AWACS, ein deutsches Schicksal (2)

Der Vollständigkeit halber bleibt zu dem AWACS-Eintrag vom vergangenen Donnerstag noch nachzutragen:

Die Bundeswehr lässt zwar ihre Soldaten nicht in den Überwachungsflugzeugen über Afghanistan mitfliegen. Indirekt aber, berichtet die Süddeutsche Zeitung, sind die Deutschen dennoch dabei: Mit Wartungstrupps der Bundeswehr auf der Basis Konya in der Türkei und in Masar-i-Scharif in Afghanistan.

Und: Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium sind ganz offiziell unterschiedlicher Ansicht, ob die deutsche Nicht-Beteiligung am AWACS-Einsatz am Hindukusch nun mindestens für ein Jahr gilt oder nach 90 Tagen überprüft wird. Dazu der Ausschnitt aus der Bundespressekonferenz am 14. Januar – mit Regierungssprecher Steffen Seibert, dem stellvertretenden BMVg-Sprecher Kapitän zur See Christian Dienst und dem stellvertretenden AA-Sprecher Stefan Bredohl:

FRAGE: Ich habe eine Frage zu den AWACS-Überwachungsflügen über Afghanistan. Im Auswärtigen Amt heißt es, dass die NATO die Deutschen dort für ein Jahr nicht brauchen werde. Das Verteidigungsministerium will nun schon nach dem ersten Turnus von 90 Tagen überprüfen lassen, ob nicht doch auch die Deutschen auf die Maschinen sollen oder gar müssen. Ist das ein neuer Dissens?

BREDOHL: Es gibt jetzt einen Antrag der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag, einen Mandatstext, der vorgelegt wird und für den die Bundesregierung den Bundestag um Zustimmung bittet. In diesem Mandatstext ist von AWACS nicht die Rede, und ich kann hier sagen, dass sich die Frage der Beteiligung derzeit nicht stellt. Insofern gibt es also diese ganz klaren Mandats- oder Antragslage.

Bestärkt sehen wir uns darin durch verschiedene Äußerungen sowohl NATO-intern als auch gegenüber dem Bundesaußenminister bei seiner kürzlich erfolgten Reise nach Afghanistan , durch die die deutsche Schwerpunktsetzung und die deutsche Prioritätensetzung ebenfalls nicht in Zweifel gezogen werden.

DIENST: Für unser Haus ist anzufügen, dass es ohne Frage so ist, dass die Bundesregierung eben angekündigt hat, sich an dem AWACS-Einsatz, der jetzt anläuft, nicht zu beteiligen. Der NATO-Generalsekretär hat den Einsatz erst einmal für 90 Tage freigegeben, und innerhalb der NATO ist über das NATO-Hauptquartier SHAPE eine Prüfung in Auftrag gegeben worden, um innerhalb dieser 90 Tage den Einsatz als solches zu bewerten und auch Möglichkeiten dessen zu bewerten, wie dieser Einsatz darüber hinaus unter Umständen in anderer Konfiguration fortgeführt werden kann. Das ist für uns, für das BMVg, der Abholpunkt. Wir werden diese Prüfung begleiten, abwarten und dann nach 90 Tagen sozusagen einen Zwischenschritt in der Bewertung einziehen. Dann wird man die Frage, wie von deutscher Seite aus weiter verfahren wird, im Lichte einer wesentlich fundierteren Erkenntnis neu bewerten können.

FRAGE: Ist es denn über das Thema AWACS zu einem Telefonat oder einem persönlichen Gespräch zwischen den beiden Ministern gekommen, oder geht es so weiter, dass beide in unterschiedlichen Pressekonferenzen miteinander reden?

DIENST: Mir persönlich, Christian Dienst, ist ein Telefonat in dieser Form im Moment nicht bekannt.

FRAGE: Wie bewerten denn die beiden Sprecher der zuständigen Ministerien generell die Zusammenarbeit der beiden zuständigen Minister an dieser Verlängerung des Afghanistan-Mandats?

DIENST: Es steht mir als Sprecher nicht zu, die Zusammenarbeit der Minister zu bewerten.

BREDOHL: Ich meine, allein die Tatsache, dass es einen gemeinsamen Antrag der beiden Minister gibt, zeigt doch, dass es eine intensive und enge Abstimmung gibt, die selbstverständlich zu einem nicht nur konstruktiven, sondern auch sehr vernünftigen und guten Ergebnis geführt hat.

STS SEIBERT: Ich könnte noch hinzufügen und vielleicht ergänzen, dass die Kanzlerin am vergangenen Mittwoch im Bundeskabinett allen Ressorts AA, BMVg und den anderen in Afghanistan beteiligten Ressorts ausdrücklich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit am Gesamtkomplex Afghanistan gedankt hat.

FRAGE: Nicht ganz verstanden, Herr Bredohl, habe ich jetzt Ihre Position hinsichtlich der AWACS. Sie haben auf das Mandat verwiesen, das innerhalb der nächsten zwei Wochen verabschiedet werden soll. Darin ist von den AWACS nicht die Rede. Herr Dienst hat jetzt gesagt: Wir schauen im Lichte der Auswertung in 90 Tagen noch einmal darauf und werden gegebenenfalls unsere Position anpassen.

Findet denn das Außenministerium, dass man seine Position gegebenenfalls auch anpassen muss, oder sagen Sie „Wir machen jetzt ein Mandat, das für ein Jahr gelten soll, und das können wir nicht in drei Monaten schon wieder neu aufschnüren“?

BREDOHL: Selbstverständlich kann man jede Aussage über die Zukunft immer nur vor dem Hintergrund dessen treffen, was man heute weiß. Aber selbstverständlich haben wir ein Mandat in den Bundestag eingebracht, das für ein Jahr gilt. Insofern ist es auch die feste Absicht der Bundesregierung, dass dieses Mandat für ein Jahr Gültigkeit behält.

FRAGE SIEBERT: Herr Dienst, wenn eine Überprüfung nach Abschluss dieses ersten 90-Tage-Turnusses dazu führen würde, die deutschen Besatzungen zu beteiligen, dann wäre es also nötig, dafür ein Extra-Mandat in den Bundestag einzubringen. Oder wie habe ich das zu sehen?

DIENST: Wir bewegen uns hier im Bereich der technischen Unterscheidung zu dem großen ISAF-Mandat, welches jetzt beschlossen wird. Wir wissen eben nicht, was zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft für den ISAF-Einsatz auf einmal noch nötig sein wird. Alle, die die Szene verfolgen, wissen ja, wie die letzte AWACS-Mandatierung verlaufen ist, die es durchaus schon gab. Ich meine, insofern gibt es genügend Beispiele und Optionen. Jeder kann sich heute nur rein spekulativ zu diesem Thema äußern, weil die Zeit für Entscheidungen in dieser Hinsicht nicht reif ist.

ZUSATZFRAGE: Vielleicht auch an Herrn Seibert: „Keine AWACS-Besatzung ohne eigenes Mandat“ – das ist doch der Grundsatz, oder?

STS SEIBERT: So habe ich das bisher verstanden.

DIENST: Ja, das ist so. Mit Sicherheit ist es so: Wenn sich deutsches Personal an der AWACS-Operation beteiligt, dann tut es das nur mit einem Mandat des Deutschen Bundestags.

STS SEIBERT: Ich will das vielleicht noch einmal ganz kurz zusammenfassen: Die Frage einer deutschen Beteiligung an diesem AWACS-Einsatz stellt sich zurzeit wirklich nicht; denn für die nächsten 90 Tage hat die NATO den Einsatz ohne deutsche Beteiligung freigegeben. Es ist bekannt, dass die militärische Führung der NATO zu der Einschätzung gekommen ist, dass ein Einsatz ohne deutsche Beteiligung auch über diesen Zeitraum hinaus ziemlich problemlos möglich ist. Insofern stellt sich diese Frage nicht. Die Bundesregierung hat sich dazu entschieden, daran zum jetzigen Zeitpunkt nicht teilzunehmen. Das Ersuchen um ein neuerliches Afghanistan-Mandat Ende des Monats im Bundestag ist davon vollkommen unabhängig. Wir werden das beobachten und werden es evaluieren, aber es gibt im Moment keinen Grund, darüber nachzudenken.

FRAGE: Herr Seibert, könnten Sie dann vielleicht noch einmal den Grund oder die Gründe nennen, die die Bundesregierung bewogen haben, jetzt keine AWACS-Mannschaften zur Verfügung zu stellen, während man das 2009 noch gemacht hat? Es gibt in dem Mandat unter anderem einen Vorratsbeschluss darüber, dass man beispielsweise gegebenenfalls wieder „Tornado“-Flugzeuge zur Aufklärung nach Afghanistan verlegen kann. Man hätte sich auch vorstellen können, dass ein weiterer Punkt einen AWACS-Einsatz deutscher Besatzungsmitglieder möglich machen könnte, und dann hätte man das ein für allemal für das komplette Jahr entschieden.

STS SEIBERT: Ich denke, Außenminister Westerwelle hat das neulich sehr deutlich gemacht, indem er gesagt hat: Wir haben unseren Partnern gesagt, dass wir zurzeit den Schwerpunkt auf die Ausbildung setzen. Das fordert uns ausreichend. Das hilft, dazu beizutragen, dass sich die Sicherheitssituation am Boden so entwickelt, wie sie sich entwickeln soll, wenn wir es schaffen wollen, die verschiedenen Etappen der Übergabe der Verantwortung in Verantwortung durchzuführen. Damit war diese Entscheidung der Deutschen auch keine Überraschung für unsere Bündnispartner. Sie ist begründet, und sie ist so begründet worden.

ZUSATZFRAGE: Als wie hoch sehen Sie die Wahrscheinlichkeit an, dass man in drei Monaten seitens der Bundesregierung zu einer Prioritätenverschiebung kommen und sagen wird „Wir setzen nicht mehr so stark auf die Ausbildung, sondern wollen lieber die AWACS-Besatzungen auffüllen“?

STS SEIBERT: Diese Wahrscheinlichkeit werde ich jetzt nicht in den Kategorien „hoch“, „mittel“, „gering“ oder in Prozentzahlen einschätzen.

FRAGE: Herr Dienst, was passiert eigentlich mit den deutschen Besatzungen, die jetzt nicht zum Einsatz kommen, wenn deren Maschinen jetzt im Afghanistan-Einsatz sind, möglicherweise noch über die drei Monate hinaus? Die gehören ja eigentlich zur multinationalen Besatzung, die diese Flugzeuge haben. Was passiert mit den deutschen Soldaten? Haben die dann Urlaub? Sitzen die in Geilenkirchen herum und machen eben irgendetwas anderes? Machen die Ausbildungslehrgänge? Werden die jetzt überhaupt in irgendeiner Weise beschäftigt?

DIENST: Es ist so, dass nicht die gesamte AWACS-Flotte am Afghanistan-Einsatz der NATO teilnehmen wird. Das sind nur Teile davon, und die Restflotte hat natürlich auch noch andere Aufträge. Zum Beispiel fliegt AWACS sporadisch im Rahmen der „Operation Active Endeavour“, der Mittelmeerüberwachung. Dabei können deutsche Besatzungen nach wie vor mitfliegen. Es gibt auch Routineaufträge wie zum Beispiel die Ausbildung und das Übungsgeschehen im Bereich der NATO, soweit AWACS-Maschinen angefordert werden. Das sind alles Facetten, die die Deutschen natürlich nach wie vor mit bestreiten.