Blut und Staub: Warum wir diese Bilder zeigen (müssen)

Nachdem am vergangenen Freitag ein afghanischer Soldat im Stützpunkt OP North im Norden Afghanistans aus kurzer Distanz das Feuer auf eine Gruppe deutscher Soldaten eröffnet hatte und mehrere Soldaten schwer verletzt am Boden lagen, kamen die Retter: U.S.-MedEvac-Hubschrauber, Black Hawks mit Rettungsteams an Bord. Und zum ersten Mal gab es auch Fotos direkt nach einem Angriff auf deutsche Soldaten – in einem der Begleithubschrauber saß eine Fotografin der Nachrichtenagentur Associated Press (dazu mehr unten).

(Die Bilder selbst kann ich nur hier und hier verlinken, aus rechtlichen Gründen allerdings nicht direkt einbinden.)

Nach der Veröffentlichung dieser Fotos, die in zahlreichen deutschen Medien erschienen, herrschte an einigen Stellen Ärger. In der Bundeswehr, so höre ich, gab es einige, die mit dieser Veröffentlichung nicht glücklich waren. Auch hier im Blog wurde die Frage gestellt, ob das sein dürfe – und sein müsse.

Ja, es muss sein.

Immer wieder habe ich die Politiker und hohen Offiziere im Ohr, die sich gerne wortreich beklagen, dass die deutsche Bevölkerung gar nicht wisse und auch nicht wissen wolle, in welcher Gefahr deutsche Soldaten am Hindukusch täglich ihren Einsatz durchführen. Die darüber schimpfen, dass sich der deutsche Normalbürger gar keine Vorstellung davon mache, was eine Mission in Afghanistan bedeute.

Natürlich nicht. Denn meistens sehen sie davon keine Bilder, hören nur die abgeschwächten Geschichten.

Es gibt Ausnahmen, gewiss (wie etliche Berichte von Uli Gack im ZDF oder den Fotos von Fabrizio Bensch von Reuters). Aber nach meiner Erinnerung sind die Bilder vom Freitag die ersten, die die Situation direkt nach einem solchen Anschlag zeigen, die ersten, die den – zum Teil vergeblichen – Versuch der Rettung schwer Verwundeter abbilden.

Und eine Reportage, wie sie der Journalist Vaughan Smith über den Einsatz der U.S.-Rettungshubschrauber, Rufname Dustoff, gedreht hat, werden wir über den Einsatz deutscher Sanitäter an der Front in Afghanistan vermutlich so schnell nicht zu sehen bekommen:

(Es sagt schon einiges über das, was Smith da zu sehen bekam, wenn er anmerkt: I have worked with Al Jazeera on this because I couldn’t find another news broadcaster in Britain that would show the film without cutting out the stronger images.)

Wer es ehrlich meint mit der Forderung, der Einsatz der deutschen Männer und Frauen in Uniform müsse auch daheim gewürdigt werden, der muss auch solche Bilder zulassen. Die U.S. Army scheint das verstanden zu haben. Bei der Bundeswehr habe ich diesen Eindruck bislang nicht (und manches, was ich von Kollegen der bewegten Bilder und der Fotografie höre, bestätigt diese Einschätzung). Mehr als eine möglichst realistische Darstellung dessen, was passiert, wäre vielleicht nicht zu viel verlangt.

(Die zu Beginn erwähnten Bilder des Angriffs im OP North stammen von der Associated Press-Fotografin Anja Niedringhaus, die derzeit embedded bei den U.S.-MedEvac-Helikoptern in Kundus ist. Ich wage die Vermutung, dass diese Bilder nicht entstanden wären, wenn sie nicht mit den Amerikanern, sondern mit den Deutschen dort gewesen wäre, lasse mich aber gerne eines Anderen belehren.

Und, auch das gehört dazu: Anja dürfte mehr Kampferfahrung haben als fast jeder deutsche Soldat – allein aus dem Irak-Krieg, den sie vom Einmarsch der Amerikaner an begleitete (für die Berichterstattung erhielt sie den Pulitzer-Preis), und zahlreichen Einsätzen in Afghanistan. Im vergangenen Jahr wurde sie bei einer Fußpatrouille mit den Kanadiern durch eine Handgranate verwundet. Die Splitter hat sie rausoperieren lassen und flog wieder nach Afghanistan. Das wollte ich noch am Rande loswerden für die, die gerne diesen Pressefuzzis Feigheit vorwerfen und vermuten, die würden sich kaum trauen, eine Nacht im OP North, schwer bewacht, zu verbringen.)