Demnächst am Himmel über Kundus

Als die Bundeswehr vor sieben Jahren ihr erstes Camp in Kundus bezog, damals noch mitten in der Stadt gelegen, nahmen die Soldaten Rücksicht auf ihre Nachbarn. Auf dem Wachtturm mitten im Feldlager bauten sie eine blaue Bretterwand auf, die den Blick in den Garten des Wohnhauses neben dem PRT versperrte: Die Damen des Hauses sollten sich dort geschützt vor den Blicken fremder Männer aufhalten können.

Wie die heute undenkbare Lage eines Camps mitten in der nordafghanischen Stadt ist auch so viel Rücksichtnahme längst Geschichte. Rundbeobachtungsanlagen, die das Umfeld auf Kilometer überwachen können, gehören mittlerweile zur Standardausstattung jeder Truppenbasis in Afghanistan, und selbst diese Technik schützt nicht vor Angriffen. In der Hauptstadt Kabul und in einigen anderen Orten hat ISAF daraus Konsequenzen gezogen – und eine neue Technik installiert: Ein starres Luftschiff in einigen hundert Metern Höhe, ausgestattet mit modernsten Kameras für Tag- und Nachtsicht, liefert permanent Überwachungsbilder in die angeschlossene Zentrale.

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A new Persistent Surveillance System is launched at Camp Julien, Sept. 14 2010, to provide the Afghan National Security Forces and International Security Assistance Force officials with an extra level of surveillance capability for security operations to protect polling centers around Kabul, Afghanistan, for the parliamentary elections. The PSS, a floating aerostat (or blimp), has high-tech camera equipment able to provide 360 degree views of the city. (U.S. Army photo by Master Sgt. Travis Vallery via ISAFmedia on flickr)

Und diese Technik kommt bald auch in den Norden Afghanistans. Persistent Threat Detection System (PTDS), dauerhaftes System zur Entdeckung von Bedrohungen, heisst das System, dass die U.S. Army bei der Firma Lockheed Martin bestellt hat. Gut zehn dieser Blimps sollen demnächst im Nordbereich für die nötige Überwachungsmöglichkeit sorgen, darunter in Mazar-i-Scharif und in Kundus. (Wer sich für die Technik interessiert: Hier gibt’s die Ausschreibung mit den Daten, zum Beispiel der geforderten Kabelanbindung von 5.000 Fuß).Was das System zu leisten vermag, wird hier mal beschrieben.

Die Luftschiffe bedeuten eine neue Qualität – für die Aufklärung, weil in einer Sicherheitszentrale kilometerweit im Umkreis jede Personen- und Fahrzeugbewebung beobachtet werden kann. Aber auch für die Afghanen, die schon jetzt in Kabul unter den elektronischen Augen der afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte leben. Vielleicht auch für den Feldlagerschutz – wie schießt man anfliegende Raketen und Mörsergranaten ab, wenn da auch noch so ein3 35 Meter lange Helium-gefüllte Zigarre am Himmel hängt?

(Den meisten Verteidigungspolitikern dürfte bislang nicht bekannt sein, dass dieses System demnächst auch im deutschen Kommandobereich in Afghanistan installiert wird – was nicht überraschend ist: wird es doch im amerikanischen bzw. NATO-Rahmen eingeführt. Deshalb gibt’s keine deutsche Beschaffung und auch keine Befassung des Parlaments.)