, weil die Saudis ja nicht erst seit kurzem die modernen deutschen Kampfpanzer wollen. Schon von rund 30 Jahren gab es entsprechende Wünsche, für die sich damals auch der FDP-Politiker (und zeitweise Staatsminister im Auswärtigen Amt) Jürgen Möllemann einsetzte: Den Panzer Leo, den die Saudis so gerne wollen, müsse man, so Möllemann, „auf arabisch von rechts nach links“ lesen: „Oel“, berichtete der Spiegel schon 1983.

Daraus wurde damals nichts, weil vor allem die historische deutsche Verantwortung für Israel dem Deal im Wege stand. Die Verantwortung für den jüdischen Staat gilt unverändert: Die Bundesregierung, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute, werde nicht gegen die Interessen und das Existenzrecht Israels handeln.

Doch obwohl Saudi-Arabien formal weiterhin ein Kriegsgegner Israels ist, sind neue deutsche Panzer weit weniger als in den vergangenen Jahrzehnten eine Bedrohung für Israel. Zum einen, weil der hochtechnisierte und -gerüstete Staat mit ganz anderen Mitteln auf einen konventionellen Panzer-Angriff reagieren kann. Zum anderen aber: Das haschemitische Königreich hat längst Panzer, laut Wikipedia rund 2.500 Stück. Überwiegend aus amerikanischer, zum Teil aus französischer und russischer Produktion. Die Aufwertung oder der Ersatz der teilweise veralteten Kampffahrzeuge durch modernste deutsche Produktion auf Basis des Leopard 2A7+ dürfte zwar die saudischen Truppen schlagkräftiger machen – aber eine Bedrohung Israels nicht wirklich erhöhen.

Denn die politischen und militärischen Gefahren in der Region werden inzwischen ein wenig anders eingeschätzt: zwischen dem Iran, dessen mögliche nukleare Aufrüstung der Westen mit Argusaugen verfolgt, und instabilen, von Bürgerkrieg bedrohten Staaten wie Jermen im Süden scheint das Königreich ein Hort der Stabilität. Wenn auch nicht der Menschenrechte – was allerdings aus politischer Sicht mitunter zwei getrennte Betrachtungen sind.

Vor allem aber: Es ist ja nicht so, als ob eine grundsätzliche Billigung von Panzerexporten an die Saudis die erste genehmigte deutsche Unterstützung für die Sicherheitskräfte des Königreiches wäre. Das Unternehmen EADS Cassidian hat einen Riesenauftrag für Anlagen zur Grenzsicherung an Land gezogen – verbunden mit einem Ausrüstungspaket, das mehr oder weniger direkt auch den deutschen Staat mit einschließt: derzeit rund 25 Beamte der Bundespolizei bilden saudische Grenzschützer aus. Schließlich sei, verkündete die Bundesregierung vergangene Woche in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage dazu, Saudi-Arabien aus sicherheitspolitischer Sicht ein wichtiger strategischer Partner im arabischen Raum.

Intgeressant wird jetzt die Frage, welche Auswirkungen der letzte bekannt gewordene (und damals gescheiterte) Panzer-Deal auf das neue Geschäft hat. 1999 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Lizenproduktion deutscher Leopard-Panzer im NATO-Partnerland Türkei genehmigen wollen. Der grüne Koalitionspartner, vor allem Claudia Roth, zu der Zeit Vorsitzende im Menschenrechtsausschuss, schrie auf – und setzte eine Verschärfung der Exportbestimmungen durch.

Zur Ergänzung: auf verschiedenen Webseiten ist dieses Video zur Illustration des Leopard 2A7+ herangezogen worden, und mich erreichen Anfragen, ob das denn echt sei.

Das Video ist echt – entstanden bei der Informations-Lehrübung Nord 2010 auf dem Truppenübungsplatz Munster. Da hat jemand seine Videokamera hingehalten; der Ton ist der Original-Kommentar der Bundeswehr. (Ich weiß es deshalb, weil ich da auch dabei war.)

Dieser Panzer gehörte bei der Vorführung (und gehört meines Wissens bis heute) der Industrie und nicht der Bundeswehr. Insofern habe ich mich damals schon gewundert, warum das Heer dieses Modell – einen Prototypen – in die Darstellung seiner Gefechtsfahrzeuge integriert hat.

Wie die Version aussieht, die die Saudis am Ende geliefert bekommen, ist eine noch recht offene Frage. Wenn ich das Procedere richtig verstehe, gibt es bislang zwar das grundsätzliche grüne Licht für die Industrie – aber über Details und die Ausstattung der Lieferung ist wahrscheinlich noch nicht mal geredet worden.

Und die Karikatur von @Der Bulo (mit freundlicher Genehmigung des Urhebers) muss noch sein…

Nachtrag: Die Frage-und-Antwort-Runde dazu in der heutigen Bundespressekonferenz mit Regierungssprecher Steffen Seibert und AA-Sprecher Andreas Peschke, außerdem der stellvertretende BMVg-Sprecher Kpt. z.S. Christian Dienst und der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Markus Beyer:

FRAGE: Herr Peschke, ist die Lage in Saudi-Arabien, vor allen Dingen die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes eine solche, dass man die Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien befürworten kann? Ist die Gefahr der Verwicklung Saudi-Arabiens in militärische Konflikte so gering, dass eine solche Lieferung befürwortet werden kann?

PESCHKE: Sie spielen vermutlich auf Berichte über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates an. Dazu muss ich Ihnen sagen: Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Deswegen können wir weder zu Beratungen noch zu Ergebnissen und Inhalten öffentlich Stellung nehmen.

ZUSATZFRAGE: Ich hatte danach gar nicht gefragt, sondern ich hatte gefragt, wie die Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien angeht.

PESCHKE: Sie hatten Ihre Frage schon sehr klar mit Berichten über mögliche Entscheidungen des Bundesicherheitsrats kontextuiert. Insofern muss ich das genauso zurückgeben, wie ich es gesagt habe.

Im Übrigen sind unsere sonstigen Einschätzungen gerade zur Menschenrechtslage in Saudi-Arabien hinreichend bekannt und wurden immer wieder gegenüber saudischen Vertretern thematisiert. Der Bundesaußenminister hat zum Beispiel im Gespräch mit seinem saudischen Amtskollegen immer wieder das Thema der Menschenrechte in den Beratungen, aber auch in den öffentlichen Pressekonferenzen angesprochen. Deswegen ist bekannt, dass wir in diesem Bereich mit Saudi-Arabien klare Meinungsverschiedenheiten haben, die wir auch immer wieder sehr deutlich ansprechen.

FRAGE: Herr Peschke, wie besorgt ist die Bundesregierung über die Aufrüstungsspirale in der Region Persischer Golf?

PESCHKE: Das ist eine sehr allgemein gehaltene Frage, die ich aufgrund mangelnder Erkenntnisse zu der sehr allgemeinen Prämisse „Aufrüstungsspirale“ jetzt nicht beantworten kann. Worüber wir sehr besorgt sind, sind die Gefahren am Persischen Golf, die von den ungeklärten Fragen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm ausgehen. Das haben wir immer wieder thematisiert. Es gibt im Zusammenhang mit diesem iranischen Atomprogramm zahlreiche ungeklärte Fragen bezüglich der Natur dieses Atomprogramms, ob es wirklich rein ziviler Natur ist, wie es der Iran immer wieder sagt. Aufgrund dieser ungeklärten Fragen hat die internationale Staatengemeinschaft Sanktionen verabschiedet, den Iran aber auch immer wieder eingeladen, sich in einen ehrlichen Gesprächsprozess zu begeben.

Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass sich im Zusammenhang mit diesen ungeklärten Fragen die Sicherheitslage am Persischen Golf und in der gesamten Region verschärfen kann, weil es kein Geheimnis ist, dass eine mögliche atomare Bewaffnung des Iran ähnliche Wünsche auch in anderen Staaten der Region begünstigen könnte. Insofern ist ein ganz klares Ziel der Politik der Bundesregierung, gemeinsam mit unseren Partnern eine atomare Bewaffnung des Iran zu verhindern.

FRAGE: Wenn wir schon bei diesem Komplex sind, könnten Sie mir auch ein paar Darstellungen geben, wie die Bundesregierung die Situation in Algerien einschätzt? Auch dorthin gibt es einen Geschäftsarm im Hinblick auf Exporte. Ist das ähnlich problematisch?

PESCHKE: Ich kann im Hinblick auf mögliche Exporte oder Nicht-Exporte nur das sagen, was ich in Bezug auf Saudi-Arabien und auf alle anderen Fälle sagen kann. Das sind geheime Beratungen, über die ich öffentlich keine Auskunft erteilen kann. Ansonsten ist, glaube ich, die Prämisse in Ihrer Frage ähnlich problematisch und nicht richtig. Zwischen Algerien und Saudi-Arabien gibt es zweifellos eine sehr entscheidende Gemeinsamkeit, nämlich dass in beiden Ländern eine der Amtssprachen Arabisch ist und dass beide Länder im Wesentlichen zum Großraum der arabischen Welt gezählt werden. Ansonsten gibt es zwischen diesen beiden Ländern aber viel mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Die Lage in beiden Ländern muss man sehr differenziert und mit einem genauen Blick betrachten.

In Algerien ist es so, dass wir die Notwendigkeit weiterer innerer Reformen sehen, dass wir diese Notwendigkeit bei algerischen Regierungsmitgliedern immer wieder ansprechen und dass wir uns dafür einsetzen, dass ein glaubwürdiger Reformprozess in Algerien nicht nur in Gang kommt, sondern auch umgesetzt wird. Das ist unsere Einschätzung zu Algerien.

FRAGE: Herr Dienst, wenn, einmal ganz abstrakt gesprochen, die deutsche wehrtechnische Industrie „Leopard 2“ ins Ausland in der Größenordnung von 200 Stück exportieren will, würde sie dann neue Panzer bauen? Oder würde sie auf Bestände der Bundeswehr zurückgreifen, die nicht mehr gebraucht werden und die man modernisieren kann?

DIENST: Dieses Thema gehört im Moment nicht in mein Sprechportfolio.

ZUSATZFRAGE: Dann versuche ich es anders. Stehen bei der Bundeswehr noch irgendwo 200 „Leopard 2“ herum, die man gegebenenfalls modernisieren könnte und die man nicht mehr braucht, die also in irgendeiner Weise dem Markt zur Verfügung stünden? Oder müsste man im Fall einer solchen Anfrage in jedem Fall neue Panzer bauen?

DIENST: Auch mit noch einer weiteren Nachfrage werden Sie mich nicht locken können.

ZUSATZFRAGE: Ich will Sie gar nicht locken. Mir geht es darum: Gibt es bei der Bundeswehr noch zu viele „Leopard 2“, die jetzt sowieso abgebaut werden, oder nicht?

DIENST: Bei der Bundeswehr gibt es „Leopard“-Panzer.

ZUSATZ: Ehrlich gesagt finde ich die Form der Beantwortung ein bisschen unbefriedigend, weil sich diese Frage eigentlich unabhängig von dem Thema des konkreten Rüstungsexports, das die Kollegen angeschnitten haben, klären lassen müsste.

DIENST: Wenn die Strukturentscheidungen der Bundeswehr dazu führen, dass Material frei wird, wird dieses Material der Weiterverwertung, dem Weiterverkauf nach den gängigen Richtlinien zugeführt.

FRAGE: Zu dem Punkt: Es war schon nachzulesen, dass Saudi-Arabien wohl genug Geld hat, um neue Panzer kaufen zu können. Wird überhaupt geliefert? Wenn ich Ihre strategische Begründung nehme, Herr Peschke, also den Seitenblick auf den Iran, kann man das so reduzieren, wie es die Kollegen der „Ludwigsburger Kreiszeitung“ am Wochenende in einem Kommentar gemacht haben, in dem sie gesagt haben: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund, und dann kann ich liefern“? Begründet das die Wende des Verhältnisses in Sachen Rüstungslieferung in den Jahren bis hin zu Bundeskanzler Kohl?

STS SEIBERT: Ich glaube, wir haben über die übliche und notwendige Geheimhaltung der Erörterungen des Bundessicherheitsrats genügend gesagt. Diese Geheimhaltung erlaubt es uns im Übrigen gar nicht, Ausführungen zu machen.

Generell kann man sagen: Der Bundesicherheitsrat befasst sich mit Anträgen und Anfragen in sehr verschiedenen Phasen eines in Anführungszeichen Exportfalls, eines Geschäftes. Die Unternehmen können solche Anfragen sowohl in einer sehr frühen Phase im Vorgriff auf Gespräche stellen, die sie mit einem möglichen Geschäftspartner führen wollen, als auch erst kurz vor einer geplanten Vertragsunterzeichnung, wenn es tatsächlich zum Exportfall kommt. So ist das Verfahren. Dann unterrichtet die Bundesregierung darüber in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht, der selbstverständlich dem Bundestag vorgelegt wird.

Alle weiteren Äußerungen dazu sind uns jetzt nicht möglich und werden uns auch durch Unterstellungen, wie zum Beispiel in Ihrer Frage, dass es eine Wende gegeben habe, nicht zu entlocken sein.

ZUSATZFRAGE: Liege ich falsch mit meiner Annahme, dass diese Geheimhaltung zumeist gerade in diesem Rüstungsbereich mit einer möglichen Gefährdung des einzelnen nationalen Sicherheitsinteresses begründet wird? Wenn es so ist, wo ist das deutsche nationale Sicherheitsinteresse in Saudi-Arabien gefährdet? Wird die Freiheit Deutschlands jetzt auch schon in der Wüste verteidigt?

STS SEIBERT: Diese Geheimhaltung der Verhandlungen des Bundessicherheitsrats wird nicht von Fall zu Fall neu begründet. Das ist sozusagen eine stehende Übung deutscher Politik. So ist es im Bundessicherheitsrat. Das muss nicht von Fall zu Fall neu begründet werden. Die Geheimhaltung ergibt sich aus zwei Überlegungen: das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern, allerdings auch der Schutz der Interessen eines möglichen Empfängerlandes. Dieses sind die beiden Begründungen für die Geheimhaltung, der die Tagesordnung und die Ergebnisse des Bundessicherheitsrats unterliegen.

FRAGE: Herr Peschke, wie beurteilt das Auswärtige Amt die Beteiligung der saudi-arabischen Militärs an der Niederschlagung der Aufstände in Bahrain zwischen März und Juni?

PESCHKE: Ich glaube, Herr Seibert hat sehr grundsätzlich dazu Stellung genommen. Dem habe ich an der Stelle nichts hinzuzufügen.

ZUSATZ: Entschuldigung, aber das war ein anderes Thema.

PESCHKE: Wenn Sie zur Lage in Bahrain fragen wollen, dann kann ich Ihnen zur Lage in Bahrain sagen, die wir seit Längerem dazu gab es hier in der Regierungspressekonferenz immer wieder Fragen sehr aufmerksam und nicht ohne Sorge verfolgen. Wir haben in alle Richtungen darauf hingewirkt und darauf hingewiesen, dass die Wurzel der Probleme in Bahrain innenpolitisch ist, dass es sich um eine innere Problemlage handelt und dass demzufolge die Probleme in Bahrain zuerst auf innenpolitischem Wege gelöst werden müssen.

In den letzten Tagen gab es in diese Richtung einige Fortschritte, die noch nicht ausreichen, die aber ermutigen und von denen wir hoffen, dass sie entschieden weiter verfolgt werden.

VORS.: War Ihre Frage damit jetzt beantwortet?

ZUSATZ: Nein. Ich hatte nach der Beurteilung des Einsatzes der saudi-arabischen Militärs in Bahrain gefragt.

PESCHKE: In Ihrer zweiten Nachfrage haben Sie eine Frage zur Lage in Bahrain formuliert. Die Lage in Bahrain habe ich Ihnen aus unserer Sicht gerade dargestellt. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

VORS.: Nur ganz kurz zur Klarstellung: Sie können die Frage nicht beantworten?

PESCHKE: Es wurde nach der Lage in Bahrain gefragt. Unsere Beurteilung der Lage in Bahrain habe ich geschildert. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

ZUSATZFRAGE: Wenn das die Antwort war, Herr Peschke, heißt das, dass die Bundesregierung, wenn sie sagt, dass das innenpolitische Probleme sind, die innenpolitisch gelöst werden müssen, es kritisch bewertet, dass man ein Nachbarland zu Hilfe rufen lässt?

PESCHKE: Die Lage in Bahrain ist ein Gesamtkomplex. Dazu gab es Entscheidungen des Golfkooperationsrates. Es gab Entscheidungen der bahrainischen Regierung. Es gab ein Handeln des Golfkooperationsrates. Das haben wir alles sehr aufmerksam verfolgt. Es ist nicht an mir, das hier im Einzelnen detailliert zu kommentieren.

Wir vertreten aktiv im Hinblick auf alle Beteiligten in Bahrain und auch in der Region die Auffassung, dass eine nachhaltige Lösung der Probleme in Bahrain vor allem im Wege einer innergesellschaftlichen Aussöhnung und eines innergesellschaftlichen Dialogs erfolgen muss. Damit so ein Prozess nicht nur in Gang kommt, sondern auch umgesetzt wird, sind wir mit allen Beteiligten im Gespräch. Es gab in den letzten Tagen einige Zeichen, die in diese Richtung deuten. Diese Zeichen ermutigen wir.

FRAGE: Herr Seibert, eine Frage allgemeiner Art zu Saudi-Arabien. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rolle Saudi-Arabiens im Zusammenhang mit der Entwicklung im arabischen Krisenbogen? Ist diese Rolle aus Sicht der Bundesregierung besonders unterstützenswert?

STS SEIBERT: Was meinen Sie mit „Krisenbogen“?

ZUSATZFRAGE: Das, was im arabischen Frühling geschehen ist, und wie sich das weiterentwickelt. Welche Bedeutung hat Saudi-Arabien dafür?

STS SEIBERT: Ich blicke Herrn Peschke an, weil er dazu wahrscheinlich besser Auskunft geben kann.

PESCHKE: Das ist wiederum eine sehr allgemeine Frage mit einer sehr hohen Anflughöhe. Jetzt wollen wir uns einmal ansehen, was mit dem Begriff „arabischer Krisenbogen“ gemeint sein kann. Sind damit die revolutionären Umbrüche in Tunesien und Ägypten, gefolgt von den Entwicklungen in Libyen und Syrien gemeint?

Dann will ich darauf hinweisen, dass unserer Einschätzung nach die Dinge in Tunesien und Ägypten, genauso wie die Entwicklungen in Libyen und Syrien, sicherlich in Saudi-Arabien sehr aufmerksam beobachtet werden, dass aber die wesentlichen Faktoren, die diese Entwicklung möglich gemacht und vorangetrieben machen, Faktoren sind, die innerhalb der jeweiligen Länder liegen. Insbesondere in Tunesien und innerhalb von Ägypten vollziehen sich innergesellschaftliche Entwicklungen, die im Wesentlichen einen innenpolitischen Ursprung haben. Insofern ist der Einfluss der arabischen Welt insgesamt nicht zu vernachlässigen. Aber es ist schwer quantifizierbar, inwieweit einzelne Länder eine besondere Rolle über die unmittelbaren Nachbarländer hinaus gespielt haben.

Es ist ganz offensichtlich, dass die Entwicklungen in Ägypten und Tunesien einen sehr wichtigen Einfluss auf die Entwicklungen und den Freiheitswillen der Menschen in Libyen gehabt haben. Aber darüber hinaus kommt man sehr schnell in ein Feld nicht quantifizierbarer Spekulationen, das ich einfach nicht betreten möchte.

FRAGE: Herr Seibert, zwei Fragen, eine inhaltliche und eine eher technische. Zuerst die inhaltliche: Die Kanzlerin legt großen Wert auf die Beziehungen zu Israel. Kann man daraus schlussfolgern, dass, wenn Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien geplant sein sollten, geplant wären, sie darüber mit der israelischen Seite sprechen würde. Ist es so, dass sie das nicht entscheiden oder mitentscheiden würde, ohne die Meinung einzuholen, ob das eine Gefahr für Israel ist?

Die eher technische Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass in diesem Prozess der Entscheidung, solche Rüstungsexporte zu erlauben, eigentlich erst bei Veröffentlichung des Rüstungsexportberichtes die Öffentlichkeit davon erfährt? Zwischen der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichtes und dem jetzigen Zeitpunkt wird also eigentlich keine Bestätigung zu bekommen sein, ob eine solche Entscheidung gefallen ist?

STS SEIBERT: Das ist nach meinen Informationen das übliche Verfahren.

Zu der Frage zu Israel: Die Bundeskanzlerin ist eine Freundin Israels. Das wird auch in Israel selber so gesehen und von führenden israelischen Politikern aller Parteien bei den Begegnungen auch immer wieder betont und hervorgehoben. Auch die Tatsache, dass Bundeskanzlerin mehrere Preise verliehen bekommt hat, spricht, glaube ich, dafür, dass dies eine echte, tief empfundene Freundschaft seitens der Bundeskanzlerin mit dem Staat Israel ist.

Bei Gesprächen, die die Bundeskanzlerin oder auch überhaupt die Bundesregierung ich will das erweitern mit den israelischen Spitzen führt, geht es immer auch um die Frage der Bedrohung Israels, der Bedrohungssituation. Über diesen natürlich ziemlich sensiblen Bereich des Gesprächs wird Stillschweigen bewahrt, aber ein Thema ist es immer.

ZUSATZFRAGE: Das heißt also auch, dass man, wenn Überlegungen im Raume stehen, ob man Rüstungsgüter in Länder exportiert, die sich letztlich im Kriegszustand mit Israel befinden, das auch ansprechen würde, dass man also nicht nur fragt „Wie ist eure Situation?“, sondern auch aktiv mitteilen würde: „Solche Überlegungen gibt es bei uns.“?

STS SEIBERT: Ich möchte auf diese konkrete Prämisse, die Sie da gerade stellen, nicht eingehen. Ich möchte nur ganz allgemein sagen, dass die Bundesregierung nicht gegen die Interessen, das Existenzrecht und die Existenzmöglichkeit Israels handelt. Das ist ein Grundzug, ein Grundpfeiler unserer Politik, der sich in allem widerspiegelt.

FRAGE: Um der strategischen Bewertung noch ein bisschen näher zu rücken, Herr Seibert und/oder Herr Peschke: Könnte man denn sagen, dass die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Saudi-Arabien im Konzert der Gegenwart ein stabilisierender Faktor ist und vielleicht dabei ist, die Rolle Ägyptens zu übernehmen? Ist das die Bewertung?

Eine zweite kurze Frage an Herrn Beyer und Herrn Dienst: Wie viele saudische Kameraden und möglicherweise wie viele Polizisten werden zurzeit in Institutionen der Bundeswehr fortgebildet? Vielleicht können Sie zumindest eine Größenordnung nennen?

STS SEIBERT: Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich nur sagen, dass die Bundesregierung ein sehr großes Interesse an einer stabilen Entwicklung Ägyptens hin zu einer pluralistischeren, demokratischeren Gesellschaft hat und diese Entwicklung auch nach Kräften unterstützt. Insofern ist nicht im Sinne Ihrer Frage ein Land gegen ein anderes auszutauschen.

VORS.: Wer möchte zum zweiten Teil der Frage beginnen? Herr Beyer?

BEYER: In welche Richtung war die Frage gemünzt?

ZUSATZFRAGE: Das war eine schlichte quantitative Frage nach der Größenordnung. Letzte Woche oder vor zwei Wochen ist hier ja schon von der Ausbildung von saudischen Grenzpolizisten die Rede gewesen. In welchem Volumen spielt sich das ab? Die gleiche Frage stelle ich analog bezüglich der Armeeangehörigen.

BEYER: Es ist natürlich eher eine Frage an die entsprechenden Behörden in Saudi-Arabien, in welcher Größenordnung dort Ausbildung stattfindet. Aus unserem Blickwinkel das ist hier und auch in Medienberichten in der Tat schon mehrmals Thema gewesen gibt es ein Trainingsprojekt für die Ausbildung des saudi-arabischen Grenzschutzes durch Angehörige der Bundespolizei. Je nach Trainingsintervall schwankt diese Zahl und es sind bis zu 25 Bundespolizisten, die zeitweise für grenzpolizeiliche Trainingsmaßnahmen in Saudi-Arabien sind. Ich kann Ihnen aber nicht sagen deswegen zögerte ich eben , wie groß auf saudischer Seite der Kreis der Empfänger dieser Ausbildungsmaßnahmen ist.

DIENST: Ich kann Ihnen nur sagen: Im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe bilden wir Personal verschiedenster Dienstgradgruppen an verschiedenen Institutionen der Bundeswehr aus. Ob und in welcher Stärke Saudi-Arabien daran beteiligt ist, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, aber die Zahlen können wir sicherlich im Laufe des Tages nachliefern, das ist kein Geheimnis.

ZURUF: Können Sie das an alle schicken?

DIENST: Ja, sicher. Standard.

VORS.: Selbstverständlich, das geht dann über unser Büro an alle.

FRAGE: Herr Peschke oder Herr Seibert, ist Saudi-Arabien für die Bundesregierung ein strategischer Verbündeter in der Region des Persischen Golfs?

PESCHKE: Saudi-Arabien ist für uns ein wichtiger Partner in der Region wirtschaftlich, aber auch politisch bei wichtigen einzelnen Fragen. Zum Beispiel war Saudi-Arabien in der Jemen-Krise eines der Länder, die versucht haben, in der Krise zu vermitteln; es gab mehrere Besuche und Vermittlungsversuche des Präsidenten in Saudi-Arabien. Wir wünschen uns natürlich, dass solche Vermittlungsversuche Erfolg haben. Nehmen Sie als Beispiel Afghanistan: Auch da ist Saudi-Arabien mit ziviler Unterstützung engagiert. Wir selber führen auch gemeinsame Projekte mit anderen Golfstaaten in Afghanistan durch. Auch da versucht man Felder der Zusammenarbeit zu erschließen, um in der Region Stabilität zu befördern.

ZUSATZFRAGE: Sie haben gesagt, Saudi-Arabien sei ein wichtiger Partner. Meine Frage war, ob es ein strategischer Partner ist.

PESCHKE: Ich habe Ihre Frage so beantwortet, wie ich Sie beantworten konnte.

FRAGE WIEGOLD: Direkt dazu, Herr Peschke: Ist Saudi-Arabien denn aus sicherheitspolitischer Sicht ein strategischer Partner für Deutschland?

PESCHKE: Ich sage es noch einmal: Es ist ein wichtiger Partner, sowohl politisch wie auch wirtschaftlich. Darüber hinaus habe ich hier keine Ankündigungen zu der Natur der Partnerschaft zu machen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Herr Peschke, das war unfair von mir: Ich habe zitiert aus der Drucksache 17/6102, Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, in der wörtlich steht: „Aus sicherheitspolitischer Sicht ist Saudi-Arabien ein wichtiger strategischer Partner im arabischen Raum.“ Entnehme ich Ihrer Aussage jetzt, dass das so nicht mehr zutrifft?

PESCHKE: Wenn Sie die Antworten auf die Kleine Anfrage schon vorliegen haben, brauchen Sie mich ja nicht mehr zu fragen.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Mich interessiert die Inkongruenz zwischen diesen Aussagen.

PESCHKE: Ich sehe da keine Inkongruenz. Ich habe gesagt: Es ist ein politisch und wirtschaftlich wichtiger Partner. Sie haben ein Zitat gebracht. Ich denke, diese beiden Aussagen kann man durchaus in Deckung bringen.

BEYER: Herr Wiegold, ich habe die von Ihnen zitierte Drucksache jetzt nicht vorliegen; sollte sich aber die Antwort der Bundesregierung damals auf die Anfrage zu dem grenzpolizeilichen Ausbildungsprojekt bezogen haben, auf das Herr Nehls vorhin kurz eingegangen ist, dann ist das eine Formulierung, die sich auch dort wiedergefunden hat. Sicherheitspolitik kann man ja aus zwei Blickwinkeln sehen, aus dem BMVG- oder aus dem BMI-Blickwinkel. Insofern: Was unseren Bereich betrifft, also die Fragestellung der Ausbildung der saudi-arabischen Grenzpolizei und der Mitwirkung durch unsere Experten der Bundespolizei, so kann ich das bejahen. Wir hatten damals bei der Beantwortung dieser Parlamentsanfrage auch darauf hingewiesen, dass es sich bei Saudi-Arabien um einen wichtigen sicherheitspolitischen Partner handelt. Wir haben dabei insbesondere auf die Belange der Terrorismusbekämpfung und die Zusammenarbeit in diesem Bereich hingewiesen. Ein jüngstes Beispiel für diese Zusammenarbeit ist die Situation im vergangenen Herbst, als es Hinweise zur Luftsicherheit und der Bedrohung durch Luftfrachtpakete gab. Unter diesem Aspekt müsste man das vielleicht auch betrachten.