Abzug, Abzug, Trallalala

Nee, das ist zu ernst, sich darüber lustig zu machen. Gleichwohl: die Frage, ob die Deutschen sich in den nächsten Wochen darauf festlegen, im Jahr 2011 mit dem Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan zu beginnen, dürfte bis weit in den Januar ein größeres Thema der innenpolitischen Debatte werden. In einem von der afghanischen Realität entkoppelten Paralleluniversum.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagt in einem heute veröffentlichten Interview: Schon im Afghanistan-Mandat vom Januar 2010 ist der beginnende Rückzug deutscher Soldaten beschrieben. Das muss 2011 durch konkretes Tun untermauert werden. Taten zählen! Für die Zustimmung der SPD muss der Beginn des Rückzugs im Mandat enthalten sein.

Als politisches Ziel ok. Dummerweise richtet sich das, was am Hindukusch passiert, nur sehr mittelbar nach (deutschen) politischen Vorgaben. (Mal ganz davon abgesehen, dass ich den mit dem Wort Rückzug verbundenen Eindruck für fatal halte. Vermute allerdings, Steinmeier meint Abzug – siehe übrigens auch Wikipedia dazu.) Letztendlich geht es ja darum, den eigenen Wählern signalisieren zu können: schaut mal, wir fangen ja schon an, Schluss zu machen mit diesem Afghanistan-Blödsinn, den ihr gar nicht mögt.

Da vermute ich übrigens in den nächsten Monaten einen Popularitätswettlauf, der nicht auf die SPD beschränkt bleibt: alle Parteien haben in ihren Reihen Gegner des Krieges am Hindukusch, und in allen Parteien herrscht die Ansicht vor, die Deutschen seien da ganz doll engagiert und permanent in Kämpfe verwickelt. Drittgrößter Truppensteller und so. Ab und zu würde es helfen, da mal die Relationen zu sehen – zum Beispiel was die Kämpfe im Süden Afghanistans angeht. Oder die Zahl der incidents, der gewaltsamen Zwischenfälle in den Regionalkommandos Süd und Südwest im Vergleich zum Norden.

Die lustige Begriffsvermischung macht auch vor der Truppe nicht richtig halt, wenn ich die Äußerungen des Kommandeurs der Saarlandbrigade heute sehe. Unter der Voraussetzung, dass Sie da korrekt widergegeben wurden, Herr General: wo haben die Deutschen (!) Kampftruppen in Regionen, in denen der Wiederaufbau schon weiter vorangeschritten ist? Würde bei Gelegenheit außerdem mal mit dem ComISAF reden, über das Stichwort re-invest the transition dividend

Nachtrag: Dazu passt das Interview, das Petraeus der Associated Press gegeben hat. Hier mal zitiert der Part zum Norden Afghanistans und den Deutschen, der nicht nach baldigem Abzug von Kampftruppen klingt:

„Over the last two years there has been an increase in Taliban activity up in the north,“ Petraeus acknowledged, but said there were plans by the Interior Ministry, the Afghan army and NATO „to reverse the momentum that the Taliban achieved in the north.“

Asked how this would be done, the general pointed to recent operations in the northern province of Kunduz, where combined operations involving the Afghan army, police, border police and coalition forces were pushing further into territory where the Taliban operate.

The U.S. had also sent an infantry brigade, an aviation brigade and additional special forces to the north over the past six to 10 months, Petraeus said, adding that Germany — which commands NATO troops in the north — had also conducted „impressive counterinsurgency operations, actually the first in their post-World War II history.“

The general also praised German special forces, saying they were „doing superb work in partnering with Afghan provincial response governance.“